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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band.

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raren Stadt Bremen diesen Satz weniger kräftig, aber nicht weniger cynisch
so aus:

"Wer vorurtheilsfrei die Thatsachen prüft, kann auch nicht wol umhin
einzuräumen, das; die Anschaffung und Unterhaltung einer Flotille von je
zehn bewaffneten Dampfschiffen für Hamburg und Bremen eine weit größere
Kalamität sein würde, als alle Verluste, welche für sie aus einem von Zeit zu
Zeit eintretenden Seekriege wahrscheinlicher Weise entstehen konnten."

Die deutschen Hansestädte sind zu gewöhnlichen Handelsstädten herabge-
sunken, aber zu Handelsstädten, welche Kleinstaaten sind und denen jeder Seeschutz
fehlt. Der Fluch der Kleinstaaterei wirkt lähmend auf das nationale Ehrgefühl
des Handeisstandes, der Mangel eines bewaffneten Schutzes auf die Kraft
des Handels. Der Handel jener alten Städte der Hansa war sehr ver¬
schieden von dem der heutigen Hansestädte. Jener Handel war ausschlie߬
lich Eigenhandel, wie heute der Englands; der der heutigen Hansestädte, na¬
mentlich Hamburgs, ist zum großen Theil Commissions- und Speditionshandel,
d. h. früher war der deutsche Kaufmann stets der Herr der Waare, das Schiff
trug sein volles Eigenthum, heute ist er vielfach nur der Vertreter der Frem¬
den. Man ist dessen zufrieden, weil auch das Commissionsgeschäft immerhin
einen erklecklichen Bortheil abwirft.

Die Senate der jetzigen freien Städte Deutschlands haben nicht über Eine
Kanone auf dem Wasser zu verfügen, ausgenommen etwa über die Böllerche",
welche bei den Festen abgebrannt werden.

Diese Senate schützen den städtischen Handel dnrch ergebenes Bitten bet
dem Auslande. Zur selben Zeit, als man in der alten Hansa meinte, da"
man mit dem Betteln weiter komme, als mit Kriegführen, entstand jenes
deutsche Sprichwort: "mit dem Hute in der Hand kommt man durch's ganze
Land."

Die Senate der freien Städte kommen sogar mit dem Hut in der Hund
durch die ganze Welt. Freien hanseatischen Staatsangehörigen wird in Süd¬
amerika ihre Habe ohne allen Grund confiscire -- sofort muß der Cor!"l
bitten, man möge sie doch wieder Herausgeber. Da man sie aber genommen
hat, um sie zu behalten" folgt ein abschläglicher Bescheid, und damit ist d"-'
Sache abgethan. Um doch System in diese Wirthschaft zu bringen, hat be¬
kanntlich der Hamburger Senat vor Kurzem auf den Ersatz für alle künftig tM''
burger Staatsangehörigen in bürgerlichen Unruhen erwachsenden Schäden
vertragsmüßig Verzicht leisten wollen.

Ueberall. bei jeder Gelegenheit muß die Hilfe und Vermittlung andere"
Staaten in Anspruch genommen werden, am Meisten und am Liebsten wendet
man sich an England, und dieses ist gewöhnlich nicht ungeneigt, durch wohl-
feile Hilfsleistungen eine Art verpflichtenden Protectorats über den hambw-


raren Stadt Bremen diesen Satz weniger kräftig, aber nicht weniger cynisch
so aus:

„Wer vorurtheilsfrei die Thatsachen prüft, kann auch nicht wol umhin
einzuräumen, das; die Anschaffung und Unterhaltung einer Flotille von je
zehn bewaffneten Dampfschiffen für Hamburg und Bremen eine weit größere
Kalamität sein würde, als alle Verluste, welche für sie aus einem von Zeit zu
Zeit eintretenden Seekriege wahrscheinlicher Weise entstehen konnten."

Die deutschen Hansestädte sind zu gewöhnlichen Handelsstädten herabge-
sunken, aber zu Handelsstädten, welche Kleinstaaten sind und denen jeder Seeschutz
fehlt. Der Fluch der Kleinstaaterei wirkt lähmend auf das nationale Ehrgefühl
des Handeisstandes, der Mangel eines bewaffneten Schutzes auf die Kraft
des Handels. Der Handel jener alten Städte der Hansa war sehr ver¬
schieden von dem der heutigen Hansestädte. Jener Handel war ausschlie߬
lich Eigenhandel, wie heute der Englands; der der heutigen Hansestädte, na¬
mentlich Hamburgs, ist zum großen Theil Commissions- und Speditionshandel,
d. h. früher war der deutsche Kaufmann stets der Herr der Waare, das Schiff
trug sein volles Eigenthum, heute ist er vielfach nur der Vertreter der Frem¬
den. Man ist dessen zufrieden, weil auch das Commissionsgeschäft immerhin
einen erklecklichen Bortheil abwirft.

Die Senate der jetzigen freien Städte Deutschlands haben nicht über Eine
Kanone auf dem Wasser zu verfügen, ausgenommen etwa über die Böllerche»,
welche bei den Festen abgebrannt werden.

Diese Senate schützen den städtischen Handel dnrch ergebenes Bitten bet
dem Auslande. Zur selben Zeit, als man in der alten Hansa meinte, da»
man mit dem Betteln weiter komme, als mit Kriegführen, entstand jenes
deutsche Sprichwort: „mit dem Hute in der Hand kommt man durch's ganze
Land."

Die Senate der freien Städte kommen sogar mit dem Hut in der Hund
durch die ganze Welt. Freien hanseatischen Staatsangehörigen wird in Süd¬
amerika ihre Habe ohne allen Grund confiscire — sofort muß der Cor!»l
bitten, man möge sie doch wieder Herausgeber. Da man sie aber genommen
hat, um sie zu behalten» folgt ein abschläglicher Bescheid, und damit ist d"-'
Sache abgethan. Um doch System in diese Wirthschaft zu bringen, hat be¬
kanntlich der Hamburger Senat vor Kurzem auf den Ersatz für alle künftig tM''
burger Staatsangehörigen in bürgerlichen Unruhen erwachsenden Schäden
vertragsmüßig Verzicht leisten wollen.

Ueberall. bei jeder Gelegenheit muß die Hilfe und Vermittlung andere»
Staaten in Anspruch genommen werden, am Meisten und am Liebsten wendet
man sich an England, und dieses ist gewöhnlich nicht ungeneigt, durch wohl-
feile Hilfsleistungen eine Art verpflichtenden Protectorats über den hambw-


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[0376] raren Stadt Bremen diesen Satz weniger kräftig, aber nicht weniger cynisch so aus: „Wer vorurtheilsfrei die Thatsachen prüft, kann auch nicht wol umhin einzuräumen, das; die Anschaffung und Unterhaltung einer Flotille von je zehn bewaffneten Dampfschiffen für Hamburg und Bremen eine weit größere Kalamität sein würde, als alle Verluste, welche für sie aus einem von Zeit zu Zeit eintretenden Seekriege wahrscheinlicher Weise entstehen konnten." Die deutschen Hansestädte sind zu gewöhnlichen Handelsstädten herabge- sunken, aber zu Handelsstädten, welche Kleinstaaten sind und denen jeder Seeschutz fehlt. Der Fluch der Kleinstaaterei wirkt lähmend auf das nationale Ehrgefühl des Handeisstandes, der Mangel eines bewaffneten Schutzes auf die Kraft des Handels. Der Handel jener alten Städte der Hansa war sehr ver¬ schieden von dem der heutigen Hansestädte. Jener Handel war ausschlie߬ lich Eigenhandel, wie heute der Englands; der der heutigen Hansestädte, na¬ mentlich Hamburgs, ist zum großen Theil Commissions- und Speditionshandel, d. h. früher war der deutsche Kaufmann stets der Herr der Waare, das Schiff trug sein volles Eigenthum, heute ist er vielfach nur der Vertreter der Frem¬ den. Man ist dessen zufrieden, weil auch das Commissionsgeschäft immerhin einen erklecklichen Bortheil abwirft. Die Senate der jetzigen freien Städte Deutschlands haben nicht über Eine Kanone auf dem Wasser zu verfügen, ausgenommen etwa über die Böllerche», welche bei den Festen abgebrannt werden. Diese Senate schützen den städtischen Handel dnrch ergebenes Bitten bet dem Auslande. Zur selben Zeit, als man in der alten Hansa meinte, da» man mit dem Betteln weiter komme, als mit Kriegführen, entstand jenes deutsche Sprichwort: „mit dem Hute in der Hand kommt man durch's ganze Land." Die Senate der freien Städte kommen sogar mit dem Hut in der Hund durch die ganze Welt. Freien hanseatischen Staatsangehörigen wird in Süd¬ amerika ihre Habe ohne allen Grund confiscire — sofort muß der Cor!»l bitten, man möge sie doch wieder Herausgeber. Da man sie aber genommen hat, um sie zu behalten» folgt ein abschläglicher Bescheid, und damit ist d"-' Sache abgethan. Um doch System in diese Wirthschaft zu bringen, hat be¬ kanntlich der Hamburger Senat vor Kurzem auf den Ersatz für alle künftig tM'' burger Staatsangehörigen in bürgerlichen Unruhen erwachsenden Schäden vertragsmüßig Verzicht leisten wollen. Ueberall. bei jeder Gelegenheit muß die Hilfe und Vermittlung andere» Staaten in Anspruch genommen werden, am Meisten und am Liebsten wendet man sich an England, und dieses ist gewöhnlich nicht ungeneigt, durch wohl- feile Hilfsleistungen eine Art verpflichtenden Protectorats über den hambw-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111969/376>, abgerufen am 22.07.2024.