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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band.

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Schlachten vorgefallen wären), die Leitung des Feldzugs aber geschickt
genug.

Aus den Leipziger Tagen wollen wir bloß ein wichtiges Document mit¬
theilen, nämlich den Bericht Wilsons an Lord Aberdeen über die Unterredung
Meerfeldts mit Napoleon. Er ist am 18. October früh, vor Wachau, im
feindlichen Feuer geschrieben und ergänzt den in Bernhardi's "Denkwür¬
digkeiten des Grafen von Toll" mitgetheilten Bericht des Lord Burgersh. der
zwar umfänglicher ist, aber in der Mitte abbricht. Die falsche Darstellung
Fällt's von zwei Unterredungen Meerfeldts mit dem Kaiser wird dadurch de¬
finitiv beseitigt. Die Depesche lautet:

"General Meerseite. der eben aus dem feindlichen Lager zurückkehrt, sah
gestern Bonaparte.

"Bonaparte unterhielt sich mit ihm ernstlich über den Frieden, aber er¬
klärte, er habe 200,000 Mann bei sich, aber eine viel bedeutendere Kavallerie
als die Verbündeten glaubten.

"Als Bedingung eines Waffenstillstands während der Verhandlungen schlug
er vor Danzig. Motum, Stettin, Küstrin. Glogau. Dresden, Torgau und selbst
Wittenberg zu räumen; hinsichtlich dieses letzteren Punktes machte er jedoch einige
Schwierigkeiten. Er willigte ferner ein. hinter die Saale zurück zu gehen.
Was die Friedensbedingungen betrifft, so sagte er: ""Wenn England Frieden
schließen und Kolonien herausgeben wolle, wolle er Hannover, Lübeck und
Hamburg u. s. w. herausgeben. Wolle es die Neutralität der Flagge zuge¬
stehen, so ließe sich die Unabhängigkeit Hollands arrangiren und Italien könnte
zu einer unabhängigen Monarchie gemacht werden.""

"Hinsichtlich der Herausgabe Mantua's an die Oestreicher zögerte er und
wiederholte, daß Italien ganz bleiben müsse. Meerseite sagte, die Verbünde¬
ten könnten Einwendungen machen, wenn Murat der Beherrscher werden sollte-
Er gab zur Antwort, daß es nicht nothwendig sei, den Abmachungen voraus-
zugreifcn. Er erklärte jedoch wiederholt, er glaube nicht, daß England Frie¬
den schließen werde oder wenigstens nicht ohne eine Bedingung, in die er nie
willigen könne -- eine Beschränkung der Zahl seiner Kriegsschiffe.

"Meerseite fragte ihn. ob er sofort Erfurt, sowie die anderen Festungen
aufgeben wollte. Er zögerte. Meerseite sagte dann, das Aufgeben des Pre>-
tectorats über den Rheinbund sei eine Nothwendigkeit. Bonaparte erwiderte
darauf, das sei unmöglich: aber als er erfuhr, daß Bayern sich bereits seinem
Schutze entzogen hatte, was er nicht wußte, da der von München an ihn ab¬
geschickte Courier unterwegs aufgehoben worden war -- und daß die andern
Staaten unterhandelten, sagte er: ""Dann hört das Protectorat des Rhein¬
bundes von selbst auf.""


Schlachten vorgefallen wären), die Leitung des Feldzugs aber geschickt
genug.

Aus den Leipziger Tagen wollen wir bloß ein wichtiges Document mit¬
theilen, nämlich den Bericht Wilsons an Lord Aberdeen über die Unterredung
Meerfeldts mit Napoleon. Er ist am 18. October früh, vor Wachau, im
feindlichen Feuer geschrieben und ergänzt den in Bernhardi's „Denkwür¬
digkeiten des Grafen von Toll" mitgetheilten Bericht des Lord Burgersh. der
zwar umfänglicher ist, aber in der Mitte abbricht. Die falsche Darstellung
Fällt's von zwei Unterredungen Meerfeldts mit dem Kaiser wird dadurch de¬
finitiv beseitigt. Die Depesche lautet:

„General Meerseite. der eben aus dem feindlichen Lager zurückkehrt, sah
gestern Bonaparte.

„Bonaparte unterhielt sich mit ihm ernstlich über den Frieden, aber er¬
klärte, er habe 200,000 Mann bei sich, aber eine viel bedeutendere Kavallerie
als die Verbündeten glaubten.

„Als Bedingung eines Waffenstillstands während der Verhandlungen schlug
er vor Danzig. Motum, Stettin, Küstrin. Glogau. Dresden, Torgau und selbst
Wittenberg zu räumen; hinsichtlich dieses letzteren Punktes machte er jedoch einige
Schwierigkeiten. Er willigte ferner ein. hinter die Saale zurück zu gehen.
Was die Friedensbedingungen betrifft, so sagte er: „„Wenn England Frieden
schließen und Kolonien herausgeben wolle, wolle er Hannover, Lübeck und
Hamburg u. s. w. herausgeben. Wolle es die Neutralität der Flagge zuge¬
stehen, so ließe sich die Unabhängigkeit Hollands arrangiren und Italien könnte
zu einer unabhängigen Monarchie gemacht werden.""

„Hinsichtlich der Herausgabe Mantua's an die Oestreicher zögerte er und
wiederholte, daß Italien ganz bleiben müsse. Meerseite sagte, die Verbünde¬
ten könnten Einwendungen machen, wenn Murat der Beherrscher werden sollte-
Er gab zur Antwort, daß es nicht nothwendig sei, den Abmachungen voraus-
zugreifcn. Er erklärte jedoch wiederholt, er glaube nicht, daß England Frie¬
den schließen werde oder wenigstens nicht ohne eine Bedingung, in die er nie
willigen könne — eine Beschränkung der Zahl seiner Kriegsschiffe.

„Meerseite fragte ihn. ob er sofort Erfurt, sowie die anderen Festungen
aufgeben wollte. Er zögerte. Meerseite sagte dann, das Aufgeben des Pre>-
tectorats über den Rheinbund sei eine Nothwendigkeit. Bonaparte erwiderte
darauf, das sei unmöglich: aber als er erfuhr, daß Bayern sich bereits seinem
Schutze entzogen hatte, was er nicht wußte, da der von München an ihn ab¬
geschickte Courier unterwegs aufgehoben worden war — und daß die andern
Staaten unterhandelten, sagte er: „„Dann hört das Protectorat des Rhein¬
bundes von selbst auf.""


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[0310] Schlachten vorgefallen wären), die Leitung des Feldzugs aber geschickt genug. Aus den Leipziger Tagen wollen wir bloß ein wichtiges Document mit¬ theilen, nämlich den Bericht Wilsons an Lord Aberdeen über die Unterredung Meerfeldts mit Napoleon. Er ist am 18. October früh, vor Wachau, im feindlichen Feuer geschrieben und ergänzt den in Bernhardi's „Denkwür¬ digkeiten des Grafen von Toll" mitgetheilten Bericht des Lord Burgersh. der zwar umfänglicher ist, aber in der Mitte abbricht. Die falsche Darstellung Fällt's von zwei Unterredungen Meerfeldts mit dem Kaiser wird dadurch de¬ finitiv beseitigt. Die Depesche lautet: „General Meerseite. der eben aus dem feindlichen Lager zurückkehrt, sah gestern Bonaparte. „Bonaparte unterhielt sich mit ihm ernstlich über den Frieden, aber er¬ klärte, er habe 200,000 Mann bei sich, aber eine viel bedeutendere Kavallerie als die Verbündeten glaubten. „Als Bedingung eines Waffenstillstands während der Verhandlungen schlug er vor Danzig. Motum, Stettin, Küstrin. Glogau. Dresden, Torgau und selbst Wittenberg zu räumen; hinsichtlich dieses letzteren Punktes machte er jedoch einige Schwierigkeiten. Er willigte ferner ein. hinter die Saale zurück zu gehen. Was die Friedensbedingungen betrifft, so sagte er: „„Wenn England Frieden schließen und Kolonien herausgeben wolle, wolle er Hannover, Lübeck und Hamburg u. s. w. herausgeben. Wolle es die Neutralität der Flagge zuge¬ stehen, so ließe sich die Unabhängigkeit Hollands arrangiren und Italien könnte zu einer unabhängigen Monarchie gemacht werden."" „Hinsichtlich der Herausgabe Mantua's an die Oestreicher zögerte er und wiederholte, daß Italien ganz bleiben müsse. Meerseite sagte, die Verbünde¬ ten könnten Einwendungen machen, wenn Murat der Beherrscher werden sollte- Er gab zur Antwort, daß es nicht nothwendig sei, den Abmachungen voraus- zugreifcn. Er erklärte jedoch wiederholt, er glaube nicht, daß England Frie¬ den schließen werde oder wenigstens nicht ohne eine Bedingung, in die er nie willigen könne — eine Beschränkung der Zahl seiner Kriegsschiffe. „Meerseite fragte ihn. ob er sofort Erfurt, sowie die anderen Festungen aufgeben wollte. Er zögerte. Meerseite sagte dann, das Aufgeben des Pre>- tectorats über den Rheinbund sei eine Nothwendigkeit. Bonaparte erwiderte darauf, das sei unmöglich: aber als er erfuhr, daß Bayern sich bereits seinem Schutze entzogen hatte, was er nicht wußte, da der von München an ihn ab¬ geschickte Courier unterwegs aufgehoben worden war — und daß die andern Staaten unterhandelten, sagte er: „„Dann hört das Protectorat des Rhein¬ bundes von selbst auf.""

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111969/310>, abgerufen am 26.06.2024.