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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band.

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sich in die neue Landschaftsordnung "eingeschlichen" habe (S. 29). bedarf einer
Widerlegung nicht.

Mag die Successionsberechtigung der hannoverschen Linie woraus sie
will herstammen, sie kann gegenwärtig allein auf die von den rechtmäßigen
gesetzgebenden Gewalten des souveränen und unabhängigen Staates Braun¬
schweig vereinbarte neue Landschaftsordnnng gestützt werden und muß daher
auch nach den Vorschriften dieses Gesetzes zur Geltung gelangen. Sollten in
der That, wie immerhin möglich ist. besondere nicht an die Oeffentlichkeit ge¬
kommene Erbverträge vorhanden sein, so haben diese doch nur insoweit Gül¬
tigkeit, als sie dem Landesgrundgesetze nicht widersprechen (§. 23 des letzteren).
Aus der nutgetheilten königl. hannöverschen Erklärung vom 15. October 1830
scheint jedoch gefolgert werden zu müssen, daß derartige Verträge, wenigstens
solche, die die braunschweigsche Verfassung in Frage zu stellen geeignet wären,
nicht vorhanden sind.

Erwähnen wir nun schließlich die Frage, ob, falls der Herzog Wilhelm
vor dem Herzoge Carl das Zeitliche segnen sollte, die Succession für die han-
növersche Linie eröffnet, oder aber bis zum Tode des Letzteren eine Regent¬
schaft einzusetzen sein werde, so können wir nicht verhehlen, daß dieselbe von
ganz besonderer Subtilität ist.

Wie wir oben ausgeführt, ist unter Zustimmung des deutschen Bundes
von den Agnaten der Herzog Carl sür regierungsunfähig und der Thron für er¬
ledigt erklärt, so daß der Herzog Wilhelm die Regierung als souveräner Herr
-- nicht als Regent --- definitiv angetreten hat. Der Fall einer Regierungs¬
unfähigkeit des volljährigen Thronfolgers ist leider im Landesgrundgesetzc nicht
vorgesehen, und es muß daher die Frage nach dem Herkommen in dem fürst¬
lichen Hause, eventuell aber nach den subsidiär geltenden allgemeinen staats-
rechtlichen Normen entschieden werden. Obwohl nun die letzteren -- wie der
"braunschweigische Jurist" in §. 5 und 8 seiner Broschüre entwickelt, der sofor¬
tigen Eröffnung der Thronfolge in einem solchen Falle zu widersprechen schei¬
nen, so deutet doch das Beispiel des regierenden Herzogs Wilhelm auf
eine andere Praxis, der man wol um so weniger für den angedeuteten
Fall wiederholte Anwendung wird versagen können und mögen, als eine
thronberechtigte Nachkommenschaft vom Herzoge Carl gewiß nicht mehr zu er¬
warten ist. und man sich eingestehen muß, daß, wenn der Herzog Wilhelm
seinem Lande einen thronberechtigten Nachkommen geschenkt hätte, gewiß Nie¬
mand an der Zulässigkeit einer sofortigen Thronbesteigung desselben nach dem
Tode des Herzogs Wilhelm gezweifelt haben würde. Es würde mithin kein
irgendwie denkbarer Grund vorliegen, die definitive Uebernahme der Regierung
durch den succedirenden Souverän noch bis zum Ableben des Herzogs Carl
hinauszuschieben.


sich in die neue Landschaftsordnung „eingeschlichen" habe (S. 29). bedarf einer
Widerlegung nicht.

Mag die Successionsberechtigung der hannoverschen Linie woraus sie
will herstammen, sie kann gegenwärtig allein auf die von den rechtmäßigen
gesetzgebenden Gewalten des souveränen und unabhängigen Staates Braun¬
schweig vereinbarte neue Landschaftsordnnng gestützt werden und muß daher
auch nach den Vorschriften dieses Gesetzes zur Geltung gelangen. Sollten in
der That, wie immerhin möglich ist. besondere nicht an die Oeffentlichkeit ge¬
kommene Erbverträge vorhanden sein, so haben diese doch nur insoweit Gül¬
tigkeit, als sie dem Landesgrundgesetze nicht widersprechen (§. 23 des letzteren).
Aus der nutgetheilten königl. hannöverschen Erklärung vom 15. October 1830
scheint jedoch gefolgert werden zu müssen, daß derartige Verträge, wenigstens
solche, die die braunschweigsche Verfassung in Frage zu stellen geeignet wären,
nicht vorhanden sind.

Erwähnen wir nun schließlich die Frage, ob, falls der Herzog Wilhelm
vor dem Herzoge Carl das Zeitliche segnen sollte, die Succession für die han-
növersche Linie eröffnet, oder aber bis zum Tode des Letzteren eine Regent¬
schaft einzusetzen sein werde, so können wir nicht verhehlen, daß dieselbe von
ganz besonderer Subtilität ist.

Wie wir oben ausgeführt, ist unter Zustimmung des deutschen Bundes
von den Agnaten der Herzog Carl sür regierungsunfähig und der Thron für er¬
ledigt erklärt, so daß der Herzog Wilhelm die Regierung als souveräner Herr
— nicht als Regent —- definitiv angetreten hat. Der Fall einer Regierungs¬
unfähigkeit des volljährigen Thronfolgers ist leider im Landesgrundgesetzc nicht
vorgesehen, und es muß daher die Frage nach dem Herkommen in dem fürst¬
lichen Hause, eventuell aber nach den subsidiär geltenden allgemeinen staats-
rechtlichen Normen entschieden werden. Obwohl nun die letzteren — wie der
„braunschweigische Jurist" in §. 5 und 8 seiner Broschüre entwickelt, der sofor¬
tigen Eröffnung der Thronfolge in einem solchen Falle zu widersprechen schei¬
nen, so deutet doch das Beispiel des regierenden Herzogs Wilhelm auf
eine andere Praxis, der man wol um so weniger für den angedeuteten
Fall wiederholte Anwendung wird versagen können und mögen, als eine
thronberechtigte Nachkommenschaft vom Herzoge Carl gewiß nicht mehr zu er¬
warten ist. und man sich eingestehen muß, daß, wenn der Herzog Wilhelm
seinem Lande einen thronberechtigten Nachkommen geschenkt hätte, gewiß Nie¬
mand an der Zulässigkeit einer sofortigen Thronbesteigung desselben nach dem
Tode des Herzogs Wilhelm gezweifelt haben würde. Es würde mithin kein
irgendwie denkbarer Grund vorliegen, die definitive Uebernahme der Regierung
durch den succedirenden Souverän noch bis zum Ableben des Herzogs Carl
hinauszuschieben.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111969/28>, abgerufen am 01.07.2024.