Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band.enthalten, und hat auch durch die neuesten spanischen Werke, namentlich den be¬ Seit Sybels epochemachenden Werk begnügen wir uns nicht mehr damit, 34 *
enthalten, und hat auch durch die neuesten spanischen Werke, namentlich den be¬ Seit Sybels epochemachenden Werk begnügen wir uns nicht mehr damit, 34 *
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0277" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/112247"/> <p xml:id="ID_915" prev="#ID_914"> enthalten, und hat auch durch die neuesten spanischen Werke, namentlich den be¬<lb/> treffenden Band von Lasucnte keine wesentliche Erweiterung erhalten, da wird<lb/> uns nun hier in den Berichten des damaligen preußischen Gesandten am<lb/> Madrider Hose, Herrn v. Sandoz-Rollin, eines fähigen Diplomaten und scharfen<lb/> Beobachters, eine lauter und reichlich fließende Quelle eröffnet. Die Mitthei¬<lb/> lung derselben verdankt der Verfasser der Liberalität unsres Staats-Archives.</p><lb/> <p xml:id="ID_916" next="#ID_917"> Seit Sybels epochemachenden Werk begnügen wir uns nicht mehr damit,<lb/> den Gang der Revolution nur an ihrem Mittelpunkt zu verfolgen; wir wollen<lb/> auch die Beziehungen zu den Nachbarstaaten, die Zustände, in welchen sie durch<lb/> das Weltereigniß betroffen, den Anstoß, den sie dadurch erhielten, die Reaction,<lb/> die sie dagegen übten, aus den orginalen Quellen kennen lernen und uns<lb/> dadurch von der früher Alles beherrschenden französischen Auffassung völlig<lb/> frei machen. Für Spanien fehlte es nun bisher an allem Material dazu;<lb/> nur über einen Theil der militärischen Ereignisse brachte ein 1851 zu Paris<lb/> erschienenes Werk von Fcrvel, das aus den Kriegsarchiven geschöpft, eine<lb/> authentische Darstellung; die diplomatischen Beziehungen blieben noch völlig<lb/> im Dunkeln; diese treten nun natürlich in den Berichten des Gesandten grade<lb/> hauptsächlich in den Vordergrund. Der allgemeine Eindruck, den wir durch die<lb/> Subelschen Forschungen empfangen, wird auch hier im Besonderen bestätigt.<lb/> Ein wie heftiger und einstimmiger Widerwille gegen die Revolution bei Regie¬<lb/> rung und Nation auch grade in Spanien vorhanden war, so ließ es sich<lb/> doch nur durch die äußersten Provocationen in den Kampf gegen dieselbe treiben.<lb/> Wurde dieser dann mit größter Schwäche und Planlosigkeit geführt, so ist<lb/> zwar die Hauptschuld auf die Unfähigkeit der Regierung und die Folgen der<lb/> immer ungescheuter hervortretenden Korruption zurückzuführen, aber lähmend<lb/> wirkte doch auch hier fortwährend die Eifersucht aus die Rivalität Englands<lb/> ein. Der Hintergedanke, gegen die maritime Ueberlegenheit des augenblick¬<lb/> lichen Bundesgenossen könne allein ein Anlehnen an Frankreich ein Gegen¬<lb/> gewicht gewähren, spielt bei den Ministern unausgesetzt seine Rolle und trügt<lb/> dann auch nicht wenig zu dem Abschluß des Baseler Separatfriedens bei.<lb/> Von einem aufrichtigen Aneinanderschließen der Mächte zur Bekämpfung des<lb/> gemeinsamen Gegners läßt sich hier so wenig als anderwärts eine Spur ent¬<lb/> decken. Ueberhaupt kann freilich von einem mit Bewußtsein befolgten Sy¬<lb/> steme bei der spanischen Politik dieser Zeit kaum die Rede sein; nur hin und<lb/> wieder war den Ministern eine maßgebende Einwirkung auf den Gang der¬<lb/> selben gestattet. Die Summe der Gewalt in den äußeren und inneren Ange¬<lb/> legenheiten lag, bei dem völligen Stumpfsinn Karls des Vierten, ungetheilt<lb/> w den Händen der Königin; wer sich ihrem Gutdünken nicht unbedingt beugen<lb/> wollte, müßte weichen. Dem ganzen Treiben Maria Luisa's lag nun aber<lb/> 'ein anderes Endziel vor Augen, als dem geliebten Godoy die Wege zur ersten</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> 34 *</fw><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0277]
enthalten, und hat auch durch die neuesten spanischen Werke, namentlich den be¬
treffenden Band von Lasucnte keine wesentliche Erweiterung erhalten, da wird
uns nun hier in den Berichten des damaligen preußischen Gesandten am
Madrider Hose, Herrn v. Sandoz-Rollin, eines fähigen Diplomaten und scharfen
Beobachters, eine lauter und reichlich fließende Quelle eröffnet. Die Mitthei¬
lung derselben verdankt der Verfasser der Liberalität unsres Staats-Archives.
Seit Sybels epochemachenden Werk begnügen wir uns nicht mehr damit,
den Gang der Revolution nur an ihrem Mittelpunkt zu verfolgen; wir wollen
auch die Beziehungen zu den Nachbarstaaten, die Zustände, in welchen sie durch
das Weltereigniß betroffen, den Anstoß, den sie dadurch erhielten, die Reaction,
die sie dagegen übten, aus den orginalen Quellen kennen lernen und uns
dadurch von der früher Alles beherrschenden französischen Auffassung völlig
frei machen. Für Spanien fehlte es nun bisher an allem Material dazu;
nur über einen Theil der militärischen Ereignisse brachte ein 1851 zu Paris
erschienenes Werk von Fcrvel, das aus den Kriegsarchiven geschöpft, eine
authentische Darstellung; die diplomatischen Beziehungen blieben noch völlig
im Dunkeln; diese treten nun natürlich in den Berichten des Gesandten grade
hauptsächlich in den Vordergrund. Der allgemeine Eindruck, den wir durch die
Subelschen Forschungen empfangen, wird auch hier im Besonderen bestätigt.
Ein wie heftiger und einstimmiger Widerwille gegen die Revolution bei Regie¬
rung und Nation auch grade in Spanien vorhanden war, so ließ es sich
doch nur durch die äußersten Provocationen in den Kampf gegen dieselbe treiben.
Wurde dieser dann mit größter Schwäche und Planlosigkeit geführt, so ist
zwar die Hauptschuld auf die Unfähigkeit der Regierung und die Folgen der
immer ungescheuter hervortretenden Korruption zurückzuführen, aber lähmend
wirkte doch auch hier fortwährend die Eifersucht aus die Rivalität Englands
ein. Der Hintergedanke, gegen die maritime Ueberlegenheit des augenblick¬
lichen Bundesgenossen könne allein ein Anlehnen an Frankreich ein Gegen¬
gewicht gewähren, spielt bei den Ministern unausgesetzt seine Rolle und trügt
dann auch nicht wenig zu dem Abschluß des Baseler Separatfriedens bei.
Von einem aufrichtigen Aneinanderschließen der Mächte zur Bekämpfung des
gemeinsamen Gegners läßt sich hier so wenig als anderwärts eine Spur ent¬
decken. Ueberhaupt kann freilich von einem mit Bewußtsein befolgten Sy¬
steme bei der spanischen Politik dieser Zeit kaum die Rede sein; nur hin und
wieder war den Ministern eine maßgebende Einwirkung auf den Gang der¬
selben gestattet. Die Summe der Gewalt in den äußeren und inneren Ange¬
legenheiten lag, bei dem völligen Stumpfsinn Karls des Vierten, ungetheilt
w den Händen der Königin; wer sich ihrem Gutdünken nicht unbedingt beugen
wollte, müßte weichen. Dem ganzen Treiben Maria Luisa's lag nun aber
'ein anderes Endziel vor Augen, als dem geliebten Godoy die Wege zur ersten
34 *
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