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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band.

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Wesens vorgenommen werden sollte, noch immer nicht erfolgt war, da die des¬
halb in Dresden zusammengetretene gemischte Commission es trotz jahrelanger
Verhandlungen zu keiner, Einigung brachte, und Sachsen nicht einmal eine
entschiedene Verbindlichkeit zur Herausgabe der Depositen seinerseits aner¬
kannte. Zwar war man beiderseits im Allgemeinen darüber einverstanden,
daß durch die von Sachsen bewirkte Besitznahme des ganzen Mansseld-
schen Nachlasses und die Erhebung der Nutzungen davon die Sächsische Re¬
gierung die Verbindlichkeit übernommen habe, das, was den Gläubigern
hiervon gebührte, denselben wieder zu erstatten, allein andrerseits konnte man
sich nicht über die Frage einigen, ob diese Besitznahme und Nutzungserhebung
als eine Regierungshandlung oder als ein rein privatrechtlicher Act anzu¬
sehen sei. Die sächsischen Commissäre waren der ersteren Ansicht und folger¬
ten daraus, daß Preußen als staatsrechtlicher successor in der Regierung der
Grafschaft Mansfeld die aus jener Handlung entstandene Verbindlichkeit allein
zu vertreten habe; wogegen die preußischen Commissäre ihrerseits in der frag¬
lichen Besitzergreifung nur eine privatrechtliche Handlung erblickten, die nur eine
Persönliche Verbindlichkeit des Handelnden bewirke und für Preußen nur unter
der Voraussetzung einer privatrechtlichen Universalsuccession durch Erbrecht
bindend sein konnte -- eine Voraussetzung, die selbstredend auf das Verhält¬
niß der zwei Staaten keine Anwendung leide. Die betreffenden Verhand¬
lungen blieben demgemäß ohne ein Resultat, und die ganze Angelegenheit ge-
rieth, wie ihr schon so oft widerfahren, ins Stocken, bis der preußische
Justizminister in Folge energischer Beschwerden von Seiten der Gläubiger im
Jahre 1827 dem Gerichte die Erledigung der Angelegenheit von Neuem ein¬
schärfte, und gleichzeitig die sächsische Regierung behufs Bestreitung der Kosten
und Verlage in dem Mansfeld'schen Creditwesen zur Herausgabe einer Summe
von 200 Thlrn. vermochte; auch wurde eine Specialcommisfion nach Sanger¬
hausen geschickt, um vor allen Dingen die noch fehlenden Acten in dem Kä¬
sigen Archive aufzusuchen. Leider war aber die Ausbeute hier nur eine
geringe, da sich unter den 50000 Acten des Archivs zwar eine Menge Seque-
strationsrcchnungen aus dem 16., 17. und 18. Jahrhundert, sowie ein Extract
aus dem ersten Locationsurtel von 1580 und dem Leuterungsurtel von 1609
vorfanden, -- in welchem die sämmtlichen alten Gläubiger verzeichnet und
diese Forderungen bis zum Jahre 1846 auf

12,406,801 Thlr. 1 Gr.

berechnet waren. -- hingegen das alte Locationsurtel selbst und die Dcpo-
sitenbücher nicht aufgefunden werden konnten. Auch ergab sich aus einem bei
dieser Gelegenheit aufgefundenen Repertorium über grast. Mansfeld: Acten,
daß bereits im vorigen Jahrhunderte eine große Anzahl derselben abhanden
gekommen war.


Wesens vorgenommen werden sollte, noch immer nicht erfolgt war, da die des¬
halb in Dresden zusammengetretene gemischte Commission es trotz jahrelanger
Verhandlungen zu keiner, Einigung brachte, und Sachsen nicht einmal eine
entschiedene Verbindlichkeit zur Herausgabe der Depositen seinerseits aner¬
kannte. Zwar war man beiderseits im Allgemeinen darüber einverstanden,
daß durch die von Sachsen bewirkte Besitznahme des ganzen Mansseld-
schen Nachlasses und die Erhebung der Nutzungen davon die Sächsische Re¬
gierung die Verbindlichkeit übernommen habe, das, was den Gläubigern
hiervon gebührte, denselben wieder zu erstatten, allein andrerseits konnte man
sich nicht über die Frage einigen, ob diese Besitznahme und Nutzungserhebung
als eine Regierungshandlung oder als ein rein privatrechtlicher Act anzu¬
sehen sei. Die sächsischen Commissäre waren der ersteren Ansicht und folger¬
ten daraus, daß Preußen als staatsrechtlicher successor in der Regierung der
Grafschaft Mansfeld die aus jener Handlung entstandene Verbindlichkeit allein
zu vertreten habe; wogegen die preußischen Commissäre ihrerseits in der frag¬
lichen Besitzergreifung nur eine privatrechtliche Handlung erblickten, die nur eine
Persönliche Verbindlichkeit des Handelnden bewirke und für Preußen nur unter
der Voraussetzung einer privatrechtlichen Universalsuccession durch Erbrecht
bindend sein konnte — eine Voraussetzung, die selbstredend auf das Verhält¬
niß der zwei Staaten keine Anwendung leide. Die betreffenden Verhand¬
lungen blieben demgemäß ohne ein Resultat, und die ganze Angelegenheit ge-
rieth, wie ihr schon so oft widerfahren, ins Stocken, bis der preußische
Justizminister in Folge energischer Beschwerden von Seiten der Gläubiger im
Jahre 1827 dem Gerichte die Erledigung der Angelegenheit von Neuem ein¬
schärfte, und gleichzeitig die sächsische Regierung behufs Bestreitung der Kosten
und Verlage in dem Mansfeld'schen Creditwesen zur Herausgabe einer Summe
von 200 Thlrn. vermochte; auch wurde eine Specialcommisfion nach Sanger¬
hausen geschickt, um vor allen Dingen die noch fehlenden Acten in dem Kä¬
sigen Archive aufzusuchen. Leider war aber die Ausbeute hier nur eine
geringe, da sich unter den 50000 Acten des Archivs zwar eine Menge Seque-
strationsrcchnungen aus dem 16., 17. und 18. Jahrhundert, sowie ein Extract
aus dem ersten Locationsurtel von 1580 und dem Leuterungsurtel von 1609
vorfanden, — in welchem die sämmtlichen alten Gläubiger verzeichnet und
diese Forderungen bis zum Jahre 1846 auf

12,406,801 Thlr. 1 Gr.

berechnet waren. — hingegen das alte Locationsurtel selbst und die Dcpo-
sitenbücher nicht aufgefunden werden konnten. Auch ergab sich aus einem bei
dieser Gelegenheit aufgefundenen Repertorium über grast. Mansfeld: Acten,
daß bereits im vorigen Jahrhunderte eine große Anzahl derselben abhanden
gekommen war.


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[0271] Wesens vorgenommen werden sollte, noch immer nicht erfolgt war, da die des¬ halb in Dresden zusammengetretene gemischte Commission es trotz jahrelanger Verhandlungen zu keiner, Einigung brachte, und Sachsen nicht einmal eine entschiedene Verbindlichkeit zur Herausgabe der Depositen seinerseits aner¬ kannte. Zwar war man beiderseits im Allgemeinen darüber einverstanden, daß durch die von Sachsen bewirkte Besitznahme des ganzen Mansseld- schen Nachlasses und die Erhebung der Nutzungen davon die Sächsische Re¬ gierung die Verbindlichkeit übernommen habe, das, was den Gläubigern hiervon gebührte, denselben wieder zu erstatten, allein andrerseits konnte man sich nicht über die Frage einigen, ob diese Besitznahme und Nutzungserhebung als eine Regierungshandlung oder als ein rein privatrechtlicher Act anzu¬ sehen sei. Die sächsischen Commissäre waren der ersteren Ansicht und folger¬ ten daraus, daß Preußen als staatsrechtlicher successor in der Regierung der Grafschaft Mansfeld die aus jener Handlung entstandene Verbindlichkeit allein zu vertreten habe; wogegen die preußischen Commissäre ihrerseits in der frag¬ lichen Besitzergreifung nur eine privatrechtliche Handlung erblickten, die nur eine Persönliche Verbindlichkeit des Handelnden bewirke und für Preußen nur unter der Voraussetzung einer privatrechtlichen Universalsuccession durch Erbrecht bindend sein konnte — eine Voraussetzung, die selbstredend auf das Verhält¬ niß der zwei Staaten keine Anwendung leide. Die betreffenden Verhand¬ lungen blieben demgemäß ohne ein Resultat, und die ganze Angelegenheit ge- rieth, wie ihr schon so oft widerfahren, ins Stocken, bis der preußische Justizminister in Folge energischer Beschwerden von Seiten der Gläubiger im Jahre 1827 dem Gerichte die Erledigung der Angelegenheit von Neuem ein¬ schärfte, und gleichzeitig die sächsische Regierung behufs Bestreitung der Kosten und Verlage in dem Mansfeld'schen Creditwesen zur Herausgabe einer Summe von 200 Thlrn. vermochte; auch wurde eine Specialcommisfion nach Sanger¬ hausen geschickt, um vor allen Dingen die noch fehlenden Acten in dem Kä¬ sigen Archive aufzusuchen. Leider war aber die Ausbeute hier nur eine geringe, da sich unter den 50000 Acten des Archivs zwar eine Menge Seque- strationsrcchnungen aus dem 16., 17. und 18. Jahrhundert, sowie ein Extract aus dem ersten Locationsurtel von 1580 und dem Leuterungsurtel von 1609 vorfanden, — in welchem die sämmtlichen alten Gläubiger verzeichnet und diese Forderungen bis zum Jahre 1846 auf 12,406,801 Thlr. 1 Gr. berechnet waren. — hingegen das alte Locationsurtel selbst und die Dcpo- sitenbücher nicht aufgefunden werden konnten. Auch ergab sich aus einem bei dieser Gelegenheit aufgefundenen Repertorium über grast. Mansfeld: Acten, daß bereits im vorigen Jahrhunderte eine große Anzahl derselben abhanden gekommen war.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111969/271>, abgerufen am 23.12.2024.