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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band.

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tungslügen ein Vermögen. Die sich zuerst von ihm abgewendet, drücken ihm
nun um die Wette die Hand, keine Thüre bleibt ihm verschlossen, und der
Banquier ist bereit, ihm seine Tochter zu geben. Soweit geht Alles vortreff¬
lich. Aber der Speculant vergreift sich in einem Artikel an der Frau jenes
Edelmanns -- die, von ihm getrennt, mit einem honnetten Schriftsteller ein
clomi-nouae-Leben führt -- weil sie seine Pläne kreuzt und dieser nicht länger
Mitarbeiter des Journals sein will. Die Dame nimmt den Handschuh auf,
trifft ihrerseits den Angreifer öffentlich mit vernichtenden Spott, der gerührte
Marquis tritt für sie ein und der Geldmann ist auf's Neue von der Gesell¬
schaft verachtet. Indessen er kennt sein Handwerk und läßt sich nicht mehr
einschüchtern. Die Sache dreht sich wieder zu seinem Vortheil, denn er hat
sich vom Marquis eine unbedeutende Wunde beibringen lassen; es bleibt bei
der Heirath mit der Tochter des Banquiers. Umsonst sucht sie der Sohn, ein
Wildfang, aber voll Empfindung und Ehrgefühl, zu hintertreiben; der Bräu¬
tigam hat entdeckt, daß sich auch in der Laufbahn des Vaters höchst zweideu¬
tige Dinge, finden und weiß die Entdeckung dem jungen Mann in die Hände
^> spielen. In diesen, der ohne alle Schuld ist, fällt nun die vernichtende
Schwere des sittlichen Conflictes mit der gemeinen Wirklichkeit, der Zwiespalt
°es ehrlichen Gewissens mit der entehrenden Lüge des Reichthums. Indessen
nicht auf lange. Der Vater, im Grunde kein schlechter Mensch, erfährt die
Sache, steht beschämt vor dem Sohne und willigt ein, sein ganzes Vermögen
preiszugeben, um den Betrug wieder gut zu machen; der Sohn ist zufrieden
und -- ein Compliment für die Armee darf nicht fehlen -- wird Soldat.
Der Speculant. der triumphirend zur Verlobung kommt, wird nun entrüstet
^gewiesen; der Mann tröstet sich, lächelt über die Großmuth des Vaters und
nimmt sich vor, es ihm nicht nachzumachen und seinen Weg unbeirrt sortzu-
^tzm. Der Marquis hat sich unterdessen mit seiner Frau versöhnt, und der
Journalist-Ehrenmann, des lästigen Bandes endlich frei, heirathet die Tochter
Banquiers.

Eine nähere Kritik ist überflüssig. Es ist ein im Ganzen zur getroffenes
Utenbild, das ist aber auch Alles. Von einer eigentlichen Handlung, die
>H in Wirkungen und Gegenwirkungen durchsetzt, ist ebensowenig die Rede
°s von individuellen Charakteren; es sind stehende Typen -- darin kommt
^und die neueste französische Komödie über das römische Lustspiel und das
"Manische Wesen überhaupt nicht hinaus, -- und was einer Handlung ähnlich
^ße. scheint ganz im Gegensatz zur alten Wahrheit des Aristoteles eher um
^ Sittendarstellung willen da zu sein. als diese in sich zu fassen. Nirgends
^Stoß und Gegenstoß der Individuen, nur der Speculant ist thätig, die
Ngen leidend, sie gehen nur dann vor, wenn jener durch eigenes Ungeschick
ruck muß. Nirgends ein komisches Spiel von List und Zufall. Berechnung


tungslügen ein Vermögen. Die sich zuerst von ihm abgewendet, drücken ihm
nun um die Wette die Hand, keine Thüre bleibt ihm verschlossen, und der
Banquier ist bereit, ihm seine Tochter zu geben. Soweit geht Alles vortreff¬
lich. Aber der Speculant vergreift sich in einem Artikel an der Frau jenes
Edelmanns — die, von ihm getrennt, mit einem honnetten Schriftsteller ein
clomi-nouae-Leben führt — weil sie seine Pläne kreuzt und dieser nicht länger
Mitarbeiter des Journals sein will. Die Dame nimmt den Handschuh auf,
trifft ihrerseits den Angreifer öffentlich mit vernichtenden Spott, der gerührte
Marquis tritt für sie ein und der Geldmann ist auf's Neue von der Gesell¬
schaft verachtet. Indessen er kennt sein Handwerk und läßt sich nicht mehr
einschüchtern. Die Sache dreht sich wieder zu seinem Vortheil, denn er hat
sich vom Marquis eine unbedeutende Wunde beibringen lassen; es bleibt bei
der Heirath mit der Tochter des Banquiers. Umsonst sucht sie der Sohn, ein
Wildfang, aber voll Empfindung und Ehrgefühl, zu hintertreiben; der Bräu¬
tigam hat entdeckt, daß sich auch in der Laufbahn des Vaters höchst zweideu¬
tige Dinge, finden und weiß die Entdeckung dem jungen Mann in die Hände
^> spielen. In diesen, der ohne alle Schuld ist, fällt nun die vernichtende
Schwere des sittlichen Conflictes mit der gemeinen Wirklichkeit, der Zwiespalt
°es ehrlichen Gewissens mit der entehrenden Lüge des Reichthums. Indessen
nicht auf lange. Der Vater, im Grunde kein schlechter Mensch, erfährt die
Sache, steht beschämt vor dem Sohne und willigt ein, sein ganzes Vermögen
preiszugeben, um den Betrug wieder gut zu machen; der Sohn ist zufrieden
und — ein Compliment für die Armee darf nicht fehlen — wird Soldat.
Der Speculant. der triumphirend zur Verlobung kommt, wird nun entrüstet
^gewiesen; der Mann tröstet sich, lächelt über die Großmuth des Vaters und
nimmt sich vor, es ihm nicht nachzumachen und seinen Weg unbeirrt sortzu-
^tzm. Der Marquis hat sich unterdessen mit seiner Frau versöhnt, und der
Journalist-Ehrenmann, des lästigen Bandes endlich frei, heirathet die Tochter
Banquiers.

Eine nähere Kritik ist überflüssig. Es ist ein im Ganzen zur getroffenes
Utenbild, das ist aber auch Alles. Von einer eigentlichen Handlung, die
>H in Wirkungen und Gegenwirkungen durchsetzt, ist ebensowenig die Rede
°s von individuellen Charakteren; es sind stehende Typen — darin kommt
^und die neueste französische Komödie über das römische Lustspiel und das
"Manische Wesen überhaupt nicht hinaus, — und was einer Handlung ähnlich
^ße. scheint ganz im Gegensatz zur alten Wahrheit des Aristoteles eher um
^ Sittendarstellung willen da zu sein. als diese in sich zu fassen. Nirgends
^Stoß und Gegenstoß der Individuen, nur der Speculant ist thätig, die
Ngen leidend, sie gehen nur dann vor, wenn jener durch eigenes Ungeschick
ruck muß. Nirgends ein komisches Spiel von List und Zufall. Berechnung


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111969/233>, abgerufen am 26.08.2024.