Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Ueberdies fehlt bei diesen Küstenstaaten jede Gewähr, daß die nationalen
Opfer ihrem Zweck entsprechend verwendet werden. In Hannover sind zuerst
jene geheimen Gedanken laut geworden, welche wol auch an andern mittel¬
staatlichen Höfen naturgemäß existiren, in Hannover ist zuerst die Ansicht aus¬
gesprochen, daß es besser sei, sich mit dem Auslande gegen die deutsche
Nation zu verbünden als eine bessere Form der deutschen Verfassung zu
dulden. Wer zur Herstellung einer hannöverschen Flotte beitragen würde,
dürfte nach der Ansicht hannöverscher Blätter nicht sicher sein, daß diese Flotte
nicht einst gegen Deutschland verwendet werde, und würde selbst um günsti¬
geren Fall nur dazu beitragen, die hannöversche Particularsouveränetät zu
befestigen und die Phantasieen des Welfenthums zu befördern.

Von ähnlichen Tendenzen kann freilich in den Hansestädten nicht die Rede
sein, aber auch bei ihnen kann, wenn sie sich nicht an Preußen anschließen, an
eine kräftige Verwendung maritimer Mittel nie gedacht werden. Man darf sich
nur jener Versuche Hamburgs erinnern im Jahre 1848, beim Ausbruch des
Kriegs gegen Dänemark, die Neutralität zu bewahren.

Eine andere Stellung nimmt Preußen ein. Es ist durch den Ankauf
eines kleinen Gebietes am Jahdebusen in die Reihe der Küstenstaaten der
Nordsee eingetreten und hat dadurch die Absicht zu erkennen gegeben. Deutsch¬
land nicht bloß in der Ostsee, sondern auch in dem zweiten deutschen Meere
zu vertheidigen. Es verwendet jährlich etwa eine Million Thaler, um an
der Nordsee einen Kriegshafen zu erbauen. Es ist der einzige deutsche Staat,
der frei von der Engherzigkeit der übrigen Küstenstaaten für die maritime
Vertheidigung Deutschlands gesorgt hat. Preußen ist zugleich der einzige
deutsche Staat, der seiner politischen und geographischen Lage nach nicht
particuläre, sondern nur deutsche Interessen verfolgen kann, dessen Existenz mit
der Deutschlands identisch ist.

Andererseits liegt es in der Natur der Sache, daß Preußen wenigstens so lange
seine Marine nicht groß genug ist. um die Ostsee gegen Dänemark zu verthei¬
digen, keinen Anlaß hat für den Schutz der Nordsee größere Opfer zu bringen.
Die Kleinheit seines Jahdegebiets, welches nicht einmal eine Quadratmeile
ausmacht, und nicht einmal tausend Einwohner enthält, legt ihm keine
unmittelbare Verpflichtung auf. sich an dem Schutz der Nordsee zu betheiligcn-
Seine in dieser Beziehung Oldenburg gegenüber eingegangenen vertrags¬
mäßigen Verpflichtungen sind durchaus dehnbarer Natur.

Diese Gründe sprechen entschieden dafür, daß, wie damit schon ein An¬
fang gemacht ist, die freiwilligen Beiträge für den Schutz der Nordsee für tue
preußische Marine verwandt werden.

Da es völlig unmöglich ist. eine deutsche Bundesflotte zu
gründen, wird die preußische Flotte, was sie schon jetzt ist.


Ueberdies fehlt bei diesen Küstenstaaten jede Gewähr, daß die nationalen
Opfer ihrem Zweck entsprechend verwendet werden. In Hannover sind zuerst
jene geheimen Gedanken laut geworden, welche wol auch an andern mittel¬
staatlichen Höfen naturgemäß existiren, in Hannover ist zuerst die Ansicht aus¬
gesprochen, daß es besser sei, sich mit dem Auslande gegen die deutsche
Nation zu verbünden als eine bessere Form der deutschen Verfassung zu
dulden. Wer zur Herstellung einer hannöverschen Flotte beitragen würde,
dürfte nach der Ansicht hannöverscher Blätter nicht sicher sein, daß diese Flotte
nicht einst gegen Deutschland verwendet werde, und würde selbst um günsti¬
geren Fall nur dazu beitragen, die hannöversche Particularsouveränetät zu
befestigen und die Phantasieen des Welfenthums zu befördern.

Von ähnlichen Tendenzen kann freilich in den Hansestädten nicht die Rede
sein, aber auch bei ihnen kann, wenn sie sich nicht an Preußen anschließen, an
eine kräftige Verwendung maritimer Mittel nie gedacht werden. Man darf sich
nur jener Versuche Hamburgs erinnern im Jahre 1848, beim Ausbruch des
Kriegs gegen Dänemark, die Neutralität zu bewahren.

Eine andere Stellung nimmt Preußen ein. Es ist durch den Ankauf
eines kleinen Gebietes am Jahdebusen in die Reihe der Küstenstaaten der
Nordsee eingetreten und hat dadurch die Absicht zu erkennen gegeben. Deutsch¬
land nicht bloß in der Ostsee, sondern auch in dem zweiten deutschen Meere
zu vertheidigen. Es verwendet jährlich etwa eine Million Thaler, um an
der Nordsee einen Kriegshafen zu erbauen. Es ist der einzige deutsche Staat,
der frei von der Engherzigkeit der übrigen Küstenstaaten für die maritime
Vertheidigung Deutschlands gesorgt hat. Preußen ist zugleich der einzige
deutsche Staat, der seiner politischen und geographischen Lage nach nicht
particuläre, sondern nur deutsche Interessen verfolgen kann, dessen Existenz mit
der Deutschlands identisch ist.

Andererseits liegt es in der Natur der Sache, daß Preußen wenigstens so lange
seine Marine nicht groß genug ist. um die Ostsee gegen Dänemark zu verthei¬
digen, keinen Anlaß hat für den Schutz der Nordsee größere Opfer zu bringen.
Die Kleinheit seines Jahdegebiets, welches nicht einmal eine Quadratmeile
ausmacht, und nicht einmal tausend Einwohner enthält, legt ihm keine
unmittelbare Verpflichtung auf. sich an dem Schutz der Nordsee zu betheiligcn-
Seine in dieser Beziehung Oldenburg gegenüber eingegangenen vertrags¬
mäßigen Verpflichtungen sind durchaus dehnbarer Natur.

Diese Gründe sprechen entschieden dafür, daß, wie damit schon ein An¬
fang gemacht ist, die freiwilligen Beiträge für den Schutz der Nordsee für tue
preußische Marine verwandt werden.

Da es völlig unmöglich ist. eine deutsche Bundesflotte zu
gründen, wird die preußische Flotte, was sie schon jetzt ist.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0218" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/112188"/>
            <p xml:id="ID_743"> Ueberdies fehlt bei diesen Küstenstaaten jede Gewähr, daß die nationalen<lb/>
Opfer ihrem Zweck entsprechend verwendet werden. In Hannover sind zuerst<lb/>
jene geheimen Gedanken laut geworden, welche wol auch an andern mittel¬<lb/>
staatlichen Höfen naturgemäß existiren, in Hannover ist zuerst die Ansicht aus¬<lb/>
gesprochen, daß es besser sei, sich mit dem Auslande gegen die deutsche<lb/>
Nation zu verbünden als eine bessere Form der deutschen Verfassung zu<lb/>
dulden. Wer zur Herstellung einer hannöverschen Flotte beitragen würde,<lb/>
dürfte nach der Ansicht hannöverscher Blätter nicht sicher sein, daß diese Flotte<lb/>
nicht einst gegen Deutschland verwendet werde, und würde selbst um günsti¬<lb/>
geren Fall nur dazu beitragen, die hannöversche Particularsouveränetät zu<lb/>
befestigen und die Phantasieen des Welfenthums zu befördern.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_744"> Von ähnlichen Tendenzen kann freilich in den Hansestädten nicht die Rede<lb/>
sein, aber auch bei ihnen kann, wenn sie sich nicht an Preußen anschließen, an<lb/>
eine kräftige Verwendung maritimer Mittel nie gedacht werden. Man darf sich<lb/>
nur jener Versuche Hamburgs erinnern im Jahre 1848, beim Ausbruch des<lb/>
Kriegs gegen Dänemark, die Neutralität zu bewahren.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_745"> Eine andere Stellung nimmt Preußen ein. Es ist durch den Ankauf<lb/>
eines kleinen Gebietes am Jahdebusen in die Reihe der Küstenstaaten der<lb/>
Nordsee eingetreten und hat dadurch die Absicht zu erkennen gegeben. Deutsch¬<lb/>
land nicht bloß in der Ostsee, sondern auch in dem zweiten deutschen Meere<lb/>
zu vertheidigen. Es verwendet jährlich etwa eine Million Thaler, um an<lb/>
der Nordsee einen Kriegshafen zu erbauen. Es ist der einzige deutsche Staat,<lb/>
der frei von der Engherzigkeit der übrigen Küstenstaaten für die maritime<lb/>
Vertheidigung Deutschlands gesorgt hat. Preußen ist zugleich der einzige<lb/>
deutsche Staat, der seiner politischen und geographischen Lage nach nicht<lb/>
particuläre, sondern nur deutsche Interessen verfolgen kann, dessen Existenz mit<lb/>
der Deutschlands identisch ist.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_746"> Andererseits liegt es in der Natur der Sache, daß Preußen wenigstens so lange<lb/>
seine Marine nicht groß genug ist. um die Ostsee gegen Dänemark zu verthei¬<lb/>
digen, keinen Anlaß hat für den Schutz der Nordsee größere Opfer zu bringen.<lb/>
Die Kleinheit seines Jahdegebiets, welches nicht einmal eine Quadratmeile<lb/>
ausmacht, und nicht einmal tausend Einwohner enthält, legt ihm keine<lb/>
unmittelbare Verpflichtung auf. sich an dem Schutz der Nordsee zu betheiligcn-<lb/>
Seine in dieser Beziehung Oldenburg gegenüber eingegangenen vertrags¬<lb/>
mäßigen Verpflichtungen sind durchaus dehnbarer Natur.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_747"> Diese Gründe sprechen entschieden dafür, daß, wie damit schon ein An¬<lb/>
fang gemacht ist, die freiwilligen Beiträge für den Schutz der Nordsee für tue<lb/>
preußische Marine verwandt werden.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_748" next="#ID_749"> Da es völlig unmöglich ist. eine deutsche Bundesflotte zu<lb/>
gründen, wird die preußische Flotte, was sie schon jetzt ist.</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0218] Ueberdies fehlt bei diesen Küstenstaaten jede Gewähr, daß die nationalen Opfer ihrem Zweck entsprechend verwendet werden. In Hannover sind zuerst jene geheimen Gedanken laut geworden, welche wol auch an andern mittel¬ staatlichen Höfen naturgemäß existiren, in Hannover ist zuerst die Ansicht aus¬ gesprochen, daß es besser sei, sich mit dem Auslande gegen die deutsche Nation zu verbünden als eine bessere Form der deutschen Verfassung zu dulden. Wer zur Herstellung einer hannöverschen Flotte beitragen würde, dürfte nach der Ansicht hannöverscher Blätter nicht sicher sein, daß diese Flotte nicht einst gegen Deutschland verwendet werde, und würde selbst um günsti¬ geren Fall nur dazu beitragen, die hannöversche Particularsouveränetät zu befestigen und die Phantasieen des Welfenthums zu befördern. Von ähnlichen Tendenzen kann freilich in den Hansestädten nicht die Rede sein, aber auch bei ihnen kann, wenn sie sich nicht an Preußen anschließen, an eine kräftige Verwendung maritimer Mittel nie gedacht werden. Man darf sich nur jener Versuche Hamburgs erinnern im Jahre 1848, beim Ausbruch des Kriegs gegen Dänemark, die Neutralität zu bewahren. Eine andere Stellung nimmt Preußen ein. Es ist durch den Ankauf eines kleinen Gebietes am Jahdebusen in die Reihe der Küstenstaaten der Nordsee eingetreten und hat dadurch die Absicht zu erkennen gegeben. Deutsch¬ land nicht bloß in der Ostsee, sondern auch in dem zweiten deutschen Meere zu vertheidigen. Es verwendet jährlich etwa eine Million Thaler, um an der Nordsee einen Kriegshafen zu erbauen. Es ist der einzige deutsche Staat, der frei von der Engherzigkeit der übrigen Küstenstaaten für die maritime Vertheidigung Deutschlands gesorgt hat. Preußen ist zugleich der einzige deutsche Staat, der seiner politischen und geographischen Lage nach nicht particuläre, sondern nur deutsche Interessen verfolgen kann, dessen Existenz mit der Deutschlands identisch ist. Andererseits liegt es in der Natur der Sache, daß Preußen wenigstens so lange seine Marine nicht groß genug ist. um die Ostsee gegen Dänemark zu verthei¬ digen, keinen Anlaß hat für den Schutz der Nordsee größere Opfer zu bringen. Die Kleinheit seines Jahdegebiets, welches nicht einmal eine Quadratmeile ausmacht, und nicht einmal tausend Einwohner enthält, legt ihm keine unmittelbare Verpflichtung auf. sich an dem Schutz der Nordsee zu betheiligcn- Seine in dieser Beziehung Oldenburg gegenüber eingegangenen vertrags¬ mäßigen Verpflichtungen sind durchaus dehnbarer Natur. Diese Gründe sprechen entschieden dafür, daß, wie damit schon ein An¬ fang gemacht ist, die freiwilligen Beiträge für den Schutz der Nordsee für tue preußische Marine verwandt werden. Da es völlig unmöglich ist. eine deutsche Bundesflotte zu gründen, wird die preußische Flotte, was sie schon jetzt ist.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111969
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111969/218
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111969/218>, abgerufen am 22.12.2024.