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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band.

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die groß genug sind, um unter Umständen von einigem Gewicht zu werden,
Durch die Contingentverfassuug erhalten die Mittelstaaten sich die Möglichkeit,
nicht nur im Innern den Schcinconstitutivnalismus aufrecht zu erhallen, son¬
dern, was wesentlicher ist, die Möglichkeit, mit Hilfe des Auslandes ihre Sou-
veränetät den nationalen Bestrebungen gegenüber aufrecht zu erhalten, glück¬
lichen Falls ihr Gebiet auf Kosten anderer deutschen Staaten zu erweitern.
Die Kriegshoheit der deutschen Fürsten ersetzt in den Mittelstaaten vollständig
den Mangel eines ^us delli et xaeis. Dieser Mangel gehört eben nur in die
Reihe der vielen Fictionen der Bundesverfassung.

Eine Bundrsmarine könnte aber nicht Fiction bleiben und hat daher
für die Aufrechthaltung der Particularsouverünetät nicht nur keinen Werth,
sondern würde ihr gefährlich werden.

Von diesem Gesichtspunkte aus sahen diejenigen Regierungen, welche die
Bundesmehrheit bilden, von jeher die Herstellung einer Bundesmarine an.

Nur Hannover hat, aber auch nur aus denselben Gründen, 1352 die
Herstellung einer Bundesmarine der Nordsee begünstigt. Denn Hannover
machte sich damals, und nicht ohne einigen Grund, die Hoffnung, daß sich
eine Bundesmarine und zwar nur für die Nordsee durch, von den übrigen deut¬
schen Staaten außer Oestreich und Preußen zu gewährende Beiträge gründen
ließe und daß ihm der permanente Oberbefehl derselben übertragen werde.
Im Jahre 1852 wurde von Hannover und anderen Staaten die Idee aufge¬
stellt, eine Bundesmarine, die aus drei Kontingenten, dem östreichischen, dem
preußischen und dem der übrigen deutschen Staaten, dem letzteren für die Nord¬
see, bestehen sollte, zu gründen. Preußen sollte dabei von der Theilnahme an
der Nordseeflotte ausgeschlossen werden, und es wurden daher die auf die Lage
seiner westlichen Provinzen basirten Anerbietungen Preußens, zu dieser Flotte
beizutragen, als höchst gefährlich zurückgewiesen. Diese Welfenträume haben
denn auch später Hannover dazu geführt, obgleich es selbst Nichts für die ma¬
ritime Vertheidigung Deutschlands that, doch dem von Preußen gemachten Er¬
werb des Jahdebusens, der von der Nation freudig begrüßt wurde, einen
Protest entgegenzusetzen; denn dieser Erwerb gibt den Hoffnungen auf eine Ma¬
rine-Trias unter hannoverscher Leitung eine noch zweifelhaftere Aussicht als
die Bundesheer-Trias unter baierischer Vorstandschaft hat. In diesem selben
nationalfeindlichen Geiste verweigert das Welfenreich die Zustimmung zum Bau
einer Eisenbahn, welche den Kriegshafen der Jahde mit den preußischen
Festungen verbinden soll. Mag Deutschlands Küste wehrlos bleiben, wenn sie
nur nicht durch Preußen vertheidigt wird.

Die im Rheinbund gegründete und erstarkte napoleonische Souveränität
beherrscht die deutschen Verhältnisse, und mit Recht können die Franzosen be¬
haupten, daß der deutsche Bund zum großen Theil nach den Ideen Napoleons


die groß genug sind, um unter Umständen von einigem Gewicht zu werden,
Durch die Contingentverfassuug erhalten die Mittelstaaten sich die Möglichkeit,
nicht nur im Innern den Schcinconstitutivnalismus aufrecht zu erhallen, son¬
dern, was wesentlicher ist, die Möglichkeit, mit Hilfe des Auslandes ihre Sou-
veränetät den nationalen Bestrebungen gegenüber aufrecht zu erhalten, glück¬
lichen Falls ihr Gebiet auf Kosten anderer deutschen Staaten zu erweitern.
Die Kriegshoheit der deutschen Fürsten ersetzt in den Mittelstaaten vollständig
den Mangel eines ^us delli et xaeis. Dieser Mangel gehört eben nur in die
Reihe der vielen Fictionen der Bundesverfassung.

Eine Bundrsmarine könnte aber nicht Fiction bleiben und hat daher
für die Aufrechthaltung der Particularsouverünetät nicht nur keinen Werth,
sondern würde ihr gefährlich werden.

Von diesem Gesichtspunkte aus sahen diejenigen Regierungen, welche die
Bundesmehrheit bilden, von jeher die Herstellung einer Bundesmarine an.

Nur Hannover hat, aber auch nur aus denselben Gründen, 1352 die
Herstellung einer Bundesmarine der Nordsee begünstigt. Denn Hannover
machte sich damals, und nicht ohne einigen Grund, die Hoffnung, daß sich
eine Bundesmarine und zwar nur für die Nordsee durch, von den übrigen deut¬
schen Staaten außer Oestreich und Preußen zu gewährende Beiträge gründen
ließe und daß ihm der permanente Oberbefehl derselben übertragen werde.
Im Jahre 1852 wurde von Hannover und anderen Staaten die Idee aufge¬
stellt, eine Bundesmarine, die aus drei Kontingenten, dem östreichischen, dem
preußischen und dem der übrigen deutschen Staaten, dem letzteren für die Nord¬
see, bestehen sollte, zu gründen. Preußen sollte dabei von der Theilnahme an
der Nordseeflotte ausgeschlossen werden, und es wurden daher die auf die Lage
seiner westlichen Provinzen basirten Anerbietungen Preußens, zu dieser Flotte
beizutragen, als höchst gefährlich zurückgewiesen. Diese Welfenträume haben
denn auch später Hannover dazu geführt, obgleich es selbst Nichts für die ma¬
ritime Vertheidigung Deutschlands that, doch dem von Preußen gemachten Er¬
werb des Jahdebusens, der von der Nation freudig begrüßt wurde, einen
Protest entgegenzusetzen; denn dieser Erwerb gibt den Hoffnungen auf eine Ma¬
rine-Trias unter hannoverscher Leitung eine noch zweifelhaftere Aussicht als
die Bundesheer-Trias unter baierischer Vorstandschaft hat. In diesem selben
nationalfeindlichen Geiste verweigert das Welfenreich die Zustimmung zum Bau
einer Eisenbahn, welche den Kriegshafen der Jahde mit den preußischen
Festungen verbinden soll. Mag Deutschlands Küste wehrlos bleiben, wenn sie
nur nicht durch Preußen vertheidigt wird.

Die im Rheinbund gegründete und erstarkte napoleonische Souveränität
beherrscht die deutschen Verhältnisse, und mit Recht können die Franzosen be¬
haupten, daß der deutsche Bund zum großen Theil nach den Ideen Napoleons


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111969/214>, abgerufen am 26.06.2024.