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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band.

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für diesen Fall. d. h. das Urtheil, welches unzweifelhaft auf Tod lauten
würde, wird gar nicht gesprochen. Unterdessen bleibt der Schuldige im Ge¬
fängniß; auf wie lange, weiß weder er, noch sonst Jemand. Der Gouver¬
neur, der Einsicht in der Verhandlung genommen hat, läßt ihn nach
mehrjähriger Haft frei, sobald er ihn genügend bestraft glaubt. Das
schönste Prärogativ der Krone, die Gnade, hat also vielfach auf die Gouver¬
neure delegirt werden müssen, um mit einem Gesetze regieren zu können, das
man als solches nicht ändern will, das sich aber in Stricker Durchführung wahr¬
scheinlich als unhaltbar erwiesen hat. Auch hat es vielleicht den tiefer lie¬
genden Sinn, in der Justiz die Meinung nicht auskommen zu lassen, als ob
sie eine selbständige Macht im Staate sei, denn in jeder guten Despotie ist
H. Marou. die Justiz nur eine Dienerin der Administration.




Urtheil in Sachen der Grenzboten.

In der Untersuchung wider den Dr. ,xbi1. Julius Hermann Moritz Busch er¬
kennt das Königliche Gcrichtsamt im Bezirksgerichte Leipzig auf Grund der vor
Ihm sub. L,co. II. M. 3849 ergangenen Acten für Recht:

Weil

I.

der das Vergehen "staatsgefährlicher Schmähungen" vorsehende Art. 128 des
Strafgesetzbuchs: öffentliche Mittheilungen, durch welche außer der Regierung und
öffentlichen Behörden auch staatsrechtlich bestehende Körperschaften oder einzelne
Bcrusshandlungcn dieser öffentlichen Organe einer tadelnden Kritik unterworfen
werden, nur dann für strafbar erachtet,

a, wenn sie mit Erdichtung oder geflissentlicher Entstellung von Thatsachen
verbunden sind;
b, wenn dabei den genannten Organen Beweggründe oder Absichten unter¬
legt oder Eigenschaften oder Benennungen beigelegt werden, welche im Publi-
cum Haß oder Verachtung gegen dieselben zu erregen geeignet sind,

nun zwar der in Na>. 51. Jahrg. 1860 "der Grenzboten" Zeitschrift für Poli¬
tik und Literatur im Verlage von Friedrich Ludwig Herbig zu Leipzig unter der
Aufschrift "Die letzten 2 Jahre der auswärtigen Politik Preußens" Seite 441 fig.
enthaltene Artikel No. 2, welchen verfaßt und durch den Druck verbreitet, sonach
öffentlich mitgetheilt zu haben, der verantwortliche Redacteur gedachter Zeitschrift,
ernannter

Dr. xbil. Julius Hermann Moritz Busch

B!t. 4 d.. 7 d. Act. unumwunden eingeräumt hat, in den. Seite 142 a. E. 143
in lesenden Worten: ,

"Der Bundesbeschluß von 1852 war ein vollkommen revolutionärer Act"
über eine einzelne Bcrufshcmdlung der deutschen Bundesversammlung einen un-
iwcifelhast harten Tadel ausspricht, während -- daß die gedachte Versammlung
den in der vorhin angegangenen Gesctzparagraphc beregten "Körperschaften" veizu-
iaylen sei, in Rücksicht auf die bundesstaatliche Stellung Sachsens und den daraus
M) ergebenden Zusammenhang des deutschen Bundcsrcchts mit dem partikularen
^taatsrechtc dieses Königreichs nicht wol zu bezweifeln ist,

gleichwol, wie die incriminirte Stelle schon vermöge ihres lediglich rcflectiren-
cn Charakters auf die oben unter ">. angeführte Voraussetzung des Erfinders und
vhchtticher Entstellung von Thatumständen zuzukommen überhaupt nicht gestattet.
" mindestens bedenklich fallen muß, aus dem Inhalte derselben das Vorhandensein


für diesen Fall. d. h. das Urtheil, welches unzweifelhaft auf Tod lauten
würde, wird gar nicht gesprochen. Unterdessen bleibt der Schuldige im Ge¬
fängniß; auf wie lange, weiß weder er, noch sonst Jemand. Der Gouver¬
neur, der Einsicht in der Verhandlung genommen hat, läßt ihn nach
mehrjähriger Haft frei, sobald er ihn genügend bestraft glaubt. Das
schönste Prärogativ der Krone, die Gnade, hat also vielfach auf die Gouver¬
neure delegirt werden müssen, um mit einem Gesetze regieren zu können, das
man als solches nicht ändern will, das sich aber in Stricker Durchführung wahr¬
scheinlich als unhaltbar erwiesen hat. Auch hat es vielleicht den tiefer lie¬
genden Sinn, in der Justiz die Meinung nicht auskommen zu lassen, als ob
sie eine selbständige Macht im Staate sei, denn in jeder guten Despotie ist
H. Marou. die Justiz nur eine Dienerin der Administration.




Urtheil in Sachen der Grenzboten.

In der Untersuchung wider den Dr. ,xbi1. Julius Hermann Moritz Busch er¬
kennt das Königliche Gcrichtsamt im Bezirksgerichte Leipzig auf Grund der vor
Ihm sub. L,co. II. M. 3849 ergangenen Acten für Recht:

Weil

I.

der das Vergehen „staatsgefährlicher Schmähungen" vorsehende Art. 128 des
Strafgesetzbuchs: öffentliche Mittheilungen, durch welche außer der Regierung und
öffentlichen Behörden auch staatsrechtlich bestehende Körperschaften oder einzelne
Bcrusshandlungcn dieser öffentlichen Organe einer tadelnden Kritik unterworfen
werden, nur dann für strafbar erachtet,

a, wenn sie mit Erdichtung oder geflissentlicher Entstellung von Thatsachen
verbunden sind;
b, wenn dabei den genannten Organen Beweggründe oder Absichten unter¬
legt oder Eigenschaften oder Benennungen beigelegt werden, welche im Publi-
cum Haß oder Verachtung gegen dieselben zu erregen geeignet sind,

nun zwar der in Na>. 51. Jahrg. 1860 „der Grenzboten" Zeitschrift für Poli¬
tik und Literatur im Verlage von Friedrich Ludwig Herbig zu Leipzig unter der
Aufschrift „Die letzten 2 Jahre der auswärtigen Politik Preußens" Seite 441 fig.
enthaltene Artikel No. 2, welchen verfaßt und durch den Druck verbreitet, sonach
öffentlich mitgetheilt zu haben, der verantwortliche Redacteur gedachter Zeitschrift,
ernannter

Dr. xbil. Julius Hermann Moritz Busch

B!t. 4 d.. 7 d. Act. unumwunden eingeräumt hat, in den. Seite 142 a. E. 143
in lesenden Worten: ,

„Der Bundesbeschluß von 1852 war ein vollkommen revolutionärer Act"
über eine einzelne Bcrufshcmdlung der deutschen Bundesversammlung einen un-
iwcifelhast harten Tadel ausspricht, während — daß die gedachte Versammlung
den in der vorhin angegangenen Gesctzparagraphc beregten „Körperschaften" veizu-
iaylen sei, in Rücksicht auf die bundesstaatliche Stellung Sachsens und den daraus
M) ergebenden Zusammenhang des deutschen Bundcsrcchts mit dem partikularen
^taatsrechtc dieses Königreichs nicht wol zu bezweifeln ist,

gleichwol, wie die incriminirte Stelle schon vermöge ihres lediglich rcflectiren-
cn Charakters auf die oben unter »>. angeführte Voraussetzung des Erfinders und
vhchtticher Entstellung von Thatumständen zuzukommen überhaupt nicht gestattet.
« mindestens bedenklich fallen muß, aus dem Inhalte derselben das Vorhandensein


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[0209] für diesen Fall. d. h. das Urtheil, welches unzweifelhaft auf Tod lauten würde, wird gar nicht gesprochen. Unterdessen bleibt der Schuldige im Ge¬ fängniß; auf wie lange, weiß weder er, noch sonst Jemand. Der Gouver¬ neur, der Einsicht in der Verhandlung genommen hat, läßt ihn nach mehrjähriger Haft frei, sobald er ihn genügend bestraft glaubt. Das schönste Prärogativ der Krone, die Gnade, hat also vielfach auf die Gouver¬ neure delegirt werden müssen, um mit einem Gesetze regieren zu können, das man als solches nicht ändern will, das sich aber in Stricker Durchführung wahr¬ scheinlich als unhaltbar erwiesen hat. Auch hat es vielleicht den tiefer lie¬ genden Sinn, in der Justiz die Meinung nicht auskommen zu lassen, als ob sie eine selbständige Macht im Staate sei, denn in jeder guten Despotie ist H. Marou. die Justiz nur eine Dienerin der Administration. Urtheil in Sachen der Grenzboten. In der Untersuchung wider den Dr. ,xbi1. Julius Hermann Moritz Busch er¬ kennt das Königliche Gcrichtsamt im Bezirksgerichte Leipzig auf Grund der vor Ihm sub. L,co. II. M. 3849 ergangenen Acten für Recht: Weil I. der das Vergehen „staatsgefährlicher Schmähungen" vorsehende Art. 128 des Strafgesetzbuchs: öffentliche Mittheilungen, durch welche außer der Regierung und öffentlichen Behörden auch staatsrechtlich bestehende Körperschaften oder einzelne Bcrusshandlungcn dieser öffentlichen Organe einer tadelnden Kritik unterworfen werden, nur dann für strafbar erachtet, a, wenn sie mit Erdichtung oder geflissentlicher Entstellung von Thatsachen verbunden sind; b, wenn dabei den genannten Organen Beweggründe oder Absichten unter¬ legt oder Eigenschaften oder Benennungen beigelegt werden, welche im Publi- cum Haß oder Verachtung gegen dieselben zu erregen geeignet sind, nun zwar der in Na>. 51. Jahrg. 1860 „der Grenzboten" Zeitschrift für Poli¬ tik und Literatur im Verlage von Friedrich Ludwig Herbig zu Leipzig unter der Aufschrift „Die letzten 2 Jahre der auswärtigen Politik Preußens" Seite 441 fig. enthaltene Artikel No. 2, welchen verfaßt und durch den Druck verbreitet, sonach öffentlich mitgetheilt zu haben, der verantwortliche Redacteur gedachter Zeitschrift, ernannter Dr. xbil. Julius Hermann Moritz Busch B!t. 4 d.. 7 d. Act. unumwunden eingeräumt hat, in den. Seite 142 a. E. 143 in lesenden Worten: , „Der Bundesbeschluß von 1852 war ein vollkommen revolutionärer Act" über eine einzelne Bcrufshcmdlung der deutschen Bundesversammlung einen un- iwcifelhast harten Tadel ausspricht, während — daß die gedachte Versammlung den in der vorhin angegangenen Gesctzparagraphc beregten „Körperschaften" veizu- iaylen sei, in Rücksicht auf die bundesstaatliche Stellung Sachsens und den daraus M) ergebenden Zusammenhang des deutschen Bundcsrcchts mit dem partikularen ^taatsrechtc dieses Königreichs nicht wol zu bezweifeln ist, gleichwol, wie die incriminirte Stelle schon vermöge ihres lediglich rcflectiren- cn Charakters auf die oben unter »>. angeführte Voraussetzung des Erfinders und vhchtticher Entstellung von Thatumständen zuzukommen überhaupt nicht gestattet. « mindestens bedenklich fallen muß, aus dem Inhalte derselben das Vorhandensein

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111969/209>, abgerufen am 22.12.2024.