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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band.

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Wir ersehen aus diesen Mittheilungen, die auf Zuverlässigkeit Anspruch
haben, del der Verfasser im französischen Ackerbau- und Handelsministerium
einen hohen Posten bekleidet, daß, während in den meisten andern europäischen Län¬
dern, namentlich in Deutschland und England, die Bevölkerung in den letzten
zehn Jahren bedeutend zugenommen hat, in Frankreich die Volkszahl in der
Abnahme begriffen ist. Zu Anfang des vorigen Jahrhunderts hatte das Land
etwa 19'/--. im Jahre 1784 nahezu 25. im Jahre 1801 etwas über 27 Mil¬
lionen Einwohner. Unter Ludwig Philipp schwankte die jährliche Zunahme
noch zwischen 0,69 und 0,41 Procent. 1851 betrug sie 0.21, fünf Jahre spä¬
ter nur noch 0,11; jetzt zeigt Blocks Tabelle zwar noch eine Zunahme um
256.194 Seelen, indeß hebt sich das dadurch aus. daß die Bevölkerung von
Paris in derselben Periode um mehr als dreimalhunderttausend Menschen zu¬
genommen hat. Die beigegebene Karte zeigt, daß unter der gegenwärtigen
Regierung die Bevölkerung Frankreichs nur in 32 Departements zugenom¬
men, in 54 dagegen sich vermindert hat. Die Zunahme war am stärksten in
den Departements Seine, Nord, Rhone. Nhvnemündungen, Loire, Gironde
und Unterseine. Die Verminderung war am auffallendsten in den Depar¬
tements Ober-Saone, wo sie mehr als ein Zehntel der ganzen Einwohner¬
schaft betrug. Jsere. Meurthe, Niederrhein, Maas, Vogesen und Jura.

Vergleichen wir die Zahl der Geburten unter dem Kaiserreich mit der in
frühern Zeiträumen, so machen wir die überraschende Wahrnehmung, daß
jene, ungeachtet der ansehnlichen Vermehrung der Bevölkerung seit dem Jahr
1836 nicht nur nicht größer, sondern kleiner als damals ist. In der fünf¬
jährigen Periode von 1836 bis 1840 finden wir jährlich im Durchschnitt
959,431. in der nächstfolgenden 976.030. in der daran sich schließenden 949,59t,
in der von 1851 bis 1855 nur 940.995 Geburten. 1782 zählte man eine
Geburt aus 25, in der Zeit der Restauration eine auf 31, unter Ludwig
Philipp eine auf 35; jetzt kommt durchschnittlich eine auf 38,26 Einwohner.
Zu Anfang dieses Jahrhunderts kamen durchschnittlich mehr als vier Kinder
auf jede Ehe, in den Jahren 1853 bis 1857 nur noch 3,11.

Auch die financiellen Verhältnisse des kaiserlichen Frankreich werden uns
stets als int Aufschwung begriffen dargestellt, und auch hier ist, wie K"ib
nachweist*) das Gegentheil der Fall. Die Staatsschuld ist unter Napoleon
dem Dritten in erschreckender Weise gestiegen, und zwar hauptsächlich durch die
verschwenderische Ausstattung des Regieruugsmechanismus, durch Luxusbauten
und durch Kriege. Die Civilliste des Kaisers beträgt 25. mit Einschluß des
Ertrags der Krondomänen 35 Millionen Francs, während Ludwig Ph'l'pp
nur 12 Millionen bezog. Die Gesammtkosten des Hofes werden mit Hinzu'
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') Handbuch der vergleichenden Statistik (Leipzig. Förstner. 1860) S. Ü4 fig.

Wir ersehen aus diesen Mittheilungen, die auf Zuverlässigkeit Anspruch
haben, del der Verfasser im französischen Ackerbau- und Handelsministerium
einen hohen Posten bekleidet, daß, während in den meisten andern europäischen Län¬
dern, namentlich in Deutschland und England, die Bevölkerung in den letzten
zehn Jahren bedeutend zugenommen hat, in Frankreich die Volkszahl in der
Abnahme begriffen ist. Zu Anfang des vorigen Jahrhunderts hatte das Land
etwa 19'/--. im Jahre 1784 nahezu 25. im Jahre 1801 etwas über 27 Mil¬
lionen Einwohner. Unter Ludwig Philipp schwankte die jährliche Zunahme
noch zwischen 0,69 und 0,41 Procent. 1851 betrug sie 0.21, fünf Jahre spä¬
ter nur noch 0,11; jetzt zeigt Blocks Tabelle zwar noch eine Zunahme um
256.194 Seelen, indeß hebt sich das dadurch aus. daß die Bevölkerung von
Paris in derselben Periode um mehr als dreimalhunderttausend Menschen zu¬
genommen hat. Die beigegebene Karte zeigt, daß unter der gegenwärtigen
Regierung die Bevölkerung Frankreichs nur in 32 Departements zugenom¬
men, in 54 dagegen sich vermindert hat. Die Zunahme war am stärksten in
den Departements Seine, Nord, Rhone. Nhvnemündungen, Loire, Gironde
und Unterseine. Die Verminderung war am auffallendsten in den Depar¬
tements Ober-Saone, wo sie mehr als ein Zehntel der ganzen Einwohner¬
schaft betrug. Jsere. Meurthe, Niederrhein, Maas, Vogesen und Jura.

Vergleichen wir die Zahl der Geburten unter dem Kaiserreich mit der in
frühern Zeiträumen, so machen wir die überraschende Wahrnehmung, daß
jene, ungeachtet der ansehnlichen Vermehrung der Bevölkerung seit dem Jahr
1836 nicht nur nicht größer, sondern kleiner als damals ist. In der fünf¬
jährigen Periode von 1836 bis 1840 finden wir jährlich im Durchschnitt
959,431. in der nächstfolgenden 976.030. in der daran sich schließenden 949,59t,
in der von 1851 bis 1855 nur 940.995 Geburten. 1782 zählte man eine
Geburt aus 25, in der Zeit der Restauration eine auf 31, unter Ludwig
Philipp eine auf 35; jetzt kommt durchschnittlich eine auf 38,26 Einwohner.
Zu Anfang dieses Jahrhunderts kamen durchschnittlich mehr als vier Kinder
auf jede Ehe, in den Jahren 1853 bis 1857 nur noch 3,11.

Auch die financiellen Verhältnisse des kaiserlichen Frankreich werden uns
stets als int Aufschwung begriffen dargestellt, und auch hier ist, wie K»ib
nachweist*) das Gegentheil der Fall. Die Staatsschuld ist unter Napoleon
dem Dritten in erschreckender Weise gestiegen, und zwar hauptsächlich durch die
verschwenderische Ausstattung des Regieruugsmechanismus, durch Luxusbauten
und durch Kriege. Die Civilliste des Kaisers beträgt 25. mit Einschluß des
Ertrags der Krondomänen 35 Millionen Francs, während Ludwig Ph'l'pp
nur 12 Millionen bezog. Die Gesammtkosten des Hofes werden mit Hinzu'
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') Handbuch der vergleichenden Statistik (Leipzig. Förstner. 1860) S. Ü4 fig.
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[0202] Wir ersehen aus diesen Mittheilungen, die auf Zuverlässigkeit Anspruch haben, del der Verfasser im französischen Ackerbau- und Handelsministerium einen hohen Posten bekleidet, daß, während in den meisten andern europäischen Län¬ dern, namentlich in Deutschland und England, die Bevölkerung in den letzten zehn Jahren bedeutend zugenommen hat, in Frankreich die Volkszahl in der Abnahme begriffen ist. Zu Anfang des vorigen Jahrhunderts hatte das Land etwa 19'/--. im Jahre 1784 nahezu 25. im Jahre 1801 etwas über 27 Mil¬ lionen Einwohner. Unter Ludwig Philipp schwankte die jährliche Zunahme noch zwischen 0,69 und 0,41 Procent. 1851 betrug sie 0.21, fünf Jahre spä¬ ter nur noch 0,11; jetzt zeigt Blocks Tabelle zwar noch eine Zunahme um 256.194 Seelen, indeß hebt sich das dadurch aus. daß die Bevölkerung von Paris in derselben Periode um mehr als dreimalhunderttausend Menschen zu¬ genommen hat. Die beigegebene Karte zeigt, daß unter der gegenwärtigen Regierung die Bevölkerung Frankreichs nur in 32 Departements zugenom¬ men, in 54 dagegen sich vermindert hat. Die Zunahme war am stärksten in den Departements Seine, Nord, Rhone. Nhvnemündungen, Loire, Gironde und Unterseine. Die Verminderung war am auffallendsten in den Depar¬ tements Ober-Saone, wo sie mehr als ein Zehntel der ganzen Einwohner¬ schaft betrug. Jsere. Meurthe, Niederrhein, Maas, Vogesen und Jura. Vergleichen wir die Zahl der Geburten unter dem Kaiserreich mit der in frühern Zeiträumen, so machen wir die überraschende Wahrnehmung, daß jene, ungeachtet der ansehnlichen Vermehrung der Bevölkerung seit dem Jahr 1836 nicht nur nicht größer, sondern kleiner als damals ist. In der fünf¬ jährigen Periode von 1836 bis 1840 finden wir jährlich im Durchschnitt 959,431. in der nächstfolgenden 976.030. in der daran sich schließenden 949,59t, in der von 1851 bis 1855 nur 940.995 Geburten. 1782 zählte man eine Geburt aus 25, in der Zeit der Restauration eine auf 31, unter Ludwig Philipp eine auf 35; jetzt kommt durchschnittlich eine auf 38,26 Einwohner. Zu Anfang dieses Jahrhunderts kamen durchschnittlich mehr als vier Kinder auf jede Ehe, in den Jahren 1853 bis 1857 nur noch 3,11. Auch die financiellen Verhältnisse des kaiserlichen Frankreich werden uns stets als int Aufschwung begriffen dargestellt, und auch hier ist, wie K»ib nachweist*) das Gegentheil der Fall. Die Staatsschuld ist unter Napoleon dem Dritten in erschreckender Weise gestiegen, und zwar hauptsächlich durch die verschwenderische Ausstattung des Regieruugsmechanismus, durch Luxusbauten und durch Kriege. Die Civilliste des Kaisers beträgt 25. mit Einschluß des Ertrags der Krondomänen 35 Millionen Francs, während Ludwig Ph'l'pp nur 12 Millionen bezog. Die Gesammtkosten des Hofes werden mit Hinzu' ''' ') Handbuch der vergleichenden Statistik (Leipzig. Förstner. 1860) S. Ü4 fig.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111969/202>, abgerufen am 22.12.2024.