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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band.

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Im Jahr 1383 kam ein letztes Schiff aus Grönland in Norwegen an
mit der Nachricht, daß der dortige Bischof schon seit sechs Jahren todt sei.
Die innern Wirren im skandinavischen Norden hemmten den Verkehr mit
Grönland gänzlich. Die fremden (dänischen) Regenten, die in Folge der
Calmarischen Union Norwegen beherrschten, nahmen kein solches Interesse,
wie ihre Vorgänger, an den fernsten Colonien der Normannen. Im Jahr
1406 wurde zwar zu Drontheim der letzte Bischof für Gardar in Grönland
ernannt -- es war der siebzehnte in ihrer regelmäßig auf einander folgenden
Reihe -- auch schiffte er sich 1408 dahin ein: aber er gelangte nicht mehr
hin. Große Eismassen, welche die Fahrt hemmten, zwangen sein Schiff zur Umkehr.

Seitdem hörte jede Verbindung mit Grönland auf. Des früher be¬
deutenden Handels wird gar nicht mehr erwähnt. Nur von großen polaren
Eismassen ist seitdem die Rede, welche seit drei Jahrhunderten an dem Ost¬
gestade Grönlands von Nord nach Süd die Küste belagerten und die Ueber¬
fahrt unmöglich machten. Hierzu kam im Jahr 1423 ein furchtbar kalter
Winter im Norden, dem Hungersnoth und Pestseuchen folgten. Die nor¬
mannische Kolonisation aus Grönland, der seitdem jede Hülfe von außen
fehlte, mußte verkümmern und starb durch Hunger und Seuchen wahrscheinlich
ganz aus -- vielleicht auch daß Eskimos, die früher nur im Norden Grön¬
lands Spuren ihres Daseins gezeigt hatten, weiter südwärts rückten und
durch Ueberfülle der abgeschwächten Fremdlinge das Ihrige zur völligen Ver¬
nichtung derselben beitrugen.

Während drei Jahrhunderten waren nur selten einzelne Versuche von
kühnen Seefahrern, aber alle vergeblich, gemacht, das in Vergessenheit ge¬
rathene Grönland wieder auszusuchen. Im Jahr 1521 wollte der Erzbischof
Walkendorp von Drontheim seine verschollene Diöcese wieder aufsuchen;
aber sein Schiff erreichte das Ziel seiner Reise nicht. Auch Schiffe der Könige
von Dünemark, zumal unter Christian dem Vierten (1605), auch Isländer,
fuhren vergeblich auf die Wiederentdeckung aus; sie fanden nur große Eis¬
schollen und Eisberge, aber keine Spur von menschlichen Wohnungen und
von ihren Vorfahren.

Der Däne Magnus Hennisen wird als einer der kühnen Seefahrer
genannt, der die Küste wohl erblickt habe, sich aber ihr nicht nähern konnte.

Jahr 1576 wurde Capitän Martin Frobisher von der Königin Elisa¬
beth mit gleichem Austrage dahin geschickt. Er entdeckte ebenfalls das Land,
fand aber die Annäherung so schwierig, daß er nach England zurückkehrte;
U'doch nicht eher, als bis er 60 Seemeilen durch die Frobisher Street ge¬
nannte Meerenge gesegelt und an verschiedenen Inseln gelandet war, wo er
nut den Einwohnern Verkehr getrieben. Er brachte einige Erzstufen mit, aus
denen die Goldschmiede in London Gold ausschmolzen. 1577 lief er zum
leiten Mal in dieselbe Meeresgasse ein. und will auf einer Insel eine Gold-


Grenzboten III, 1861, 2V

Im Jahr 1383 kam ein letztes Schiff aus Grönland in Norwegen an
mit der Nachricht, daß der dortige Bischof schon seit sechs Jahren todt sei.
Die innern Wirren im skandinavischen Norden hemmten den Verkehr mit
Grönland gänzlich. Die fremden (dänischen) Regenten, die in Folge der
Calmarischen Union Norwegen beherrschten, nahmen kein solches Interesse,
wie ihre Vorgänger, an den fernsten Colonien der Normannen. Im Jahr
1406 wurde zwar zu Drontheim der letzte Bischof für Gardar in Grönland
ernannt — es war der siebzehnte in ihrer regelmäßig auf einander folgenden
Reihe — auch schiffte er sich 1408 dahin ein: aber er gelangte nicht mehr
hin. Große Eismassen, welche die Fahrt hemmten, zwangen sein Schiff zur Umkehr.

Seitdem hörte jede Verbindung mit Grönland auf. Des früher be¬
deutenden Handels wird gar nicht mehr erwähnt. Nur von großen polaren
Eismassen ist seitdem die Rede, welche seit drei Jahrhunderten an dem Ost¬
gestade Grönlands von Nord nach Süd die Küste belagerten und die Ueber¬
fahrt unmöglich machten. Hierzu kam im Jahr 1423 ein furchtbar kalter
Winter im Norden, dem Hungersnoth und Pestseuchen folgten. Die nor¬
mannische Kolonisation aus Grönland, der seitdem jede Hülfe von außen
fehlte, mußte verkümmern und starb durch Hunger und Seuchen wahrscheinlich
ganz aus — vielleicht auch daß Eskimos, die früher nur im Norden Grön¬
lands Spuren ihres Daseins gezeigt hatten, weiter südwärts rückten und
durch Ueberfülle der abgeschwächten Fremdlinge das Ihrige zur völligen Ver¬
nichtung derselben beitrugen.

Während drei Jahrhunderten waren nur selten einzelne Versuche von
kühnen Seefahrern, aber alle vergeblich, gemacht, das in Vergessenheit ge¬
rathene Grönland wieder auszusuchen. Im Jahr 1521 wollte der Erzbischof
Walkendorp von Drontheim seine verschollene Diöcese wieder aufsuchen;
aber sein Schiff erreichte das Ziel seiner Reise nicht. Auch Schiffe der Könige
von Dünemark, zumal unter Christian dem Vierten (1605), auch Isländer,
fuhren vergeblich auf die Wiederentdeckung aus; sie fanden nur große Eis¬
schollen und Eisberge, aber keine Spur von menschlichen Wohnungen und
von ihren Vorfahren.

Der Däne Magnus Hennisen wird als einer der kühnen Seefahrer
genannt, der die Küste wohl erblickt habe, sich aber ihr nicht nähern konnte.

Jahr 1576 wurde Capitän Martin Frobisher von der Königin Elisa¬
beth mit gleichem Austrage dahin geschickt. Er entdeckte ebenfalls das Land,
fand aber die Annäherung so schwierig, daß er nach England zurückkehrte;
U'doch nicht eher, als bis er 60 Seemeilen durch die Frobisher Street ge¬
nannte Meerenge gesegelt und an verschiedenen Inseln gelandet war, wo er
nut den Einwohnern Verkehr getrieben. Er brachte einige Erzstufen mit, aus
denen die Goldschmiede in London Gold ausschmolzen. 1577 lief er zum
leiten Mal in dieselbe Meeresgasse ein. und will auf einer Insel eine Gold-


Grenzboten III, 1861, 2V
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111969/163>, abgerufen am 22.07.2024.