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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band.

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organisch verbundene Polizeigerichte mit einem Polizeirichter an der Spitze,
der zugleich Mitglied des Stadtrathcs ist, zu wählen. Fremde Ausdrücke, wie
Polizeidirector, Pvlizeidirection, welches letztere Wort übrigens ebenso wie Po-
lizeipräsidium eine ungeschickte, nur die Spitze der Behörde bezeichnende Be¬
nennung ist, erinnern schon durch ihren Klang an ihren unvolksthümlichen
Ursprung und sind in einem deutschen Staate möglichst fern zu halten. --
Das Verfahren der Polizeibehörden sei ein ganz kurzes, nur die Resultate
schriftlich fixirend; es finde vor dem Polizeirichter selbst Statt, welcher auch
mündlich und unmittelbar, nicht erst durch den Mund eines Unterbeamten,
die Bescheide gibt. Dadurch wird viel Zeit und Schreiberei erspart und das
Verfahren gewinnt an Kraft und Würde. Bei Stadtgerichten, welche von zu
großem Geschäftsumfange sind, werden Criminalabtheilungen mit einem Cri-
minalrichter an der Spitze eingerichtet, und ist in dieser Beziehung zu dem
bewährten Muster der Leipziger Verfassung zurückzukehren.

Wie den Gemeindevertretern bei der Wahl der Geistlichen und Lehrer
durch das ihnen zustehende Widerspruchsrecht eine erwünschte Theilnahme
eingeräumt ist, so ist dasselbe ihnen bei Besetzung der Stelle des Stadtrichters
einzuräumen; wo Stadt- und Landgerichte vorhanden, gebührt dieses Rech>
auch den Vertretern der Landschaft.

Die Prüfung der Befähigung zu Uebernahme eines selbständigen Richter¬
amtes, und die Bestätigung des Gewählten muß der Staatsgewalt vorbehal¬
ten bleiben. Man würde sonst -- wovon wir weit entfernt sind -- den
Staat in eine Anzahl Republiken auflösen. Es gilt nur, von seinen Schul¬
tern die Lasten zu nehmen, die er sich unnützer Weise aufgebürdet hat. das
Gemeindeleben zu stärken, den Sinn der Gemeindebürger für die öffentlichen
Angelegenheiten zu beleben, die Beamten, indem sie wissen, durch wen sie
zunächst da sind, mit Liebe zu ihrer Gemeinde zu beseelen, sie zu freien und
selbständigen Männern umzuschaffen, sie aus einer Stellung zu nehmen, in
der sie nur Pflichten gegen den Staat, aber keine warme Theilnahme an der
Gemeinde kennen, und in der sie willenlos sind und nur von einem Draht,
dessen Griff im Ministerium sich befindet, in Bewegung gesetzt werden. Die
Controle über sie wollen wir den Interessenten, nämlich ihren Mitbürgern i"
der Gemeinde, nicht dem fernen Ministerium übertragen wissen, welches nur auf
Grund papierner Nachrichten seine Leute kennt. Wir gönnen aber mich dem
Beamten, der seine Pflicht erfüllt, eine andere Besoldung, als die, welche ih¬
nen der Staat gewährt, der oft durch Hunger und Kummer den letzten Rest
männlichen Selbstgefühls in ihnen erstickt; wir können auch hier die Besol¬
dungen, welche Leipzig seinen Justizbcamten gewährte, als Muster an¬
führen.

Bei einer solchen Verfassung würden die jetzigen Gcrichtsämter, auch die


organisch verbundene Polizeigerichte mit einem Polizeirichter an der Spitze,
der zugleich Mitglied des Stadtrathcs ist, zu wählen. Fremde Ausdrücke, wie
Polizeidirector, Pvlizeidirection, welches letztere Wort übrigens ebenso wie Po-
lizeipräsidium eine ungeschickte, nur die Spitze der Behörde bezeichnende Be¬
nennung ist, erinnern schon durch ihren Klang an ihren unvolksthümlichen
Ursprung und sind in einem deutschen Staate möglichst fern zu halten. —
Das Verfahren der Polizeibehörden sei ein ganz kurzes, nur die Resultate
schriftlich fixirend; es finde vor dem Polizeirichter selbst Statt, welcher auch
mündlich und unmittelbar, nicht erst durch den Mund eines Unterbeamten,
die Bescheide gibt. Dadurch wird viel Zeit und Schreiberei erspart und das
Verfahren gewinnt an Kraft und Würde. Bei Stadtgerichten, welche von zu
großem Geschäftsumfange sind, werden Criminalabtheilungen mit einem Cri-
minalrichter an der Spitze eingerichtet, und ist in dieser Beziehung zu dem
bewährten Muster der Leipziger Verfassung zurückzukehren.

Wie den Gemeindevertretern bei der Wahl der Geistlichen und Lehrer
durch das ihnen zustehende Widerspruchsrecht eine erwünschte Theilnahme
eingeräumt ist, so ist dasselbe ihnen bei Besetzung der Stelle des Stadtrichters
einzuräumen; wo Stadt- und Landgerichte vorhanden, gebührt dieses Rech>
auch den Vertretern der Landschaft.

Die Prüfung der Befähigung zu Uebernahme eines selbständigen Richter¬
amtes, und die Bestätigung des Gewählten muß der Staatsgewalt vorbehal¬
ten bleiben. Man würde sonst — wovon wir weit entfernt sind — den
Staat in eine Anzahl Republiken auflösen. Es gilt nur, von seinen Schul¬
tern die Lasten zu nehmen, die er sich unnützer Weise aufgebürdet hat. das
Gemeindeleben zu stärken, den Sinn der Gemeindebürger für die öffentlichen
Angelegenheiten zu beleben, die Beamten, indem sie wissen, durch wen sie
zunächst da sind, mit Liebe zu ihrer Gemeinde zu beseelen, sie zu freien und
selbständigen Männern umzuschaffen, sie aus einer Stellung zu nehmen, in
der sie nur Pflichten gegen den Staat, aber keine warme Theilnahme an der
Gemeinde kennen, und in der sie willenlos sind und nur von einem Draht,
dessen Griff im Ministerium sich befindet, in Bewegung gesetzt werden. Die
Controle über sie wollen wir den Interessenten, nämlich ihren Mitbürgern i»
der Gemeinde, nicht dem fernen Ministerium übertragen wissen, welches nur auf
Grund papierner Nachrichten seine Leute kennt. Wir gönnen aber mich dem
Beamten, der seine Pflicht erfüllt, eine andere Besoldung, als die, welche ih¬
nen der Staat gewährt, der oft durch Hunger und Kummer den letzten Rest
männlichen Selbstgefühls in ihnen erstickt; wir können auch hier die Besol¬
dungen, welche Leipzig seinen Justizbcamten gewährte, als Muster an¬
führen.

Bei einer solchen Verfassung würden die jetzigen Gcrichtsämter, auch die


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111969/110>, abgerufen am 22.07.2024.