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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band.

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1. Zunächst hat es bei der freisinnigen Städte- und Landgemeindeord¬
nung zu bewenden, die Justiz ist aber in der untern Instanz wieder in die
Hände der Gemeinden zu legen, so zwar, daß in den größten Städten, wo
der Gerichtsspreugel durch Hinzuschlagung von Dorfgemeinden zu groß werden
würde, die alten Stadtgerichte, ganz so. wie in der Städteordnung, also auch
lediglich vom Stadtrathe gewählt und mit einem Stadtrichter an der Spitze
wieder ins Leben treten; während in allen andern Städten Stadt und Land¬
gerichte eingeführt werden, an die Stelle der jetzigen Gerichtsämter. Die
Wahl der juristisch befähigten Beamten dieser Behörden geschieht durch den
Bezirksausschuß. Dieser Bezirksausschuß wird gebildet aus den Abgeordneten
der Gemeinderäthe von Stadt und Land, und der im Bezirke vorhandenen
Mittelguter. Die Stimmen, welche jeder Abgeordnete im Ausschusse vertritt,
werden bemessen nach der Boltszahl der Gemeinde, welche er reprnsentirt, und
bei den Rittergütern nach den Steuereiuheiteu. Dieser Bezirksausschuß wird
zugleich die gemeinsamen Anstalten des Bezirks beaufsichtigen und verwalten,
wozu in erster Reihe gemeinsame Armen-, Arbeits- und Krankenhäuser und die
nicht fiscalischen öffentlichen Wege gehören.

Die den jetzigen Gerichtsämtern übertragenen Berwaltungsgeschäste wer¬
den, soweit nur immer möglich, den Gemeinden überlassen; für Ausstellung
von Heimnthschemen, Gemeindewahlen ist dieß schon vorgeschlagen; man kann
aber diesen Geschäftskreis noch weiter ausdehnen, namentlich auf alles Ge-
meinderechuungswesen. In der Regel findet sich die dazu erforderliche Bil¬
dung schon jetzt aus dem Lande. Wo sie nicht vorhanden ist, wird sie ent¬
weder sich noch finden, oder mindestens ganz gewiß von der Gemeinde selbst
durch zu Rathe Ziehen geeigneter Personen ersetzt werden. Die Besorgung
solcher Geschäfte, welche einen größern Aufwand von Mühe und Zeit erfor¬
dern, wozu aber fast nur die Führung von Katastern zu rechnen sein dürfte,
bleibt bei den Stadt- und Landgerichten.

Die Polizei bedarf einer möglichsten Centralisation; es ist eine Ursache
der Erschwerung in Verfolgung von Verbrechern, in Beaufsichtigung gefähr¬
licher Subjecte, vielfacher Zeit und Geld raubender Korrespondenzen zwischen
Genchtsämtern und Stadträthen, daß die Polizei nicht in der Stadt, dem
Mittelpunkte auch des ländlichen Verkehrs, concentrirt ist. Da der Unterschied
Wischer Stadt und Land, namentlich auch durch die neue Gewerbeverfassung,
wehr und mehr schwindet, so ist es um so unbedenklicher, hierin die rhein¬
preußischen Bürgermeistereien nachzuahmen, und die gesammte Polizeihand¬
habung im Bezirke dem Bürgermeister der Bezirksstadt zu übertragen. Zu
den Kosten der Polizei trägt das Land verhältnißmäßig mit bei. In größe¬
ren Städten und Bezirken, wo jetzt schon abgesonderte Polizeibehörden bestehen,
sind besondere, jedoch nach Vorschrift der Städteordnung mit dem Stadtrathe


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1. Zunächst hat es bei der freisinnigen Städte- und Landgemeindeord¬
nung zu bewenden, die Justiz ist aber in der untern Instanz wieder in die
Hände der Gemeinden zu legen, so zwar, daß in den größten Städten, wo
der Gerichtsspreugel durch Hinzuschlagung von Dorfgemeinden zu groß werden
würde, die alten Stadtgerichte, ganz so. wie in der Städteordnung, also auch
lediglich vom Stadtrathe gewählt und mit einem Stadtrichter an der Spitze
wieder ins Leben treten; während in allen andern Städten Stadt und Land¬
gerichte eingeführt werden, an die Stelle der jetzigen Gerichtsämter. Die
Wahl der juristisch befähigten Beamten dieser Behörden geschieht durch den
Bezirksausschuß. Dieser Bezirksausschuß wird gebildet aus den Abgeordneten
der Gemeinderäthe von Stadt und Land, und der im Bezirke vorhandenen
Mittelguter. Die Stimmen, welche jeder Abgeordnete im Ausschusse vertritt,
werden bemessen nach der Boltszahl der Gemeinde, welche er reprnsentirt, und
bei den Rittergütern nach den Steuereiuheiteu. Dieser Bezirksausschuß wird
zugleich die gemeinsamen Anstalten des Bezirks beaufsichtigen und verwalten,
wozu in erster Reihe gemeinsame Armen-, Arbeits- und Krankenhäuser und die
nicht fiscalischen öffentlichen Wege gehören.

Die den jetzigen Gerichtsämtern übertragenen Berwaltungsgeschäste wer¬
den, soweit nur immer möglich, den Gemeinden überlassen; für Ausstellung
von Heimnthschemen, Gemeindewahlen ist dieß schon vorgeschlagen; man kann
aber diesen Geschäftskreis noch weiter ausdehnen, namentlich auf alles Ge-
meinderechuungswesen. In der Regel findet sich die dazu erforderliche Bil¬
dung schon jetzt aus dem Lande. Wo sie nicht vorhanden ist, wird sie ent¬
weder sich noch finden, oder mindestens ganz gewiß von der Gemeinde selbst
durch zu Rathe Ziehen geeigneter Personen ersetzt werden. Die Besorgung
solcher Geschäfte, welche einen größern Aufwand von Mühe und Zeit erfor¬
dern, wozu aber fast nur die Führung von Katastern zu rechnen sein dürfte,
bleibt bei den Stadt- und Landgerichten.

Die Polizei bedarf einer möglichsten Centralisation; es ist eine Ursache
der Erschwerung in Verfolgung von Verbrechern, in Beaufsichtigung gefähr¬
licher Subjecte, vielfacher Zeit und Geld raubender Korrespondenzen zwischen
Genchtsämtern und Stadträthen, daß die Polizei nicht in der Stadt, dem
Mittelpunkte auch des ländlichen Verkehrs, concentrirt ist. Da der Unterschied
Wischer Stadt und Land, namentlich auch durch die neue Gewerbeverfassung,
wehr und mehr schwindet, so ist es um so unbedenklicher, hierin die rhein¬
preußischen Bürgermeistereien nachzuahmen, und die gesammte Polizeihand¬
habung im Bezirke dem Bürgermeister der Bezirksstadt zu übertragen. Zu
den Kosten der Polizei trägt das Land verhältnißmäßig mit bei. In größe¬
ren Städten und Bezirken, wo jetzt schon abgesonderte Polizeibehörden bestehen,
sind besondere, jedoch nach Vorschrift der Städteordnung mit dem Stadtrathe


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[0109] 1. Zunächst hat es bei der freisinnigen Städte- und Landgemeindeord¬ nung zu bewenden, die Justiz ist aber in der untern Instanz wieder in die Hände der Gemeinden zu legen, so zwar, daß in den größten Städten, wo der Gerichtsspreugel durch Hinzuschlagung von Dorfgemeinden zu groß werden würde, die alten Stadtgerichte, ganz so. wie in der Städteordnung, also auch lediglich vom Stadtrathe gewählt und mit einem Stadtrichter an der Spitze wieder ins Leben treten; während in allen andern Städten Stadt und Land¬ gerichte eingeführt werden, an die Stelle der jetzigen Gerichtsämter. Die Wahl der juristisch befähigten Beamten dieser Behörden geschieht durch den Bezirksausschuß. Dieser Bezirksausschuß wird gebildet aus den Abgeordneten der Gemeinderäthe von Stadt und Land, und der im Bezirke vorhandenen Mittelguter. Die Stimmen, welche jeder Abgeordnete im Ausschusse vertritt, werden bemessen nach der Boltszahl der Gemeinde, welche er reprnsentirt, und bei den Rittergütern nach den Steuereiuheiteu. Dieser Bezirksausschuß wird zugleich die gemeinsamen Anstalten des Bezirks beaufsichtigen und verwalten, wozu in erster Reihe gemeinsame Armen-, Arbeits- und Krankenhäuser und die nicht fiscalischen öffentlichen Wege gehören. Die den jetzigen Gerichtsämtern übertragenen Berwaltungsgeschäste wer¬ den, soweit nur immer möglich, den Gemeinden überlassen; für Ausstellung von Heimnthschemen, Gemeindewahlen ist dieß schon vorgeschlagen; man kann aber diesen Geschäftskreis noch weiter ausdehnen, namentlich auf alles Ge- meinderechuungswesen. In der Regel findet sich die dazu erforderliche Bil¬ dung schon jetzt aus dem Lande. Wo sie nicht vorhanden ist, wird sie ent¬ weder sich noch finden, oder mindestens ganz gewiß von der Gemeinde selbst durch zu Rathe Ziehen geeigneter Personen ersetzt werden. Die Besorgung solcher Geschäfte, welche einen größern Aufwand von Mühe und Zeit erfor¬ dern, wozu aber fast nur die Führung von Katastern zu rechnen sein dürfte, bleibt bei den Stadt- und Landgerichten. Die Polizei bedarf einer möglichsten Centralisation; es ist eine Ursache der Erschwerung in Verfolgung von Verbrechern, in Beaufsichtigung gefähr¬ licher Subjecte, vielfacher Zeit und Geld raubender Korrespondenzen zwischen Genchtsämtern und Stadträthen, daß die Polizei nicht in der Stadt, dem Mittelpunkte auch des ländlichen Verkehrs, concentrirt ist. Da der Unterschied Wischer Stadt und Land, namentlich auch durch die neue Gewerbeverfassung, wehr und mehr schwindet, so ist es um so unbedenklicher, hierin die rhein¬ preußischen Bürgermeistereien nachzuahmen, und die gesammte Polizeihand¬ habung im Bezirke dem Bürgermeister der Bezirksstadt zu übertragen. Zu den Kosten der Polizei trägt das Land verhältnißmäßig mit bei. In größe¬ ren Städten und Bezirken, wo jetzt schon abgesonderte Polizeibehörden bestehen, sind besondere, jedoch nach Vorschrift der Städteordnung mit dem Stadtrathe 13"

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111969/109>, abgerufen am 22.07.2024.