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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band.

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in die preußischen Gefängnisse genommen worden. Sie haben in Moabit
alle diese Stellen eingenommen, und sie haben Aussicht, auch anderwärts nach
und nach ihren Orden einzubürgern. Wir sagen einfach: sie gehören nicht
dahin. Der Gefangene steht ihnen und ihren Bestrebungen, ein vermeint- '
liebes Reich Gottes auszubreiten, die Welt "heilig wandeln" zu lehren
schutzlos gegenüber. Die Unabhängigkeit seines Gewissens, die Freiheit seines
Bekenntnisses sind fortwährend von dem Eifer dieser Leute- bedroht, die halb
Missionäre, halb Zuchtmeister sind. Die salbungsvollen Ansprachen derselben,
die von Außen auferlegten Betübungen sind vielen eine härtere Strafe als
die schwerste Arbeit.

Und ebenso unbequem sind die Brüder mit ihren Convicten und Conven-
ten für die Oberbeamten der Gefängnisse. Sie sehen in ihnen die "Welt",
sie wissen als Glieder des "königlichen Priestervolkes" unzählige Dinge besser
als jene, sie haben die Pflicht, sich einzumischen, wenn ein Amt nicht in ihrem
Sinn und Geist verwaltet wird. Ein Beispiel davon liegt bereits vor. Der
ehemalige Director der Moabiter Strafanstalt wurde, wie allgemein behauptet
wird, ein Opfer von Differenzen mit Brüdern des Rauben Hauses, die unter
ihm dienten. Ohne seine Zuziehung beriethen die Complete über Gefängniß-
angelegenheiten, und die Folge war, daß der Director nach Breslau versetzt
wurde.

Der preußische Minister des Innern hat auf dem letzten Landtag an die
Abgeordneten die Aufforderung gerichtet, zum Zweck der gesetzlichen Re¬
gelung des Gefängnißwesens die Initiative zu ergreifen. Der Verfasser
unserer Broschüre erlaubt sich dazu den ersten Paragraphen vorzuschla¬
gen, und formulirt denselben dahin: "Wir fordern vom Standpunkt der
Gefängnißwissenschaft, daß die Brüderschaft des. Rauben Hauses aus den
Strafanstalten des preußischen Staates entfernt werde."

Wir unsrerseits schließen uns dem an. Möge dem Orden sein Wirkungs¬
kreis bleiben, soweit er sich in freier Concurrenz mit andern Kräften auf dem
Boden socialer Aufgaben bewegt. Was er in seinen Asylen, Rettungshäusern
und Hospizen neben manchem Unerfreulichen Gutes gethan hat, wissen auch
wir zu schätzen. Aber seine Verdienste in dieser Hinsicht geben nicht den
mindesten Grund ab sür eine Berufung in die Strafanstalten des Staates,
bei denen völlig andere Gesichtspunkte maßgebend sind.




in die preußischen Gefängnisse genommen worden. Sie haben in Moabit
alle diese Stellen eingenommen, und sie haben Aussicht, auch anderwärts nach
und nach ihren Orden einzubürgern. Wir sagen einfach: sie gehören nicht
dahin. Der Gefangene steht ihnen und ihren Bestrebungen, ein vermeint- '
liebes Reich Gottes auszubreiten, die Welt „heilig wandeln" zu lehren
schutzlos gegenüber. Die Unabhängigkeit seines Gewissens, die Freiheit seines
Bekenntnisses sind fortwährend von dem Eifer dieser Leute- bedroht, die halb
Missionäre, halb Zuchtmeister sind. Die salbungsvollen Ansprachen derselben,
die von Außen auferlegten Betübungen sind vielen eine härtere Strafe als
die schwerste Arbeit.

Und ebenso unbequem sind die Brüder mit ihren Convicten und Conven-
ten für die Oberbeamten der Gefängnisse. Sie sehen in ihnen die „Welt",
sie wissen als Glieder des „königlichen Priestervolkes" unzählige Dinge besser
als jene, sie haben die Pflicht, sich einzumischen, wenn ein Amt nicht in ihrem
Sinn und Geist verwaltet wird. Ein Beispiel davon liegt bereits vor. Der
ehemalige Director der Moabiter Strafanstalt wurde, wie allgemein behauptet
wird, ein Opfer von Differenzen mit Brüdern des Rauben Hauses, die unter
ihm dienten. Ohne seine Zuziehung beriethen die Complete über Gefängniß-
angelegenheiten, und die Folge war, daß der Director nach Breslau versetzt
wurde.

Der preußische Minister des Innern hat auf dem letzten Landtag an die
Abgeordneten die Aufforderung gerichtet, zum Zweck der gesetzlichen Re¬
gelung des Gefängnißwesens die Initiative zu ergreifen. Der Verfasser
unserer Broschüre erlaubt sich dazu den ersten Paragraphen vorzuschla¬
gen, und formulirt denselben dahin: „Wir fordern vom Standpunkt der
Gefängnißwissenschaft, daß die Brüderschaft des. Rauben Hauses aus den
Strafanstalten des preußischen Staates entfernt werde."

Wir unsrerseits schließen uns dem an. Möge dem Orden sein Wirkungs¬
kreis bleiben, soweit er sich in freier Concurrenz mit andern Kräften auf dem
Boden socialer Aufgaben bewegt. Was er in seinen Asylen, Rettungshäusern
und Hospizen neben manchem Unerfreulichen Gutes gethan hat, wissen auch
wir zu schätzen. Aber seine Verdienste in dieser Hinsicht geben nicht den
mindesten Grund ab sür eine Berufung in die Strafanstalten des Staates,
bei denen völlig andere Gesichtspunkte maßgebend sind.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111969/103>, abgerufen am 22.07.2024.