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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band.

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raus, daß der hermionische Volksstamm gleiche Sprache mit dem ingävoni-
schen und vindilischen gehabt haben muß. Sonach bleiben nur noch die IM-
vonen übrig, da der Stamm der Bastarner und Peuciner in den Gothen auf¬
gegangen zu sein scheint. Von Jstävonen nennt Plinius zunächst am Rhein
wieder Cimbri. Die eigentlichen Cimbern wohnten aber in dem heutigen
Jütland und gehörten zu den Jngävonen. Kein alter Schriftsteller führt
Cimbern als nächst dem Rhein wohnend auf Zwar spricht Cäsar von den
Aduatikern als einem sitzen gebliebenen Theil der Cimbern und Teutonen: doch
wohnten diese am linken Rheinufer. etwa im heutigen Südbrabant, und sind
seitdem aus der Geschichte verschwunden, während die Peutingersche Karte
die Franci auf das rechte Rheinufer, ohngefähr von dem heutigen Arnheim
stromaufwärts, setzt. Es erscheint daher mehr als wahrscheinlich, daß die
Lesart bei Plinius verfälscht ist, und nicht mit Unrecht will man statt Cimbri:
Sigambri oder Sicambri lesen, welche gerade da wohnhaft sind, wo die plini"
arischen Cimbri sitzen sollen. Gregor von Tours nennt den Frankenkönig
Chlodwig einen Sicambrer. Zufolge der Sagen aus dem Gebiete der Fron-
kenkönige, verfaßt im Jahre 725, floh nach der Eroberung von Troja ein
Theil der Trojaner zu den Usern des mäotischen Sees und erbaute eine
Stadt mit Namen Sicambria. Diese Sicambrer nannte Kaiser Valentinian
Franken; von Sicambrien aber zogen sie an den Rheinstrom. Auch heißt es
im Leben des heiligen Arnulf, der im siebenten Jahrhundert wirkte: "Er
flößte dem fränkischen Könige Dagobert solche Klugheit ein. daß man im
Volke der Sicambrer von keinem König wußte, der ihm geglichen."

Tiberius verpflanzte unter Kaiser Augustus von den Sneven und Sicambern,
die sich ihm ergeben hatten, 40,000 nach Gallien, nahe dem Rhein und gab
ihnen daselbst Land. Daher die Sage, daß die Slcambrer an den Rhein¬
strom gezogen und von Valentinian Franken genannt wären. Die freien
Sicambrer am rechten Rheinufer dehnten sich erobernd aus, und nahmen den
Namen Franken an. sowie die Sachsen früher Warner, und die Langobarden
Winniler oder Vindiler hießen. Daher lesen wir bei Ammian Marcellin, daß.
als Kaiser Julian den Rhein überschritten, er in das Land der Franken,
welche Atthuarier genannt wurden, gedrungen wäre; und Gregor von Tours
führt nach Sulpitius Alexander die Bructerer. Chamaven, Ampsivaren, und
Chadem als fränkische Völker auf. Doch bemerkt Procop. daß die Germanen,
jetzt Franken genannt, erst als sie sich mit den. ihnen benachbarten in Gallien
wohnenden Arborychen (wohl Armoriker) verbunden und zu einem Volk ver¬
einigt hätten, mächtig geworden wären.

Die Franken bildeten Eine Nation und redeten als solche einerlei Sprache.
Die Chadem gehörten nach Plinius zu den Hermionen, die Cimbern oder Si¬
cambrer aber zu den Jstävonen, und sonach besaßen die Stämme der Jngä-


Grenzbotcn II. 1861. 12

raus, daß der hermionische Volksstamm gleiche Sprache mit dem ingävoni-
schen und vindilischen gehabt haben muß. Sonach bleiben nur noch die IM-
vonen übrig, da der Stamm der Bastarner und Peuciner in den Gothen auf¬
gegangen zu sein scheint. Von Jstävonen nennt Plinius zunächst am Rhein
wieder Cimbri. Die eigentlichen Cimbern wohnten aber in dem heutigen
Jütland und gehörten zu den Jngävonen. Kein alter Schriftsteller führt
Cimbern als nächst dem Rhein wohnend auf Zwar spricht Cäsar von den
Aduatikern als einem sitzen gebliebenen Theil der Cimbern und Teutonen: doch
wohnten diese am linken Rheinufer. etwa im heutigen Südbrabant, und sind
seitdem aus der Geschichte verschwunden, während die Peutingersche Karte
die Franci auf das rechte Rheinufer, ohngefähr von dem heutigen Arnheim
stromaufwärts, setzt. Es erscheint daher mehr als wahrscheinlich, daß die
Lesart bei Plinius verfälscht ist, und nicht mit Unrecht will man statt Cimbri:
Sigambri oder Sicambri lesen, welche gerade da wohnhaft sind, wo die plini«
arischen Cimbri sitzen sollen. Gregor von Tours nennt den Frankenkönig
Chlodwig einen Sicambrer. Zufolge der Sagen aus dem Gebiete der Fron-
kenkönige, verfaßt im Jahre 725, floh nach der Eroberung von Troja ein
Theil der Trojaner zu den Usern des mäotischen Sees und erbaute eine
Stadt mit Namen Sicambria. Diese Sicambrer nannte Kaiser Valentinian
Franken; von Sicambrien aber zogen sie an den Rheinstrom. Auch heißt es
im Leben des heiligen Arnulf, der im siebenten Jahrhundert wirkte: „Er
flößte dem fränkischen Könige Dagobert solche Klugheit ein. daß man im
Volke der Sicambrer von keinem König wußte, der ihm geglichen."

Tiberius verpflanzte unter Kaiser Augustus von den Sneven und Sicambern,
die sich ihm ergeben hatten, 40,000 nach Gallien, nahe dem Rhein und gab
ihnen daselbst Land. Daher die Sage, daß die Slcambrer an den Rhein¬
strom gezogen und von Valentinian Franken genannt wären. Die freien
Sicambrer am rechten Rheinufer dehnten sich erobernd aus, und nahmen den
Namen Franken an. sowie die Sachsen früher Warner, und die Langobarden
Winniler oder Vindiler hießen. Daher lesen wir bei Ammian Marcellin, daß.
als Kaiser Julian den Rhein überschritten, er in das Land der Franken,
welche Atthuarier genannt wurden, gedrungen wäre; und Gregor von Tours
führt nach Sulpitius Alexander die Bructerer. Chamaven, Ampsivaren, und
Chadem als fränkische Völker auf. Doch bemerkt Procop. daß die Germanen,
jetzt Franken genannt, erst als sie sich mit den. ihnen benachbarten in Gallien
wohnenden Arborychen (wohl Armoriker) verbunden und zu einem Volk ver¬
einigt hätten, mächtig geworden wären.

Die Franken bildeten Eine Nation und redeten als solche einerlei Sprache.
Die Chadem gehörten nach Plinius zu den Hermionen, die Cimbern oder Si¬
cambrer aber zu den Jstävonen, und sonach besaßen die Stämme der Jngä-


Grenzbotcn II. 1861. 12
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111431/99>, abgerufen am 02.10.2024.