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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band.

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werde." Unter dem Ausdruck "dieser Sprache" ist, da er Longobarde war, die
longobardische zu verstehen. Sachsen und Langobarden konnten sich sonach
mit einander verständigen. Daraus läßt es sich auch erklären, daß, als Alboin
mit den Langobarden nach Italien ziehen wollte, er zu seinen alten Freunden,
den Sachsen, um Hilfe schickte, damit er in größerer Anzahl von dem aus¬
gedehnten Lande Italien Besitz nehmen könne; worauf mehr als 20,000 säch¬
sische Männer mit Weib und Kind zu ihm stießen, um nach seinem Willen mit
ihm nach Italien zu gehen. Procop sagt in seiner Beschreibung Italiens,
daß sich das Land der Veneder bis nach Ravenna erstrecke. Oberhalb derselben
Hausen die Siskier und Schwaben, doch nicht jene, welche den Franken gehor¬
chen; sondern sie sind von ihnen geschieden und bewohnen das innere Land.
Noch weiter unten aber setzt er die Carner und Noriker, an deren rechter Seite
sich Daler und Pannonier hinstrecken. Nach Paul Warnefried hat das Volk
der Bajuarier die norische Provinz inne, welche gegen Morgen an Panno-
nien, gegen Abend an Schwaben, gegen Mittag an Italien und gegen
Mitternacht an die Donau grenzt. Diese Schwaben des Procop sitzen sonach in
dem heutigen Baiern und Tirol; sind daher identisch mit den Bajuarii der
Schriftsteller und bildeten früher mit den zu dem Frankenreiche gehörenden
Alemannen ein Volk und ein Reich. Durch die Schlacht von Zülpich siel
das Alemannenland den Franken zu; der südöstliche Theil schloß sich an den
Ostgothen Theodorich an; und die Bewohner desselben wurden Bajuarii
oder Baiern genannt. König Karl ging zwischen 718 und 730 mit einer
Heeresmacht über den Rhein, suchte die Alemannen und Schwaben heim, und
rückte über die Donau in das dänische Gebiet, welches Land er sich unter¬
warf. Diese Baiern erscheinen sonach identisch mit den Schwaben des Pro¬
cop. Uebrigens sind Alemannen und Sucven oder Schwaben nicht wesentlich
verschieden. Cäsar und Tacitus kennen nur Suevi. welche Strabo av^o"
oder Schwaben nennt. Die Alemannen werden zuerst unter Kaiser Caracalla
(1- 213) erwähnt. Dieser Fürst besiegte die Alemannen, ein zahlreiches Volk,
das ausgezeichnet zu Pferde (ex e^no) zu kämpfen verstand, nahe bei dem
Main. Agathias versichert, nach der Autorität des Asinius Quadratus, wie
die Alemannen ein Mischvolk wären, woher auch ihr Name rühre, und Zeus
leitet den Namen von Alamannida (communio) ab, den sich das aus ver¬
schiedenen Theilen bestehende Volk beigelegt habe. Flavius Vopiscus berich¬
tet, daß Proculus die Alemannen, welche damals noch Germanen genannt
wurden, geschlagen habe. Suevische Völker bildeten den Hauptbestandtheil
der Alemannen und deßhalb schreibt Gregor von Tours in seiner fränkischen
Geschichte, daß, nachdem die Vandalen Spanien eingenommen gehabt, ihnen
die Sueven, d. h. Alemannen gefolgt wären und sich in Galizien festgesetzt
hatten; auch Paul Warnefried erzählt, daß die Provinz Ligurien, wo Medio-


werde." Unter dem Ausdruck „dieser Sprache" ist, da er Longobarde war, die
longobardische zu verstehen. Sachsen und Langobarden konnten sich sonach
mit einander verständigen. Daraus läßt es sich auch erklären, daß, als Alboin
mit den Langobarden nach Italien ziehen wollte, er zu seinen alten Freunden,
den Sachsen, um Hilfe schickte, damit er in größerer Anzahl von dem aus¬
gedehnten Lande Italien Besitz nehmen könne; worauf mehr als 20,000 säch¬
sische Männer mit Weib und Kind zu ihm stießen, um nach seinem Willen mit
ihm nach Italien zu gehen. Procop sagt in seiner Beschreibung Italiens,
daß sich das Land der Veneder bis nach Ravenna erstrecke. Oberhalb derselben
Hausen die Siskier und Schwaben, doch nicht jene, welche den Franken gehor¬
chen; sondern sie sind von ihnen geschieden und bewohnen das innere Land.
Noch weiter unten aber setzt er die Carner und Noriker, an deren rechter Seite
sich Daler und Pannonier hinstrecken. Nach Paul Warnefried hat das Volk
der Bajuarier die norische Provinz inne, welche gegen Morgen an Panno-
nien, gegen Abend an Schwaben, gegen Mittag an Italien und gegen
Mitternacht an die Donau grenzt. Diese Schwaben des Procop sitzen sonach in
dem heutigen Baiern und Tirol; sind daher identisch mit den Bajuarii der
Schriftsteller und bildeten früher mit den zu dem Frankenreiche gehörenden
Alemannen ein Volk und ein Reich. Durch die Schlacht von Zülpich siel
das Alemannenland den Franken zu; der südöstliche Theil schloß sich an den
Ostgothen Theodorich an; und die Bewohner desselben wurden Bajuarii
oder Baiern genannt. König Karl ging zwischen 718 und 730 mit einer
Heeresmacht über den Rhein, suchte die Alemannen und Schwaben heim, und
rückte über die Donau in das dänische Gebiet, welches Land er sich unter¬
warf. Diese Baiern erscheinen sonach identisch mit den Schwaben des Pro¬
cop. Uebrigens sind Alemannen und Sucven oder Schwaben nicht wesentlich
verschieden. Cäsar und Tacitus kennen nur Suevi. welche Strabo av^o»
oder Schwaben nennt. Die Alemannen werden zuerst unter Kaiser Caracalla
(1- 213) erwähnt. Dieser Fürst besiegte die Alemannen, ein zahlreiches Volk,
das ausgezeichnet zu Pferde (ex e^no) zu kämpfen verstand, nahe bei dem
Main. Agathias versichert, nach der Autorität des Asinius Quadratus, wie
die Alemannen ein Mischvolk wären, woher auch ihr Name rühre, und Zeus
leitet den Namen von Alamannida (communio) ab, den sich das aus ver¬
schiedenen Theilen bestehende Volk beigelegt habe. Flavius Vopiscus berich¬
tet, daß Proculus die Alemannen, welche damals noch Germanen genannt
wurden, geschlagen habe. Suevische Völker bildeten den Hauptbestandtheil
der Alemannen und deßhalb schreibt Gregor von Tours in seiner fränkischen
Geschichte, daß, nachdem die Vandalen Spanien eingenommen gehabt, ihnen
die Sueven, d. h. Alemannen gefolgt wären und sich in Galizien festgesetzt
hatten; auch Paul Warnefried erzählt, daß die Provinz Ligurien, wo Medio-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111431/97>, abgerufen am 19.10.2024.