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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band.

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nur zu oft ihre Anwendung findet : "Daß doch der gute bildende Künstler mit
dem Poeten wetteisern will, da er doch eigentlich durch das, was er allein
machen kann und zu machen hätte, den Dichter zur Verzweiflung bringen
könnte!"

Ueber die Wahl der Scene aus dem Götz wollen wir mit dem Künstler
nicht streiten. Was man auch sagen mag: echt dramatische Situationen
werden sich immer nur schwer der Hand des Malers fügen, da in dem
Drama der unerbittliche Verlauf der Handlung und die unaufhaltsame Ent¬
wicklung des Charakters von Scene zu Scene drängen und die wenigen Ruhepunkte
grade in einer innerlichen Sammlung, in einer Einkehr des Subjectes in sich
bestehen. Um so weniger darf man den Künstler auf gewisse ausdrucksvolle
Momente beschränken wollen. Die kräftige Gestalt des wackern Götz unter
den Seinigen oder im Kreise der Bauern, oder im Contrast zu der höfischen Hal¬
tung des Weisungen hätte vielleicht den Beschauer lebhast in die Dichtung zurück¬
versetzt und zugleich ein Selbstverständlicheres Bild' abgegeben als die Schach-
spiclscene. die ein flüchtig vorübergehendes Moment, nur im Zusammenhange
des Ganzen verständlich ist. Doch wie gesagt : wir wollen darüber mit dem
Darsteller nicht rechten. Die Situation ist sonst für den Künstler nicht un¬
günstig; die kokette reizende Adelheid, im Spiele mit dem sinnenden Bischof,
daneben der freie, lose, launige Liebetraut zur Cither singend, im Hinter¬
grund, wenn wir nicht irren, der pfäffische Abt, der schüchterne liebesschn-
süchtige Franz -- der Künstler hat verschiedene Scen'en in eine componirt --:
hier war dem Künstler Gelegenheit gegeben, seine Hand zu bewähren, die,
wie man rühmt, ebenso geschickt ist, die schöne Welt der Linie und des Con-
turs schwungvoll als den charakteristischen Ausdruck der Persönlichkeit treffend
wiederzugeben. Aber der Maler wollte mehr geben, als er kann; wenigstens
scheint es. als habe er den complicirten Charakter der Adelheid, auf dem die
dramatische Verwicklung zu einem nicht geringen Theile beruht, in ihrer Ge¬
stalt, ihren Zügen zur Erscheinung bringen wollen. Nur aus einer solchen
Absicht läßt sich die verzwickte, verdrehte, aus dem.Bilde kokett herauölächclndc
Figur begreifen. Gewiß wollte uns der Künstler das verschlagene und zugleich
sinnliche Wesen, die gefährliche Schönheit, den unheimlichen Reiz der ränke¬
vollen Frau vor Augen führen; er wollte die Schönheit darstellen, aus der
das Häßliche hervorblickt, nicht als die große dämonische' Leidenschaft des
bösen, sondern als die tückische Sinnlichkeit des buhlerischen Weibes; den
ganzen romantischen Lug und Trug des weiblichen Wesens mit seinem
gleißnerischen Zauber. Diese Aufgabe aber übersteigt die Grenzen der bil¬
denden Kunst. In der rondaminischen Meduse freilich ist bildlich mit der
Schönheit des Weibes das Böse vereinigt, aber als der Schauer des Furcht¬
baren, und dieser wieder erscheint in her starren Ruhe des Todes, so daß der


nur zu oft ihre Anwendung findet : „Daß doch der gute bildende Künstler mit
dem Poeten wetteisern will, da er doch eigentlich durch das, was er allein
machen kann und zu machen hätte, den Dichter zur Verzweiflung bringen
könnte!"

Ueber die Wahl der Scene aus dem Götz wollen wir mit dem Künstler
nicht streiten. Was man auch sagen mag: echt dramatische Situationen
werden sich immer nur schwer der Hand des Malers fügen, da in dem
Drama der unerbittliche Verlauf der Handlung und die unaufhaltsame Ent¬
wicklung des Charakters von Scene zu Scene drängen und die wenigen Ruhepunkte
grade in einer innerlichen Sammlung, in einer Einkehr des Subjectes in sich
bestehen. Um so weniger darf man den Künstler auf gewisse ausdrucksvolle
Momente beschränken wollen. Die kräftige Gestalt des wackern Götz unter
den Seinigen oder im Kreise der Bauern, oder im Contrast zu der höfischen Hal¬
tung des Weisungen hätte vielleicht den Beschauer lebhast in die Dichtung zurück¬
versetzt und zugleich ein Selbstverständlicheres Bild' abgegeben als die Schach-
spiclscene. die ein flüchtig vorübergehendes Moment, nur im Zusammenhange
des Ganzen verständlich ist. Doch wie gesagt : wir wollen darüber mit dem
Darsteller nicht rechten. Die Situation ist sonst für den Künstler nicht un¬
günstig; die kokette reizende Adelheid, im Spiele mit dem sinnenden Bischof,
daneben der freie, lose, launige Liebetraut zur Cither singend, im Hinter¬
grund, wenn wir nicht irren, der pfäffische Abt, der schüchterne liebesschn-
süchtige Franz — der Künstler hat verschiedene Scen'en in eine componirt —:
hier war dem Künstler Gelegenheit gegeben, seine Hand zu bewähren, die,
wie man rühmt, ebenso geschickt ist, die schöne Welt der Linie und des Con-
turs schwungvoll als den charakteristischen Ausdruck der Persönlichkeit treffend
wiederzugeben. Aber der Maler wollte mehr geben, als er kann; wenigstens
scheint es. als habe er den complicirten Charakter der Adelheid, auf dem die
dramatische Verwicklung zu einem nicht geringen Theile beruht, in ihrer Ge¬
stalt, ihren Zügen zur Erscheinung bringen wollen. Nur aus einer solchen
Absicht läßt sich die verzwickte, verdrehte, aus dem.Bilde kokett herauölächclndc
Figur begreifen. Gewiß wollte uns der Künstler das verschlagene und zugleich
sinnliche Wesen, die gefährliche Schönheit, den unheimlichen Reiz der ränke¬
vollen Frau vor Augen führen; er wollte die Schönheit darstellen, aus der
das Häßliche hervorblickt, nicht als die große dämonische' Leidenschaft des
bösen, sondern als die tückische Sinnlichkeit des buhlerischen Weibes; den
ganzen romantischen Lug und Trug des weiblichen Wesens mit seinem
gleißnerischen Zauber. Diese Aufgabe aber übersteigt die Grenzen der bil¬
denden Kunst. In der rondaminischen Meduse freilich ist bildlich mit der
Schönheit des Weibes das Böse vereinigt, aber als der Schauer des Furcht¬
baren, und dieser wieder erscheint in her starren Ruhe des Todes, so daß der


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111431/57>, abgerufen am 25.08.2024.