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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band.

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ihm den Genuß, die einfache Freude an der Erscheinung möglich zu machen.
Ein Kunstwerk, das erklärt werden muß. wirkt ungefähr wie ein Witz, der
uns aus remderSraeüberet wird.

Freilich werden sich größere, selbständige Gemälde aus jenen Dichtungen
kaum gewinnen lassen. Ihre Stoffe sind acht einem Sagenkre.se. einer Gotter-
und Heroenwelt entnommen, die in dem allgemeinen Volksbewußtsein rhrcn
Grund und Boden hätte. Stoffe dieser Art mag der Maler vom Dichter, der
sie auf seine Weise gestaltet hat. zu freier eigenthümlicher Weiterbildung immer¬
hin übernehmen; er kann, er muß sie von seinem Standpunkte, dem Stand-
Punkt der bildenden Kunst auffassen und wird doch innerhalb der Grenzen des
allgemeinen Verständnisses bleiben, denn er verläßt jenen Boden der volksthüm-
lichen Phantasie nicht. Die Zeuxis> und Apelles haben homerische Gestalten
dargestellt, und der Zeus des Phidias war dem homerischen Donnerer nachge¬
bildet. -- Allein der Inhalt des modernen Bewußtseins hat um Volksgeiste
selbst keine concrete Form angenommen; diese haben die allgemein menschlichen
Ideen und Empfindungen, welche unsere Zeit bewegen, erst durch den Dichter
erhalten. Insofern sind dessen Geb.nde lediglich die Producte seiner Phantaye:
sie haben Leben und Bestand genau nur in der Weise, in welcher er sie her¬
vorgebracht hat. Mit ihnen kann daher der Maler nicht nach den Bedingungen
seiner Kunst willkürlich verfahren, er ist an die Vorstellungsweise des Dichters
gebunden und es bleibt ihm nichts übrig, als das, was dieser für die inner¬
liche Anschauung gebildet hat, nun für die äußere so wahr und treu als mög¬
lich herauszustellen. Auf diesen durchgreifenden Unterschied in der künstlerischen
Nachbildung der antiken Dichtung einerseits, der modernen andrerseits ist bis¬
her viel zu wenig geachtet worden. Die Malerei, welche ihre Stoffe dem mo¬
dernen Dichter entnimmt, begibt sich in den Dienst der Poesie, und in den aller-
meisten Fällen wird der Künstler darauf verzichten müssen, ein eigentlich ma¬
lerisches, auf sich beruhendes Kunstwerk zu schaffen. Denn es ist eine seit
Lessing selbst den Kindern nicht mehr unbewußte Wahrheit, so oft auch noch
gegen si> gesündigt werd'er mag: eine andere ist die Darstellungsweise der
Poeeeine

,e.
In dem richtigen Gefühle dieses Verhältnisses haben sich denn auch unsere
Künstler meistens damit .begnügt, den Dichter zu illustriren. In anspruchslosen
Mizzen. Umrissen. Zeichnungen haben sie manche gefällige Zugabe zu deren
Werken geliefert; und auch den phantasievollen Leser, der sich selber die Schö¬
pfungen des Poeten verbildlicht, mag es immerhin interessiren. sie in anderer
Auffassung gestaltet zu sehen. Fällt der Zeichner gar auf einen günstigen,
z- B. epischen Stoff, in dem noch ein Rest von Volksphantasie erhalten, ist.
der also von bestimmter und geläufiger Anschaulichkeit ist, in dem sich zugleich
die moderne Vorellunsweiebildliniederleen läßt, so kann er. dem Dichter


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ihm den Genuß, die einfache Freude an der Erscheinung möglich zu machen.
Ein Kunstwerk, das erklärt werden muß. wirkt ungefähr wie ein Witz, der
uns aus remderSraeüberet wird.

Freilich werden sich größere, selbständige Gemälde aus jenen Dichtungen
kaum gewinnen lassen. Ihre Stoffe sind acht einem Sagenkre.se. einer Gotter-
und Heroenwelt entnommen, die in dem allgemeinen Volksbewußtsein rhrcn
Grund und Boden hätte. Stoffe dieser Art mag der Maler vom Dichter, der
sie auf seine Weise gestaltet hat. zu freier eigenthümlicher Weiterbildung immer¬
hin übernehmen; er kann, er muß sie von seinem Standpunkte, dem Stand-
Punkt der bildenden Kunst auffassen und wird doch innerhalb der Grenzen des
allgemeinen Verständnisses bleiben, denn er verläßt jenen Boden der volksthüm-
lichen Phantasie nicht. Die Zeuxis> und Apelles haben homerische Gestalten
dargestellt, und der Zeus des Phidias war dem homerischen Donnerer nachge¬
bildet. — Allein der Inhalt des modernen Bewußtseins hat um Volksgeiste
selbst keine concrete Form angenommen; diese haben die allgemein menschlichen
Ideen und Empfindungen, welche unsere Zeit bewegen, erst durch den Dichter
erhalten. Insofern sind dessen Geb.nde lediglich die Producte seiner Phantaye:
sie haben Leben und Bestand genau nur in der Weise, in welcher er sie her¬
vorgebracht hat. Mit ihnen kann daher der Maler nicht nach den Bedingungen
seiner Kunst willkürlich verfahren, er ist an die Vorstellungsweise des Dichters
gebunden und es bleibt ihm nichts übrig, als das, was dieser für die inner¬
liche Anschauung gebildet hat, nun für die äußere so wahr und treu als mög¬
lich herauszustellen. Auf diesen durchgreifenden Unterschied in der künstlerischen
Nachbildung der antiken Dichtung einerseits, der modernen andrerseits ist bis¬
her viel zu wenig geachtet worden. Die Malerei, welche ihre Stoffe dem mo¬
dernen Dichter entnimmt, begibt sich in den Dienst der Poesie, und in den aller-
meisten Fällen wird der Künstler darauf verzichten müssen, ein eigentlich ma¬
lerisches, auf sich beruhendes Kunstwerk zu schaffen. Denn es ist eine seit
Lessing selbst den Kindern nicht mehr unbewußte Wahrheit, so oft auch noch
gegen si> gesündigt werd'er mag: eine andere ist die Darstellungsweise der
Poeeeine

,e.
In dem richtigen Gefühle dieses Verhältnisses haben sich denn auch unsere
Künstler meistens damit .begnügt, den Dichter zu illustriren. In anspruchslosen
Mizzen. Umrissen. Zeichnungen haben sie manche gefällige Zugabe zu deren
Werken geliefert; und auch den phantasievollen Leser, der sich selber die Schö¬
pfungen des Poeten verbildlicht, mag es immerhin interessiren. sie in anderer
Auffassung gestaltet zu sehen. Fällt der Zeichner gar auf einen günstigen,
z- B. epischen Stoff, in dem noch ein Rest von Volksphantasie erhalten, ist.
der also von bestimmter und geläufiger Anschaulichkeit ist, in dem sich zugleich
die moderne Vorellunsweiebildliniederleen läßt, so kann er. dem Dichter


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[0053] ihm den Genuß, die einfache Freude an der Erscheinung möglich zu machen. Ein Kunstwerk, das erklärt werden muß. wirkt ungefähr wie ein Witz, der uns aus remderSraeüberet wird. Freilich werden sich größere, selbständige Gemälde aus jenen Dichtungen kaum gewinnen lassen. Ihre Stoffe sind acht einem Sagenkre.se. einer Gotter- und Heroenwelt entnommen, die in dem allgemeinen Volksbewußtsein rhrcn Grund und Boden hätte. Stoffe dieser Art mag der Maler vom Dichter, der sie auf seine Weise gestaltet hat. zu freier eigenthümlicher Weiterbildung immer¬ hin übernehmen; er kann, er muß sie von seinem Standpunkte, dem Stand- Punkt der bildenden Kunst auffassen und wird doch innerhalb der Grenzen des allgemeinen Verständnisses bleiben, denn er verläßt jenen Boden der volksthüm- lichen Phantasie nicht. Die Zeuxis> und Apelles haben homerische Gestalten dargestellt, und der Zeus des Phidias war dem homerischen Donnerer nachge¬ bildet. — Allein der Inhalt des modernen Bewußtseins hat um Volksgeiste selbst keine concrete Form angenommen; diese haben die allgemein menschlichen Ideen und Empfindungen, welche unsere Zeit bewegen, erst durch den Dichter erhalten. Insofern sind dessen Geb.nde lediglich die Producte seiner Phantaye: sie haben Leben und Bestand genau nur in der Weise, in welcher er sie her¬ vorgebracht hat. Mit ihnen kann daher der Maler nicht nach den Bedingungen seiner Kunst willkürlich verfahren, er ist an die Vorstellungsweise des Dichters gebunden und es bleibt ihm nichts übrig, als das, was dieser für die inner¬ liche Anschauung gebildet hat, nun für die äußere so wahr und treu als mög¬ lich herauszustellen. Auf diesen durchgreifenden Unterschied in der künstlerischen Nachbildung der antiken Dichtung einerseits, der modernen andrerseits ist bis¬ her viel zu wenig geachtet worden. Die Malerei, welche ihre Stoffe dem mo¬ dernen Dichter entnimmt, begibt sich in den Dienst der Poesie, und in den aller- meisten Fällen wird der Künstler darauf verzichten müssen, ein eigentlich ma¬ lerisches, auf sich beruhendes Kunstwerk zu schaffen. Denn es ist eine seit Lessing selbst den Kindern nicht mehr unbewußte Wahrheit, so oft auch noch gegen si> gesündigt werd'er mag: eine andere ist die Darstellungsweise der Poeeeine ,e. In dem richtigen Gefühle dieses Verhältnisses haben sich denn auch unsere Künstler meistens damit .begnügt, den Dichter zu illustriren. In anspruchslosen Mizzen. Umrissen. Zeichnungen haben sie manche gefällige Zugabe zu deren Werken geliefert; und auch den phantasievollen Leser, der sich selber die Schö¬ pfungen des Poeten verbildlicht, mag es immerhin interessiren. sie in anderer Auffassung gestaltet zu sehen. Fällt der Zeichner gar auf einen günstigen, z- B. epischen Stoff, in dem noch ein Rest von Volksphantasie erhalten, ist. der also von bestimmter und geläufiger Anschaulichkeit ist, in dem sich zugleich die moderne Vorellunsweiebildliniederleen läßt, so kann er. dem Dichter K

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111431/53>, abgerufen am 24.08.2024.