Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band.minder der herrschenden Freiheitsliebe huldigen, steht das Stichwort: Freiheit der Im Eifer dieses Freiheitsstrebens sind von mehreren deutschen Staaten Am berühmtesten ist das östreichische Concordat: es ist diejenige Hand¬ Glücklicherweise ist das Unheil, welches das Concordat über das süd¬ Es wird vielleicht Vielen nicht mehr erinnerlich sein, daß wir uns in Preu¬ minder der herrschenden Freiheitsliebe huldigen, steht das Stichwort: Freiheit der Im Eifer dieses Freiheitsstrebens sind von mehreren deutschen Staaten Am berühmtesten ist das östreichische Concordat: es ist diejenige Hand¬ Glücklicherweise ist das Unheil, welches das Concordat über das süd¬ Es wird vielleicht Vielen nicht mehr erinnerlich sein, daß wir uns in Preu¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0047" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/111479"/> <p xml:id="ID_128" prev="#ID_127"> minder der herrschenden Freiheitsliebe huldigen, steht das Stichwort: Freiheit der<lb/> Kirche obenan. Die Ultramontanen, denen jedes Mittel recht ist. welches zum<lb/> Zwecke führt, stimmten in den allgemeinen Ruf nach Freiheit ein und be¬<lb/> gehrten die Freiheit auch für sich. d. h. für die Kirche. Da aber nach römi¬<lb/> schen Begriffen der Träger der Kirche unzweifelhaft die Hierarchie ist. so beißt<lb/> Freiheit der Kirche im ultramontanen Munde nichts Anderes als Bevollmäch¬<lb/> tigung der Hierarchie, nach Gutdünken über ihre Untergebenen zu verfügen.<lb/> Wir reden hier nicht von der Beeinträchtigung, welche dadurch der Staat<lb/> und die evangelische Kirche erleiden. Uns kommt es hauptsächlich auf dre<lb/> Beeinträchtigung an. welche den Katholiken selbst widerfährt. Indem der<lb/> Staat die Kirche frei macht, hebt er die Gewissensfreiheit der Katholiken auf.<lb/> da er ihnen den Schutz gegen hierarchische Verfolgungen entzieht, den der<lb/> Staat seinen Bürgern schuldig ist.</p><lb/> <p xml:id="ID_129"> Im Eifer dieses Freiheitsstrebens sind von mehreren deutschen Staaten<lb/> Concordate abgeschlossen, die wie alle Concordate darauf ausgehen, das Auf¬<lb/> sichtsrecht des Staats über das Kirchenregiment entweder aufzuheben oder<lb/> möglichst einzuschränken, und einen Staat im Staate einzurichten, dessen eigent¬<lb/> liches Oberhaupt in Rom residirt.</p><lb/> <p xml:id="ID_130"> Am berühmtesten ist das östreichische Concordat: es ist diejenige Hand¬<lb/> lung der östreichischen Regierung, durch welche sie zuerst Europa enttäuschte<lb/> und ihm nachwies, daß Oestreich nicht vorwärts, sondern rückwärts gegangen<lb/> sei. Der allgemeine Unwille, den diese Maßregel im östreichischen Volk er¬<lb/> regte, schien es im höchsten Grade unwahrscheinlich zu machen, daß andere<lb/> Regierungen diesem Beispiel folgen würden; und doch ist es sogar von pro¬<lb/> testantischen Regierungen geschehen: so geschickt weiß Rom jede Zeitströmung<lb/> für sich auszubeuten.</p><lb/> <p xml:id="ID_131"> Glücklicherweise ist das Unheil, welches das Concordat über das süd¬<lb/> westliche Deutschland verbreitet haben würde, durch den einmüthigcn Wider-<lb/> stand der Bevölkerung abgewendet worden, und die gegenwärtige Bewegung<lb/> in Oestreich wird voraussichtlich zu demselben Ziele führen. Oestreich muß<lb/> um jeden Preis mit seinen Völkern Frieden schließen, und es ist nicht mehr<lb/> daran zu zweifeln, daß diesem Frieden das Concordat zum Opfer fallen muß.<lb/> Von den Vortheilen, die sich die Regierung versprach, ist keiner eingetroffen,<lb/> und die Finanznoth wird mit unerbittlicher Nothwendigkeit zu Maßregeln<lb/> drängen, die mit dem Concordat unvereinbar sind.</p><lb/> <p xml:id="ID_132" next="#ID_133"> Es wird vielleicht Vielen nicht mehr erinnerlich sein, daß wir uns in Preu¬<lb/> ßen gleichfalls eines Concordats erfreuen, welches in den dreißiger Jahren zu<lb/> sehr bedenklichen Conflicten geführt und neuerdings die Bildung einer politischen<lb/> Partei begünstigt hat, welche, wenn nicht geradezu feindlich gegen Preußen<lb/> gesinnt ist, doch wenigstens ihre staatlichen und bürgerlichen Pflichten alls-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0047]
minder der herrschenden Freiheitsliebe huldigen, steht das Stichwort: Freiheit der
Kirche obenan. Die Ultramontanen, denen jedes Mittel recht ist. welches zum
Zwecke führt, stimmten in den allgemeinen Ruf nach Freiheit ein und be¬
gehrten die Freiheit auch für sich. d. h. für die Kirche. Da aber nach römi¬
schen Begriffen der Träger der Kirche unzweifelhaft die Hierarchie ist. so beißt
Freiheit der Kirche im ultramontanen Munde nichts Anderes als Bevollmäch¬
tigung der Hierarchie, nach Gutdünken über ihre Untergebenen zu verfügen.
Wir reden hier nicht von der Beeinträchtigung, welche dadurch der Staat
und die evangelische Kirche erleiden. Uns kommt es hauptsächlich auf dre
Beeinträchtigung an. welche den Katholiken selbst widerfährt. Indem der
Staat die Kirche frei macht, hebt er die Gewissensfreiheit der Katholiken auf.
da er ihnen den Schutz gegen hierarchische Verfolgungen entzieht, den der
Staat seinen Bürgern schuldig ist.
Im Eifer dieses Freiheitsstrebens sind von mehreren deutschen Staaten
Concordate abgeschlossen, die wie alle Concordate darauf ausgehen, das Auf¬
sichtsrecht des Staats über das Kirchenregiment entweder aufzuheben oder
möglichst einzuschränken, und einen Staat im Staate einzurichten, dessen eigent¬
liches Oberhaupt in Rom residirt.
Am berühmtesten ist das östreichische Concordat: es ist diejenige Hand¬
lung der östreichischen Regierung, durch welche sie zuerst Europa enttäuschte
und ihm nachwies, daß Oestreich nicht vorwärts, sondern rückwärts gegangen
sei. Der allgemeine Unwille, den diese Maßregel im östreichischen Volk er¬
regte, schien es im höchsten Grade unwahrscheinlich zu machen, daß andere
Regierungen diesem Beispiel folgen würden; und doch ist es sogar von pro¬
testantischen Regierungen geschehen: so geschickt weiß Rom jede Zeitströmung
für sich auszubeuten.
Glücklicherweise ist das Unheil, welches das Concordat über das süd¬
westliche Deutschland verbreitet haben würde, durch den einmüthigcn Wider-
stand der Bevölkerung abgewendet worden, und die gegenwärtige Bewegung
in Oestreich wird voraussichtlich zu demselben Ziele führen. Oestreich muß
um jeden Preis mit seinen Völkern Frieden schließen, und es ist nicht mehr
daran zu zweifeln, daß diesem Frieden das Concordat zum Opfer fallen muß.
Von den Vortheilen, die sich die Regierung versprach, ist keiner eingetroffen,
und die Finanznoth wird mit unerbittlicher Nothwendigkeit zu Maßregeln
drängen, die mit dem Concordat unvereinbar sind.
Es wird vielleicht Vielen nicht mehr erinnerlich sein, daß wir uns in Preu¬
ßen gleichfalls eines Concordats erfreuen, welches in den dreißiger Jahren zu
sehr bedenklichen Conflicten geführt und neuerdings die Bildung einer politischen
Partei begünstigt hat, welche, wenn nicht geradezu feindlich gegen Preußen
gesinnt ist, doch wenigstens ihre staatlichen und bürgerlichen Pflichten alls-
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