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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band.

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Der Schluß des preußischen Landtags.

Der Eindruck, den der scheidende Landtag hinterläßt, ist durchweg ein
niederschlagender. Er hat nicht die Hoffnungen erfüllt, die man vor drei
Jahren hegte: >-- darüber ist Alles einig; eine andere Frage aber ist, wie
weit man ihm die Schuld dieser Enttäuschung aufbürden darf? Und hier scheint
uns um so nöthiger eine Grenze zu stecken, da bereits mehre Blätter die bis¬
herige Majorität des Landtags mit Vorwürfen überhäufen, als ob es nur
an ihr gelegen habe, ein besseres Resultat hervorzubringen.

In folgenden Punkten scheint uns der unbehagliche Eindruck des Publi-
cums gerechtfertigt zu sein.

Einmal hat der Landtag keine wahrhaft productive Kraft zum Vorschein
gebracht, auf ti'e man die Hoffnung einer bessern Zukunft gründen konnte.
Es hat sich kein Staatsmann gezeigt, in dem die beiden nothwendigen Eigen¬
schaften, Entschlossenheit und kluge Umsicht, in gleichem Maaß vereinigt wären;
nicht in der Majorität, aber auch nicht in einer der Minoritäten. Alle Ach¬
tung vor dem guten Willen, dem Patriotismus und den Talenten der Herrn
Behrens, Forkenbeck, Waldeck u. s. w., aber auch in ihrer Reihe suchen
wir den Mann der Zukunft vergebens. Ihr Bestreben, bestehende Mißbräuche
hervorzuheben, damit sie abgestellt werden, und künftigen Mißbräuchen vorzu¬
beugen, ist sehr löblich; aber es genügt noch lange nicht, um Preußen wirklich
vorwärts zu bringen. Was den Ministern fehlt ist die Initiative, oder, mit
andern Worten, die productive Kraft; und diese wird durch keine der Fractionen
des Landtags ergänzt.

Denn man bedenke nur, was Initiative heißt! Gute Einfälle, laut und
nachdrücklich ausgesprochen, thun es noch nicht; es kommt auch darauf an,
sie durchzusetzen. Preußen ist ein monarchischer Staat, die Persönlichkeit des
Monarchen im vollsten Sinn maßgebend; von einer Initiative ist also keine
Rede, solange man keinen Hebel findet auf diese Persönlichkeit zu wirken-
Die Minister haben die Aufgabe, dem König, der nicht in allen Zweigen der
Politik zu Hause sein kann, den Zusammenhang klar zu machen, und mit un¬
ermüdlicher Ausdauer das, was nothwendig ist, als nothwendig darzustellen.
Diese Pflicht scheint von den gegenwärtigen Mimstern in einer für Preußen
höchst bedenklichen Art versäumt zu sein; ist aber die Haltung, welche die
neue Linke einnimmt, geeignet darin etwas zu bessern? Man denke doch
ran, daß sich für den König an das Jahr 1848 eine sehr persönliche Er-


Der Schluß des preußischen Landtags.

Der Eindruck, den der scheidende Landtag hinterläßt, ist durchweg ein
niederschlagender. Er hat nicht die Hoffnungen erfüllt, die man vor drei
Jahren hegte: >— darüber ist Alles einig; eine andere Frage aber ist, wie
weit man ihm die Schuld dieser Enttäuschung aufbürden darf? Und hier scheint
uns um so nöthiger eine Grenze zu stecken, da bereits mehre Blätter die bis¬
herige Majorität des Landtags mit Vorwürfen überhäufen, als ob es nur
an ihr gelegen habe, ein besseres Resultat hervorzubringen.

In folgenden Punkten scheint uns der unbehagliche Eindruck des Publi-
cums gerechtfertigt zu sein.

Einmal hat der Landtag keine wahrhaft productive Kraft zum Vorschein
gebracht, auf ti'e man die Hoffnung einer bessern Zukunft gründen konnte.
Es hat sich kein Staatsmann gezeigt, in dem die beiden nothwendigen Eigen¬
schaften, Entschlossenheit und kluge Umsicht, in gleichem Maaß vereinigt wären;
nicht in der Majorität, aber auch nicht in einer der Minoritäten. Alle Ach¬
tung vor dem guten Willen, dem Patriotismus und den Talenten der Herrn
Behrens, Forkenbeck, Waldeck u. s. w., aber auch in ihrer Reihe suchen
wir den Mann der Zukunft vergebens. Ihr Bestreben, bestehende Mißbräuche
hervorzuheben, damit sie abgestellt werden, und künftigen Mißbräuchen vorzu¬
beugen, ist sehr löblich; aber es genügt noch lange nicht, um Preußen wirklich
vorwärts zu bringen. Was den Ministern fehlt ist die Initiative, oder, mit
andern Worten, die productive Kraft; und diese wird durch keine der Fractionen
des Landtags ergänzt.

Denn man bedenke nur, was Initiative heißt! Gute Einfälle, laut und
nachdrücklich ausgesprochen, thun es noch nicht; es kommt auch darauf an,
sie durchzusetzen. Preußen ist ein monarchischer Staat, die Persönlichkeit des
Monarchen im vollsten Sinn maßgebend; von einer Initiative ist also keine
Rede, solange man keinen Hebel findet auf diese Persönlichkeit zu wirken-
Die Minister haben die Aufgabe, dem König, der nicht in allen Zweigen der
Politik zu Hause sein kann, den Zusammenhang klar zu machen, und mit un¬
ermüdlicher Ausdauer das, was nothwendig ist, als nothwendig darzustellen.
Diese Pflicht scheint von den gegenwärtigen Mimstern in einer für Preußen
höchst bedenklichen Art versäumt zu sein; ist aber die Haltung, welche die
neue Linke einnimmt, geeignet darin etwas zu bessern? Man denke doch
ran, daß sich für den König an das Jahr 1848 eine sehr persönliche Er-


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[0462] Der Schluß des preußischen Landtags. Der Eindruck, den der scheidende Landtag hinterläßt, ist durchweg ein niederschlagender. Er hat nicht die Hoffnungen erfüllt, die man vor drei Jahren hegte: >— darüber ist Alles einig; eine andere Frage aber ist, wie weit man ihm die Schuld dieser Enttäuschung aufbürden darf? Und hier scheint uns um so nöthiger eine Grenze zu stecken, da bereits mehre Blätter die bis¬ herige Majorität des Landtags mit Vorwürfen überhäufen, als ob es nur an ihr gelegen habe, ein besseres Resultat hervorzubringen. In folgenden Punkten scheint uns der unbehagliche Eindruck des Publi- cums gerechtfertigt zu sein. Einmal hat der Landtag keine wahrhaft productive Kraft zum Vorschein gebracht, auf ti'e man die Hoffnung einer bessern Zukunft gründen konnte. Es hat sich kein Staatsmann gezeigt, in dem die beiden nothwendigen Eigen¬ schaften, Entschlossenheit und kluge Umsicht, in gleichem Maaß vereinigt wären; nicht in der Majorität, aber auch nicht in einer der Minoritäten. Alle Ach¬ tung vor dem guten Willen, dem Patriotismus und den Talenten der Herrn Behrens, Forkenbeck, Waldeck u. s. w., aber auch in ihrer Reihe suchen wir den Mann der Zukunft vergebens. Ihr Bestreben, bestehende Mißbräuche hervorzuheben, damit sie abgestellt werden, und künftigen Mißbräuchen vorzu¬ beugen, ist sehr löblich; aber es genügt noch lange nicht, um Preußen wirklich vorwärts zu bringen. Was den Ministern fehlt ist die Initiative, oder, mit andern Worten, die productive Kraft; und diese wird durch keine der Fractionen des Landtags ergänzt. Denn man bedenke nur, was Initiative heißt! Gute Einfälle, laut und nachdrücklich ausgesprochen, thun es noch nicht; es kommt auch darauf an, sie durchzusetzen. Preußen ist ein monarchischer Staat, die Persönlichkeit des Monarchen im vollsten Sinn maßgebend; von einer Initiative ist also keine Rede, solange man keinen Hebel findet auf diese Persönlichkeit zu wirken- Die Minister haben die Aufgabe, dem König, der nicht in allen Zweigen der Politik zu Hause sein kann, den Zusammenhang klar zu machen, und mit un¬ ermüdlicher Ausdauer das, was nothwendig ist, als nothwendig darzustellen. Diese Pflicht scheint von den gegenwärtigen Mimstern in einer für Preußen höchst bedenklichen Art versäumt zu sein; ist aber die Haltung, welche die neue Linke einnimmt, geeignet darin etwas zu bessern? Man denke doch ran, daß sich für den König an das Jahr 1848 eine sehr persönliche Er-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111431/462>, abgerufen am 25.08.2024.