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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band.

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die Häuserzeilen stehen nicht weniger als dreihundert Fuß von einander, und
die in der Mitte den Fahrweg beschattenden beiden Baumreihen werden viel¬
leicht nie. jedenfalls erst in sehr später Zeit ihre Wipfel soweit ausbreiten,
daß der Eindruck der Leere hier einigermaßen gemildert wird. Das Irrige
dieser Raumverschwendung wurde erst bemerkt, als es zu spät war. Um der
Breite der Straße zu entsprechen, müßten die Häuser wenigstens zehn Stock-
werke haben, während sie meist nicht höher sind als drei. Dazu kommt, daß
die stete Ausbesserung der Avenue sehr beträchtliche Kosten verursacht, und da
dieselbe der Stolz Washingtons, dessen Triumph- und Processionsstraße, dessen
"heilige Straße" ist, so wird zu ihren Gunsten alles Uebrige vernachlässigt.
Nur wenige der andern Straßen sind gepflastert, und so sind die meisten mit
Ausnahme ihrer breiten Backsteintrottoirs bei schlechtem Wetter zu Fuß kaum
zu passiren.

Von den öffentlichen Gebäuden sind fast nur die. welche der Regierung
gehören, der Erwähnung werth. Die 40 oder 50 Kirchen sind weder groß
noch schön, und nur die Cityhall oder das Rathhaus kann auf beide Eigen¬
schaften einigen Anspruch machen. Letzteres steht in einer der Straßen, die
von Westen in die Avenue einmünden. Etwas weiter westlich treffen wir das
Gencralpostamt, ein aus weißem Marmor in classischem Geschmack ausgeführ¬
tes Gebäude, welches eines der schönsten der Stadt ist, dessen Wirkung aber
seiner ungünstigen Lage wegen großentheils verloren geht. Nördlich von hier
befindet sich das Patentamt, ein imposanter Bau, mit einem massiven do¬
rischen Gang in der Mitte, zu dem man auf einer breiten Treppe empor¬
steigt. Weiter westlich am Ende der nächsten mit der Pennsylvania-Avenue
Parallel laufenden Straße, treffen wir die Treasury oder Schatzkammer, ein
Gebäude, dessen östliche Front mit ihren 42 jonischen Säulen eine der läng¬
sten Colonnaden der Welt zeigt. Alle diese Gebäude haben großartige und
gefällige Proportionen, die Vertheilung der Säulen und die ganze Arbeit an
ihnen zeugt vom besten Geschmack, und es ist nur das Eine zu bedauern, daß
sie zu weit von einander entfernt sind, um ein Ensemble zu bilden.

Nicht fern von hier sodann steht auf einer Bodenerhebung, von wo man
eine hübsche Aussicht auf den Potomac hat, umgeben von Grasplätzen, an¬
muthigen Büschen und hohen Bäumen, die Wohnung des Präsidenten, ein
zweistöckiger, nicht sehr großer, aber geschmackvoller Palast aus weißen Steinen.
Im Viereck um denselben herum liegen in einiger Entfernung die vier Gebäude,
welche die Ministerien enthalten: die schon erwähnte Treasury oder das Finanz¬
ministerium, das Departement des Auswärtigen und die Departements des
Kriegs und der Marine, letztere drei einfache Backsteingebüude mit blaß-
blauem Anstrich. Auch erhebt sich hier das Denkmal Washingtons.

Kehren wir vom weißen Hause über die Pennsylvania-Avenue nach dem


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die Häuserzeilen stehen nicht weniger als dreihundert Fuß von einander, und
die in der Mitte den Fahrweg beschattenden beiden Baumreihen werden viel¬
leicht nie. jedenfalls erst in sehr später Zeit ihre Wipfel soweit ausbreiten,
daß der Eindruck der Leere hier einigermaßen gemildert wird. Das Irrige
dieser Raumverschwendung wurde erst bemerkt, als es zu spät war. Um der
Breite der Straße zu entsprechen, müßten die Häuser wenigstens zehn Stock-
werke haben, während sie meist nicht höher sind als drei. Dazu kommt, daß
die stete Ausbesserung der Avenue sehr beträchtliche Kosten verursacht, und da
dieselbe der Stolz Washingtons, dessen Triumph- und Processionsstraße, dessen
„heilige Straße" ist, so wird zu ihren Gunsten alles Uebrige vernachlässigt.
Nur wenige der andern Straßen sind gepflastert, und so sind die meisten mit
Ausnahme ihrer breiten Backsteintrottoirs bei schlechtem Wetter zu Fuß kaum
zu passiren.

Von den öffentlichen Gebäuden sind fast nur die. welche der Regierung
gehören, der Erwähnung werth. Die 40 oder 50 Kirchen sind weder groß
noch schön, und nur die Cityhall oder das Rathhaus kann auf beide Eigen¬
schaften einigen Anspruch machen. Letzteres steht in einer der Straßen, die
von Westen in die Avenue einmünden. Etwas weiter westlich treffen wir das
Gencralpostamt, ein aus weißem Marmor in classischem Geschmack ausgeführ¬
tes Gebäude, welches eines der schönsten der Stadt ist, dessen Wirkung aber
seiner ungünstigen Lage wegen großentheils verloren geht. Nördlich von hier
befindet sich das Patentamt, ein imposanter Bau, mit einem massiven do¬
rischen Gang in der Mitte, zu dem man auf einer breiten Treppe empor¬
steigt. Weiter westlich am Ende der nächsten mit der Pennsylvania-Avenue
Parallel laufenden Straße, treffen wir die Treasury oder Schatzkammer, ein
Gebäude, dessen östliche Front mit ihren 42 jonischen Säulen eine der läng¬
sten Colonnaden der Welt zeigt. Alle diese Gebäude haben großartige und
gefällige Proportionen, die Vertheilung der Säulen und die ganze Arbeit an
ihnen zeugt vom besten Geschmack, und es ist nur das Eine zu bedauern, daß
sie zu weit von einander entfernt sind, um ein Ensemble zu bilden.

Nicht fern von hier sodann steht auf einer Bodenerhebung, von wo man
eine hübsche Aussicht auf den Potomac hat, umgeben von Grasplätzen, an¬
muthigen Büschen und hohen Bäumen, die Wohnung des Präsidenten, ein
zweistöckiger, nicht sehr großer, aber geschmackvoller Palast aus weißen Steinen.
Im Viereck um denselben herum liegen in einiger Entfernung die vier Gebäude,
welche die Ministerien enthalten: die schon erwähnte Treasury oder das Finanz¬
ministerium, das Departement des Auswärtigen und die Departements des
Kriegs und der Marine, letztere drei einfache Backsteingebüude mit blaß-
blauem Anstrich. Auch erhebt sich hier das Denkmal Washingtons.

Kehren wir vom weißen Hause über die Pennsylvania-Avenue nach dem


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[0421] die Häuserzeilen stehen nicht weniger als dreihundert Fuß von einander, und die in der Mitte den Fahrweg beschattenden beiden Baumreihen werden viel¬ leicht nie. jedenfalls erst in sehr später Zeit ihre Wipfel soweit ausbreiten, daß der Eindruck der Leere hier einigermaßen gemildert wird. Das Irrige dieser Raumverschwendung wurde erst bemerkt, als es zu spät war. Um der Breite der Straße zu entsprechen, müßten die Häuser wenigstens zehn Stock- werke haben, während sie meist nicht höher sind als drei. Dazu kommt, daß die stete Ausbesserung der Avenue sehr beträchtliche Kosten verursacht, und da dieselbe der Stolz Washingtons, dessen Triumph- und Processionsstraße, dessen „heilige Straße" ist, so wird zu ihren Gunsten alles Uebrige vernachlässigt. Nur wenige der andern Straßen sind gepflastert, und so sind die meisten mit Ausnahme ihrer breiten Backsteintrottoirs bei schlechtem Wetter zu Fuß kaum zu passiren. Von den öffentlichen Gebäuden sind fast nur die. welche der Regierung gehören, der Erwähnung werth. Die 40 oder 50 Kirchen sind weder groß noch schön, und nur die Cityhall oder das Rathhaus kann auf beide Eigen¬ schaften einigen Anspruch machen. Letzteres steht in einer der Straßen, die von Westen in die Avenue einmünden. Etwas weiter westlich treffen wir das Gencralpostamt, ein aus weißem Marmor in classischem Geschmack ausgeführ¬ tes Gebäude, welches eines der schönsten der Stadt ist, dessen Wirkung aber seiner ungünstigen Lage wegen großentheils verloren geht. Nördlich von hier befindet sich das Patentamt, ein imposanter Bau, mit einem massiven do¬ rischen Gang in der Mitte, zu dem man auf einer breiten Treppe empor¬ steigt. Weiter westlich am Ende der nächsten mit der Pennsylvania-Avenue Parallel laufenden Straße, treffen wir die Treasury oder Schatzkammer, ein Gebäude, dessen östliche Front mit ihren 42 jonischen Säulen eine der läng¬ sten Colonnaden der Welt zeigt. Alle diese Gebäude haben großartige und gefällige Proportionen, die Vertheilung der Säulen und die ganze Arbeit an ihnen zeugt vom besten Geschmack, und es ist nur das Eine zu bedauern, daß sie zu weit von einander entfernt sind, um ein Ensemble zu bilden. Nicht fern von hier sodann steht auf einer Bodenerhebung, von wo man eine hübsche Aussicht auf den Potomac hat, umgeben von Grasplätzen, an¬ muthigen Büschen und hohen Bäumen, die Wohnung des Präsidenten, ein zweistöckiger, nicht sehr großer, aber geschmackvoller Palast aus weißen Steinen. Im Viereck um denselben herum liegen in einiger Entfernung die vier Gebäude, welche die Ministerien enthalten: die schon erwähnte Treasury oder das Finanz¬ ministerium, das Departement des Auswärtigen und die Departements des Kriegs und der Marine, letztere drei einfache Backsteingebüude mit blaß- blauem Anstrich. Auch erhebt sich hier das Denkmal Washingtons. Kehren wir vom weißen Hause über die Pennsylvania-Avenue nach dem 52*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111431/421>, abgerufen am 19.10.2024.