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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band.

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Wir hatten während dieses Gesprächs die äußerste Spitze der Terrasse am
Meer erreicht und freuten uns mit einander des herrlichen Farbenspiels, wel¬
ches der Abend in dieser Gegend darbot. Wie Schim erschien der Vesuv, die
See mit den weißen Segelschwünen auf ihrer Fluth. das graublau im Abend¬
gold schwimmende Capri! Lange schon hatten die Vesperglocken geläutet.
Die Dunkelheit brach herein, aber nicht eher verließen wir den Garten, als
bis der Wächter uns, mahnte, daß derselbe geschlossen werden sollte. B. schlug
vor, ins Theater zu gehen. Ich willigte ein. Aus das gewöhnliche "IIv"
fuhr ein Fiacre vor die Gartenthür, und schlug den kurzen Weg nach dem
Teatro San Carlo ein.

Die "Platea" entspricht ungefähr dem Parterre in Deutschland. Ehe¬
mals, sagte man mir, war sie nur für Zeus <Z<z <zag,1it6 geöffnet. Jept trug
sie das Gepräge einer gewissen republikanischen Gleichheit: rothe Hemden und
rothe Mützen überall. Auch der Ton. der hier herrschte, war nicht von der
feinsten Sorte. Der erste Act einer Oper war zu Ende, als sich ein lautes
Geheul hören ließ, welches immer wilder wurde. Ich glaubte, dasselbe gelte
einem der Schauspieler und sah meinen Begleiter fragend an. "Mau hat
l'Juno verlangt, die Garibaldihymne." erklärte er. Der Orchesterdirigent
klopfte auf sein Pult, einige Takte wurden gespielt, und es drank ein brausen¬
der Beifallssturm los. Das Lied wurde dann ganz gespielt und vom Pu-
blicum mitgesungen. 1859 verfaßt und componirt ist es die Marseillaise der
annectirten Theile Italiens geworden und zugleich eine Huldigungs-Hymne
an ihren Heros. Die beklatschten Stellen enthielten im Texte die Worte:
"^1 al-mi, al armi!" (zu den Waffen, zu den Waffen). Die Musik ist schön
und dem Charakter des Liedes und des Volkes entsprechend. Als der Vorhang
zum letzten Mal siel, mußte das Orchester wiederum dem Willen des Publi-
cums nachgeben und l'Juno aufspielen.

Wie viele Tage machen eigentlich einige Tage, dachte ich eines Morgens,
als der Cameriere mit seinem buon Ziorno, Lignor, den Kaffee brachte und
mich wohlgefällig ansah wegen der Lobsprüche, die ich ihm wegen der Vor¬
züglichkeit seines Mokka's ertheilte.

Wie viele Tage machen eigentlich einige Tage? Es müssen mehr als ein
Paar sein, das scheint ausgemacht. Können drei hinreichen? Die Zahl wurde
als genügend befunden. Ich stand auf, um mich für den Besuch bei Neapels
Gouverneur vorzubereiten. Es war der Morgen des vierten Tages seit mei¬
nem letzten Besuche. Um nicht zu spät zu kommen, stand ich schon halb 9
Uhr in dem Vorzimmer. xai'dito, Ligirvr." ..Kommt er heute wieder?"
"Non K", Lignor." -- Diese verwünschten Italiener finden ein wahres Ver¬
gnügen darin, einem immer etwas Negatives in's Gesicht zu schleudern. Ver¬
drießlich machte ich mich auf den Heimweg. Aber während ich an einem


Wir hatten während dieses Gesprächs die äußerste Spitze der Terrasse am
Meer erreicht und freuten uns mit einander des herrlichen Farbenspiels, wel¬
ches der Abend in dieser Gegend darbot. Wie Schim erschien der Vesuv, die
See mit den weißen Segelschwünen auf ihrer Fluth. das graublau im Abend¬
gold schwimmende Capri! Lange schon hatten die Vesperglocken geläutet.
Die Dunkelheit brach herein, aber nicht eher verließen wir den Garten, als
bis der Wächter uns, mahnte, daß derselbe geschlossen werden sollte. B. schlug
vor, ins Theater zu gehen. Ich willigte ein. Aus das gewöhnliche „IIv"
fuhr ein Fiacre vor die Gartenthür, und schlug den kurzen Weg nach dem
Teatro San Carlo ein.

Die „Platea" entspricht ungefähr dem Parterre in Deutschland. Ehe¬
mals, sagte man mir, war sie nur für Zeus <Z<z <zag,1it6 geöffnet. Jept trug
sie das Gepräge einer gewissen republikanischen Gleichheit: rothe Hemden und
rothe Mützen überall. Auch der Ton. der hier herrschte, war nicht von der
feinsten Sorte. Der erste Act einer Oper war zu Ende, als sich ein lautes
Geheul hören ließ, welches immer wilder wurde. Ich glaubte, dasselbe gelte
einem der Schauspieler und sah meinen Begleiter fragend an. „Mau hat
l'Juno verlangt, die Garibaldihymne." erklärte er. Der Orchesterdirigent
klopfte auf sein Pult, einige Takte wurden gespielt, und es drank ein brausen¬
der Beifallssturm los. Das Lied wurde dann ganz gespielt und vom Pu-
blicum mitgesungen. 1859 verfaßt und componirt ist es die Marseillaise der
annectirten Theile Italiens geworden und zugleich eine Huldigungs-Hymne
an ihren Heros. Die beklatschten Stellen enthielten im Texte die Worte:
„^1 al-mi, al armi!" (zu den Waffen, zu den Waffen). Die Musik ist schön
und dem Charakter des Liedes und des Volkes entsprechend. Als der Vorhang
zum letzten Mal siel, mußte das Orchester wiederum dem Willen des Publi-
cums nachgeben und l'Juno aufspielen.

Wie viele Tage machen eigentlich einige Tage, dachte ich eines Morgens,
als der Cameriere mit seinem buon Ziorno, Lignor, den Kaffee brachte und
mich wohlgefällig ansah wegen der Lobsprüche, die ich ihm wegen der Vor¬
züglichkeit seines Mokka's ertheilte.

Wie viele Tage machen eigentlich einige Tage? Es müssen mehr als ein
Paar sein, das scheint ausgemacht. Können drei hinreichen? Die Zahl wurde
als genügend befunden. Ich stand auf, um mich für den Besuch bei Neapels
Gouverneur vorzubereiten. Es war der Morgen des vierten Tages seit mei¬
nem letzten Besuche. Um nicht zu spät zu kommen, stand ich schon halb 9
Uhr in dem Vorzimmer. xai'dito, Ligirvr." ..Kommt er heute wieder?"
„Non K«, Lignor." — Diese verwünschten Italiener finden ein wahres Ver¬
gnügen darin, einem immer etwas Negatives in's Gesicht zu schleudern. Ver¬
drießlich machte ich mich auf den Heimweg. Aber während ich an einem


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[0404] Wir hatten während dieses Gesprächs die äußerste Spitze der Terrasse am Meer erreicht und freuten uns mit einander des herrlichen Farbenspiels, wel¬ ches der Abend in dieser Gegend darbot. Wie Schim erschien der Vesuv, die See mit den weißen Segelschwünen auf ihrer Fluth. das graublau im Abend¬ gold schwimmende Capri! Lange schon hatten die Vesperglocken geläutet. Die Dunkelheit brach herein, aber nicht eher verließen wir den Garten, als bis der Wächter uns, mahnte, daß derselbe geschlossen werden sollte. B. schlug vor, ins Theater zu gehen. Ich willigte ein. Aus das gewöhnliche „IIv" fuhr ein Fiacre vor die Gartenthür, und schlug den kurzen Weg nach dem Teatro San Carlo ein. Die „Platea" entspricht ungefähr dem Parterre in Deutschland. Ehe¬ mals, sagte man mir, war sie nur für Zeus <Z<z <zag,1it6 geöffnet. Jept trug sie das Gepräge einer gewissen republikanischen Gleichheit: rothe Hemden und rothe Mützen überall. Auch der Ton. der hier herrschte, war nicht von der feinsten Sorte. Der erste Act einer Oper war zu Ende, als sich ein lautes Geheul hören ließ, welches immer wilder wurde. Ich glaubte, dasselbe gelte einem der Schauspieler und sah meinen Begleiter fragend an. „Mau hat l'Juno verlangt, die Garibaldihymne." erklärte er. Der Orchesterdirigent klopfte auf sein Pult, einige Takte wurden gespielt, und es drank ein brausen¬ der Beifallssturm los. Das Lied wurde dann ganz gespielt und vom Pu- blicum mitgesungen. 1859 verfaßt und componirt ist es die Marseillaise der annectirten Theile Italiens geworden und zugleich eine Huldigungs-Hymne an ihren Heros. Die beklatschten Stellen enthielten im Texte die Worte: „^1 al-mi, al armi!" (zu den Waffen, zu den Waffen). Die Musik ist schön und dem Charakter des Liedes und des Volkes entsprechend. Als der Vorhang zum letzten Mal siel, mußte das Orchester wiederum dem Willen des Publi- cums nachgeben und l'Juno aufspielen. Wie viele Tage machen eigentlich einige Tage, dachte ich eines Morgens, als der Cameriere mit seinem buon Ziorno, Lignor, den Kaffee brachte und mich wohlgefällig ansah wegen der Lobsprüche, die ich ihm wegen der Vor¬ züglichkeit seines Mokka's ertheilte. Wie viele Tage machen eigentlich einige Tage? Es müssen mehr als ein Paar sein, das scheint ausgemacht. Können drei hinreichen? Die Zahl wurde als genügend befunden. Ich stand auf, um mich für den Besuch bei Neapels Gouverneur vorzubereiten. Es war der Morgen des vierten Tages seit mei¬ nem letzten Besuche. Um nicht zu spät zu kommen, stand ich schon halb 9 Uhr in dem Vorzimmer. xai'dito, Ligirvr." ..Kommt er heute wieder?" „Non K«, Lignor." — Diese verwünschten Italiener finden ein wahres Ver¬ gnügen darin, einem immer etwas Negatives in's Gesicht zu schleudern. Ver¬ drießlich machte ich mich auf den Heimweg. Aber während ich an einem

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111431/404>, abgerufen am 24.08.2024.