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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band.

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recht etwas darauf zu Gute thut, noch Hegel selbst gehört zu haben. Er ist
ein beliebter Schriftsteller. Für die allgemeine Geschichte ist v. Walewski be¬
stimmt, dessen wir schon oben erwähnten. Er gehörte der polnischen Emigra¬
tion an, hat sich in Frankreich aufgehalten und ließ sich als kostbare Perle
vom Grafen Thun entdecken. Seine totale wissenschaftliche Unfähigkeit, um
nicht zu sagen Narrheit, hat er durch ein vor drei Jahren erschienenes, u. a.
im literarischen Centralblatt besprochenes Werk über Oestreich bewiesen. Der
erste, bis jetzt herausgekommene Theil beginnt mit Adam und schließt mit
Philipp von Macedonien. Erst im verflossenen Jahre wurde Wechholz als
Professor der östreichischen Geschichte von Lemberg nach Krakau versetzt, ein
Galizier. Die Philologie ist bis jetzt durch die beiden Deutschen July und
Linker vertreten. Zu ihrem Ersatz wurde nach mehreren anderen Experimenten
ein gewisser P.. Gymnasiallehrer der Geschichte in Posen vorgeschlagen, der
seine philologischen Kenntnisse durch Einreichung -- Böckh'scher Collegienhefte
nachwies.

Mit den Namen des Mathematikers. Physikers und des Chemikers sollen
die Leser der Grenzboten nicht behelligt werden. Der Botaniker Czerwiakowski
studirte zu Meyers Zeiten in Berlin und ist hinter der neueren wissenschaftli¬
che" Entwicklung der Botanik zurückgeblieben, was nicht hindert, daß seine
Landsleute ihm auch noch die Zoologie zu übertragen im Begriff' sind. Um
die Nachfolge des bekannten talentvollen Mineralogen v. Zepharovich, eines
Wieners, candidiren Mehrere, darunter der Krakauer Advocat Akts, ein ge¬
schickter Geognost, der jedoch ebensowenig wie der frühere Assistent Culski
an einer deutschen Universität eine Professur beanspruchen könnte.

Die Eroberungen der deutschen Wissenschaft hängen nicht von örtlichen
Beschränkungen ab. Man mag in Krakau, wie in Pesth, gegen ihre Träger
mit Absetzung wüthen, so schafft man damit weder eine polnische noch eine
ungarische Wissenschaft.

Aus unsern Anführungen geht wol hervor, daß die deutschen Hochschulen
vor der Hand die Schwesterschaft und Ebenbürtigkeit Krakaus abzulehnen haben.
Gegen unsere deutschen College", welche auf die Stunde harren, wo sie Krakau
den Rücken kehren, hat die Regierung schon deshalb, weil sie jahrelang unter
den schwierigsten Verhältnissen ihren exponirten Posten behauptet, die bindendsten
Verpflichtungen. Wir zweifeln keinen Augenblick, daß zunächst wenigstens ihre
materielle Existenz gesichert sein wird und daß die meisten in Bälde an den
übrigen östreichischen Universitäten untergebracht sein werden.




recht etwas darauf zu Gute thut, noch Hegel selbst gehört zu haben. Er ist
ein beliebter Schriftsteller. Für die allgemeine Geschichte ist v. Walewski be¬
stimmt, dessen wir schon oben erwähnten. Er gehörte der polnischen Emigra¬
tion an, hat sich in Frankreich aufgehalten und ließ sich als kostbare Perle
vom Grafen Thun entdecken. Seine totale wissenschaftliche Unfähigkeit, um
nicht zu sagen Narrheit, hat er durch ein vor drei Jahren erschienenes, u. a.
im literarischen Centralblatt besprochenes Werk über Oestreich bewiesen. Der
erste, bis jetzt herausgekommene Theil beginnt mit Adam und schließt mit
Philipp von Macedonien. Erst im verflossenen Jahre wurde Wechholz als
Professor der östreichischen Geschichte von Lemberg nach Krakau versetzt, ein
Galizier. Die Philologie ist bis jetzt durch die beiden Deutschen July und
Linker vertreten. Zu ihrem Ersatz wurde nach mehreren anderen Experimenten
ein gewisser P.. Gymnasiallehrer der Geschichte in Posen vorgeschlagen, der
seine philologischen Kenntnisse durch Einreichung — Böckh'scher Collegienhefte
nachwies.

Mit den Namen des Mathematikers. Physikers und des Chemikers sollen
die Leser der Grenzboten nicht behelligt werden. Der Botaniker Czerwiakowski
studirte zu Meyers Zeiten in Berlin und ist hinter der neueren wissenschaftli¬
che« Entwicklung der Botanik zurückgeblieben, was nicht hindert, daß seine
Landsleute ihm auch noch die Zoologie zu übertragen im Begriff' sind. Um
die Nachfolge des bekannten talentvollen Mineralogen v. Zepharovich, eines
Wieners, candidiren Mehrere, darunter der Krakauer Advocat Akts, ein ge¬
schickter Geognost, der jedoch ebensowenig wie der frühere Assistent Culski
an einer deutschen Universität eine Professur beanspruchen könnte.

Die Eroberungen der deutschen Wissenschaft hängen nicht von örtlichen
Beschränkungen ab. Man mag in Krakau, wie in Pesth, gegen ihre Träger
mit Absetzung wüthen, so schafft man damit weder eine polnische noch eine
ungarische Wissenschaft.

Aus unsern Anführungen geht wol hervor, daß die deutschen Hochschulen
vor der Hand die Schwesterschaft und Ebenbürtigkeit Krakaus abzulehnen haben.
Gegen unsere deutschen College», welche auf die Stunde harren, wo sie Krakau
den Rücken kehren, hat die Regierung schon deshalb, weil sie jahrelang unter
den schwierigsten Verhältnissen ihren exponirten Posten behauptet, die bindendsten
Verpflichtungen. Wir zweifeln keinen Augenblick, daß zunächst wenigstens ihre
materielle Existenz gesichert sein wird und daß die meisten in Bälde an den
übrigen östreichischen Universitäten untergebracht sein werden.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111431/40>, abgerufen am 03.07.2024.