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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band.

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ihnen in Allein nachthun. Wie jene die Gläser, so lassen diese die Piper im
Kreise herumgehen und trinken einander mit Schmauch-Wettstreit zu, Dutzend¬
weis, nicht auf Gesundheit ihrer Liebsten; denn diese Stinker haben keinen
Platz beim Frauenzimmer, sondern aus glückliche Ankunft irgend eines spani¬
schen oder englischen Schiffes, das mit Tabak beladen unterwegs ist." Die
Behauptung, daß die Frauen nichts mit Rauchern zu thun haben wollten,
scheint nicht auf alle gepaßt zu haben; denn einige der Balde'schen Trümpfe
werden auch gegen das schöne Geschlecht ausgespielt. So heißt es von den
rauchenden Frauen "wie der Rauch bei ihnen einziehet, so ziehet die Zucht
aus." und weiterhin: "Man findet Fvauenmenscher. die nicht allein statt des
Nadelöhres oder der Spindel eine Tabaksbüchse mit sich führen, sondern auch
die Pipe ansetzen und ihren glatten Mäulern einen Bart anrauchen und an¬
schmutzen." Bälde erklärte den "Meister Nauchbart" für den "stinkendsten,
schmutzigste" und ekelhaftesten Menschen, ja mehr für ein Thier als einen
Menschen", die Tabakspfeife nannte er Nouchnudel, Rauchfang, Tabakstrnnk-
gcschirr, Pipenorgelwerk, die Tabaksschnupfer wurden von ihm mit dem Titel
"Tabaksstinkcr" beehret. Bon der Dose sagt er: "Aus den Puloerhörnern la¬
den sie die Doppelhaken ihrer Nasen und schießen den ganzen Tag Bresche."
"Warum muß dieser Hügel," fragt er an einer andern Stelle, "immerfort
mit Mist gedüngt und mit dieser Nießwurz bepflanzt werden?"

, Auch dieser Polterer spectakelte vergeblich. Das Volk gewann die neue
Sitte von Jahr zu Jahr lieber, die Gelehrten und Bornehmen eigneten sie
sich gleichfalls an, und selbst unter den Fürsten fand das virginische Rauchwerk
eifrige Verehrer. Namentlich bekehrte sich der brandenburger Hof schon früh
zum Rauche". Bereits Friedrich der Dritte richtete in seinem Schloß einen
Tabatsclub ein. Weltbekannt ist das Tabaks-Collegium Friedrich Wilhelms
des Ersten, und wer könnte sich den Größten dieses Geschlechts, unsern "alten
Fritze"" denken ohne die abgegriffene und beschmutzte Westentasche, aus der
er unablässig Tabak zu schnupfen gewohnt war?

Die Franzosen lernten das Rauchen in Westindien kennen. Hier war es
auch, wo der berühmte Seeheld Jean Bart die Pfeife so lieb gewann, daß
er sich, nach Paris zurückgekehrt, nicht einmal im Theater, ja selbst nicht bei
Hofe von ihr trennen mochte. Allerdings erfolgten much in Frankreich Klagen
und Angriffe gegen das neue Kraut und seine Freunde, und eine Zeitlang
war der Verkauf desselben nur Apotheken und nur auf ärztliche Verordnung
^stattet. Aber diese Beschränkung wurde bald aufgehoben, und unter Ludwig
dem Vierzehnten wurde sogar Tabak an die Soldaten vertheilt, ja man sagte
dem Minister Lonvois nach, daß er während des Feldzugs von 1665 in Hol¬
land das Heer besser mit Tabak als mit Lebensmitteln versorgt hätte.

In Nußland hatten die Liebhaber des Rauchers und Schnupfens eine


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ihnen in Allein nachthun. Wie jene die Gläser, so lassen diese die Piper im
Kreise herumgehen und trinken einander mit Schmauch-Wettstreit zu, Dutzend¬
weis, nicht auf Gesundheit ihrer Liebsten; denn diese Stinker haben keinen
Platz beim Frauenzimmer, sondern aus glückliche Ankunft irgend eines spani¬
schen oder englischen Schiffes, das mit Tabak beladen unterwegs ist." Die
Behauptung, daß die Frauen nichts mit Rauchern zu thun haben wollten,
scheint nicht auf alle gepaßt zu haben; denn einige der Balde'schen Trümpfe
werden auch gegen das schöne Geschlecht ausgespielt. So heißt es von den
rauchenden Frauen „wie der Rauch bei ihnen einziehet, so ziehet die Zucht
aus." und weiterhin: „Man findet Fvauenmenscher. die nicht allein statt des
Nadelöhres oder der Spindel eine Tabaksbüchse mit sich führen, sondern auch
die Pipe ansetzen und ihren glatten Mäulern einen Bart anrauchen und an¬
schmutzen." Bälde erklärte den „Meister Nauchbart" für den „stinkendsten,
schmutzigste» und ekelhaftesten Menschen, ja mehr für ein Thier als einen
Menschen", die Tabakspfeife nannte er Nouchnudel, Rauchfang, Tabakstrnnk-
gcschirr, Pipenorgelwerk, die Tabaksschnupfer wurden von ihm mit dem Titel
„Tabaksstinkcr" beehret. Bon der Dose sagt er: „Aus den Puloerhörnern la¬
den sie die Doppelhaken ihrer Nasen und schießen den ganzen Tag Bresche."
„Warum muß dieser Hügel," fragt er an einer andern Stelle, „immerfort
mit Mist gedüngt und mit dieser Nießwurz bepflanzt werden?"

, Auch dieser Polterer spectakelte vergeblich. Das Volk gewann die neue
Sitte von Jahr zu Jahr lieber, die Gelehrten und Bornehmen eigneten sie
sich gleichfalls an, und selbst unter den Fürsten fand das virginische Rauchwerk
eifrige Verehrer. Namentlich bekehrte sich der brandenburger Hof schon früh
zum Rauche». Bereits Friedrich der Dritte richtete in seinem Schloß einen
Tabatsclub ein. Weltbekannt ist das Tabaks-Collegium Friedrich Wilhelms
des Ersten, und wer könnte sich den Größten dieses Geschlechts, unsern „alten
Fritze»" denken ohne die abgegriffene und beschmutzte Westentasche, aus der
er unablässig Tabak zu schnupfen gewohnt war?

Die Franzosen lernten das Rauchen in Westindien kennen. Hier war es
auch, wo der berühmte Seeheld Jean Bart die Pfeife so lieb gewann, daß
er sich, nach Paris zurückgekehrt, nicht einmal im Theater, ja selbst nicht bei
Hofe von ihr trennen mochte. Allerdings erfolgten much in Frankreich Klagen
und Angriffe gegen das neue Kraut und seine Freunde, und eine Zeitlang
war der Verkauf desselben nur Apotheken und nur auf ärztliche Verordnung
^stattet. Aber diese Beschränkung wurde bald aufgehoben, und unter Ludwig
dem Vierzehnten wurde sogar Tabak an die Soldaten vertheilt, ja man sagte
dem Minister Lonvois nach, daß er während des Feldzugs von 1665 in Hol¬
land das Heer besser mit Tabak als mit Lebensmitteln versorgt hätte.

In Nußland hatten die Liebhaber des Rauchers und Schnupfens eine


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[0389] ihnen in Allein nachthun. Wie jene die Gläser, so lassen diese die Piper im Kreise herumgehen und trinken einander mit Schmauch-Wettstreit zu, Dutzend¬ weis, nicht auf Gesundheit ihrer Liebsten; denn diese Stinker haben keinen Platz beim Frauenzimmer, sondern aus glückliche Ankunft irgend eines spani¬ schen oder englischen Schiffes, das mit Tabak beladen unterwegs ist." Die Behauptung, daß die Frauen nichts mit Rauchern zu thun haben wollten, scheint nicht auf alle gepaßt zu haben; denn einige der Balde'schen Trümpfe werden auch gegen das schöne Geschlecht ausgespielt. So heißt es von den rauchenden Frauen „wie der Rauch bei ihnen einziehet, so ziehet die Zucht aus." und weiterhin: „Man findet Fvauenmenscher. die nicht allein statt des Nadelöhres oder der Spindel eine Tabaksbüchse mit sich führen, sondern auch die Pipe ansetzen und ihren glatten Mäulern einen Bart anrauchen und an¬ schmutzen." Bälde erklärte den „Meister Nauchbart" für den „stinkendsten, schmutzigste» und ekelhaftesten Menschen, ja mehr für ein Thier als einen Menschen", die Tabakspfeife nannte er Nouchnudel, Rauchfang, Tabakstrnnk- gcschirr, Pipenorgelwerk, die Tabaksschnupfer wurden von ihm mit dem Titel „Tabaksstinkcr" beehret. Bon der Dose sagt er: „Aus den Puloerhörnern la¬ den sie die Doppelhaken ihrer Nasen und schießen den ganzen Tag Bresche." „Warum muß dieser Hügel," fragt er an einer andern Stelle, „immerfort mit Mist gedüngt und mit dieser Nießwurz bepflanzt werden?" , Auch dieser Polterer spectakelte vergeblich. Das Volk gewann die neue Sitte von Jahr zu Jahr lieber, die Gelehrten und Bornehmen eigneten sie sich gleichfalls an, und selbst unter den Fürsten fand das virginische Rauchwerk eifrige Verehrer. Namentlich bekehrte sich der brandenburger Hof schon früh zum Rauche». Bereits Friedrich der Dritte richtete in seinem Schloß einen Tabatsclub ein. Weltbekannt ist das Tabaks-Collegium Friedrich Wilhelms des Ersten, und wer könnte sich den Größten dieses Geschlechts, unsern „alten Fritze»" denken ohne die abgegriffene und beschmutzte Westentasche, aus der er unablässig Tabak zu schnupfen gewohnt war? Die Franzosen lernten das Rauchen in Westindien kennen. Hier war es auch, wo der berühmte Seeheld Jean Bart die Pfeife so lieb gewann, daß er sich, nach Paris zurückgekehrt, nicht einmal im Theater, ja selbst nicht bei Hofe von ihr trennen mochte. Allerdings erfolgten much in Frankreich Klagen und Angriffe gegen das neue Kraut und seine Freunde, und eine Zeitlang war der Verkauf desselben nur Apotheken und nur auf ärztliche Verordnung ^stattet. Aber diese Beschränkung wurde bald aufgehoben, und unter Ludwig dem Vierzehnten wurde sogar Tabak an die Soldaten vertheilt, ja man sagte dem Minister Lonvois nach, daß er während des Feldzugs von 1665 in Hol¬ land das Heer besser mit Tabak als mit Lebensmitteln versorgt hätte. In Nußland hatten die Liebhaber des Rauchers und Schnupfens eine 48"

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111431/389>, abgerufen am 24.08.2024.