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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band.

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Konsistorium abstattete, heißt es: "Christian Ledermann zu Bähungen ist ein
Säufer und Verschwender, daneben dem Tabaktrinken ergebe". Da er am
heiligen Ostertag zum Tische des Herrn gegangen, hat er den Pfarrer der¬
maßen angestunken, daß er schier nit bleiben können. Hans Kopp in Bra¬
chingen halt unordentlich Haus, sauft Thapnk, fangt Händel an und schlägt
seine Frau." Fünf Jahre später hat der Pastor besonders über das Dorf
Ottvschwanden zu klagen; er sagt: "Wenn die Bauern in der kleinen Kirche
vor dem Pfarrer sitzen und athme", geht ihm ein Gestank entgegen, daß er
meint, er müsse davon gehen." Und in einem dritten Bericht aus dem
Jahre 1K69 lesen wir: "Der Herrenmüller in Emmendigen lebt übel mit seiner
Fran, trinkt auch stetig Thabak, und wenn er in der Kirche sitzt, also keinen
trinken darf, so hat er denselben doch im Maule."

Pastor Caspar Hoffmann in Quedlinburg erklärte den Tabak für ein
seeienverderbendes Wesen und ein unmittelbares Werk des höllischen Satanas.
Ein Pfarrer rü Basel ließ sich von der Kanzel folgendermaßen vernehmen:
"Wenn ich Mäuler sehe, welche Tabak rauchen, so ist mir, als sähe ich lau¬
ter Kamine (Schornsteine) der Hölle." Der bekannte Scriver sagt in einer
Predigt unter Anderm: "Man sehe und höre es doch an, wie es an Sonn-
und Feiertagen in den Schenken und Krüger dahergehet; da füllet und über¬
füllet man sich mit diesem Getränke, und damit man immer mehr saufen könne,
macht man den Hals zur Feuermauer (Esse) und zündet dem Teufel ein Rauch-
Werk an." Der Sloane Philander von Sittenwald macht seiner Betrübniß
über das gottlose Treiben der Tabaksliebhaber noch kräftiger Luft. Er sagt:
"Als ich etliche Menschen sahe Tabak trinken, sprach der Herr zu nur Unwür¬
digen: Menschenkind, siehest du den Greuel der Verwüstung, welcher sich in
der Menschen Herz verborgen gesetzt und sich als einen Gott anbeten läßt
durch das vielfältig verdammte Tabaktrinken und Schnupfen, daran sich bald
alle Menschen durch Betrug und List des Teufels gewöhnt haben und diese"
stinkenden Tabaksgott ohne Unterschied anbeten und verehren. Merket es doch,
liebwerthe Menschen, wie ihr als Tabaksbrüder und Tabaksschwestern alle,
ja alle vom Teufel betrogen seid. Denn schauet, wie diejenige", welche allerlei
.Speisen fressen, davon sie dick und fett werden, ein Zeugniß ablegen, daß der
Bauch ihr Gott ist, so ziehet auch ihr durch dies Unkraut die Feueressenz in
euch hinein und blaset den Rauch zum Zeichen eurer Verdcnnmniß wieder zum
Munde hinaus."

Das stärkste aber, was gegen den Tabak gewettert worden ist, möchten
die oratorischen Donnerkeile sein, welche der deutsche Jesuit Jakob Bälde aus
die Köpfe und Rücken der tabakrauchenden Zeitgenossen schleuderte. Er nannte
den Tabaksgenuß und seine Folgen "die trockene Trunkenheit" und sagte unter
Anderm: "Diese Trockenen sind Affen der nassen Zechbrüder und wollen es


Konsistorium abstattete, heißt es: „Christian Ledermann zu Bähungen ist ein
Säufer und Verschwender, daneben dem Tabaktrinken ergebe». Da er am
heiligen Ostertag zum Tische des Herrn gegangen, hat er den Pfarrer der¬
maßen angestunken, daß er schier nit bleiben können. Hans Kopp in Bra¬
chingen halt unordentlich Haus, sauft Thapnk, fangt Händel an und schlägt
seine Frau." Fünf Jahre später hat der Pastor besonders über das Dorf
Ottvschwanden zu klagen; er sagt: „Wenn die Bauern in der kleinen Kirche
vor dem Pfarrer sitzen und athme», geht ihm ein Gestank entgegen, daß er
meint, er müsse davon gehen." Und in einem dritten Bericht aus dem
Jahre 1K69 lesen wir: „Der Herrenmüller in Emmendigen lebt übel mit seiner
Fran, trinkt auch stetig Thabak, und wenn er in der Kirche sitzt, also keinen
trinken darf, so hat er denselben doch im Maule."

Pastor Caspar Hoffmann in Quedlinburg erklärte den Tabak für ein
seeienverderbendes Wesen und ein unmittelbares Werk des höllischen Satanas.
Ein Pfarrer rü Basel ließ sich von der Kanzel folgendermaßen vernehmen:
„Wenn ich Mäuler sehe, welche Tabak rauchen, so ist mir, als sähe ich lau¬
ter Kamine (Schornsteine) der Hölle." Der bekannte Scriver sagt in einer
Predigt unter Anderm: „Man sehe und höre es doch an, wie es an Sonn-
und Feiertagen in den Schenken und Krüger dahergehet; da füllet und über¬
füllet man sich mit diesem Getränke, und damit man immer mehr saufen könne,
macht man den Hals zur Feuermauer (Esse) und zündet dem Teufel ein Rauch-
Werk an." Der Sloane Philander von Sittenwald macht seiner Betrübniß
über das gottlose Treiben der Tabaksliebhaber noch kräftiger Luft. Er sagt:
„Als ich etliche Menschen sahe Tabak trinken, sprach der Herr zu nur Unwür¬
digen: Menschenkind, siehest du den Greuel der Verwüstung, welcher sich in
der Menschen Herz verborgen gesetzt und sich als einen Gott anbeten läßt
durch das vielfältig verdammte Tabaktrinken und Schnupfen, daran sich bald
alle Menschen durch Betrug und List des Teufels gewöhnt haben und diese»
stinkenden Tabaksgott ohne Unterschied anbeten und verehren. Merket es doch,
liebwerthe Menschen, wie ihr als Tabaksbrüder und Tabaksschwestern alle,
ja alle vom Teufel betrogen seid. Denn schauet, wie diejenige», welche allerlei
.Speisen fressen, davon sie dick und fett werden, ein Zeugniß ablegen, daß der
Bauch ihr Gott ist, so ziehet auch ihr durch dies Unkraut die Feueressenz in
euch hinein und blaset den Rauch zum Zeichen eurer Verdcnnmniß wieder zum
Munde hinaus."

Das stärkste aber, was gegen den Tabak gewettert worden ist, möchten
die oratorischen Donnerkeile sein, welche der deutsche Jesuit Jakob Bälde aus
die Köpfe und Rücken der tabakrauchenden Zeitgenossen schleuderte. Er nannte
den Tabaksgenuß und seine Folgen „die trockene Trunkenheit" und sagte unter
Anderm: „Diese Trockenen sind Affen der nassen Zechbrüder und wollen es


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[0388] Konsistorium abstattete, heißt es: „Christian Ledermann zu Bähungen ist ein Säufer und Verschwender, daneben dem Tabaktrinken ergebe». Da er am heiligen Ostertag zum Tische des Herrn gegangen, hat er den Pfarrer der¬ maßen angestunken, daß er schier nit bleiben können. Hans Kopp in Bra¬ chingen halt unordentlich Haus, sauft Thapnk, fangt Händel an und schlägt seine Frau." Fünf Jahre später hat der Pastor besonders über das Dorf Ottvschwanden zu klagen; er sagt: „Wenn die Bauern in der kleinen Kirche vor dem Pfarrer sitzen und athme», geht ihm ein Gestank entgegen, daß er meint, er müsse davon gehen." Und in einem dritten Bericht aus dem Jahre 1K69 lesen wir: „Der Herrenmüller in Emmendigen lebt übel mit seiner Fran, trinkt auch stetig Thabak, und wenn er in der Kirche sitzt, also keinen trinken darf, so hat er denselben doch im Maule." Pastor Caspar Hoffmann in Quedlinburg erklärte den Tabak für ein seeienverderbendes Wesen und ein unmittelbares Werk des höllischen Satanas. Ein Pfarrer rü Basel ließ sich von der Kanzel folgendermaßen vernehmen: „Wenn ich Mäuler sehe, welche Tabak rauchen, so ist mir, als sähe ich lau¬ ter Kamine (Schornsteine) der Hölle." Der bekannte Scriver sagt in einer Predigt unter Anderm: „Man sehe und höre es doch an, wie es an Sonn- und Feiertagen in den Schenken und Krüger dahergehet; da füllet und über¬ füllet man sich mit diesem Getränke, und damit man immer mehr saufen könne, macht man den Hals zur Feuermauer (Esse) und zündet dem Teufel ein Rauch- Werk an." Der Sloane Philander von Sittenwald macht seiner Betrübniß über das gottlose Treiben der Tabaksliebhaber noch kräftiger Luft. Er sagt: „Als ich etliche Menschen sahe Tabak trinken, sprach der Herr zu nur Unwür¬ digen: Menschenkind, siehest du den Greuel der Verwüstung, welcher sich in der Menschen Herz verborgen gesetzt und sich als einen Gott anbeten läßt durch das vielfältig verdammte Tabaktrinken und Schnupfen, daran sich bald alle Menschen durch Betrug und List des Teufels gewöhnt haben und diese» stinkenden Tabaksgott ohne Unterschied anbeten und verehren. Merket es doch, liebwerthe Menschen, wie ihr als Tabaksbrüder und Tabaksschwestern alle, ja alle vom Teufel betrogen seid. Denn schauet, wie diejenige», welche allerlei .Speisen fressen, davon sie dick und fett werden, ein Zeugniß ablegen, daß der Bauch ihr Gott ist, so ziehet auch ihr durch dies Unkraut die Feueressenz in euch hinein und blaset den Rauch zum Zeichen eurer Verdcnnmniß wieder zum Munde hinaus." Das stärkste aber, was gegen den Tabak gewettert worden ist, möchten die oratorischen Donnerkeile sein, welche der deutsche Jesuit Jakob Bälde aus die Köpfe und Rücken der tabakrauchenden Zeitgenossen schleuderte. Er nannte den Tabaksgenuß und seine Folgen „die trockene Trunkenheit" und sagte unter Anderm: „Diese Trockenen sind Affen der nassen Zechbrüder und wollen es

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111431/388>, abgerufen am 24.08.2024.