Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Wenn auch französische Landungen nicht wol eine wirkliche Invasion
zum Zweck haben können, so können dieselben doch ernstliche Diversio¬
nen für die Operationen der deutschen Landheere herbeiführen. Nur die
preußische Ostseeküste ist durch die Natur, durch starke Festungen und die schon
vorhandenen Marinemittel hiergegen im Wesentlichen gesichert.

Die nordwestlichen Staaten Deutschlands, deren Küsten gute Landungs¬
punkte darbieten, vor Allem Hannover, Oldenburg und Mecklenburg haben
ebensowenig für Festungen als für Kriegsschiffe gesorgt, und es liegen daher
große Länderstrecken, durch permanente Vertheidigungen nicht beschützt, dem
Feinde offen da. Ein an den Weser- oder Elbmündungen oder bei Wismar
gelandetes Truppencorps findet an preußischen Festungen, an Minden, Mag¬
deburg und Spandau die ersten künstlichen Hindernisse.

Diese Gefahr, welche zugleich die andere involvirt, daß die beiden großen
Handelsplätze Deutschlands während eines französischen Krieges, wenn auch nur
vorübergehend vom Feinde besetzt werden, macht es zur dringenden Nothwendigkeit,
nicht nur Eisenbahnen zu bauen, welche der Küste parallel gehen, und dieje¬
nigen Punkte, welche eine feindliche Landung ermöglichen, zu befestigen, son¬
dern auch, da diese Befestigungen immer nur von untergeordnetem Werthe sein
werden, vor Allem rasch zum Bau von Kriegsschiffen und namentlich einer ge¬
nügende Anzahl von Schraubenkanonenbooten zu schreiten. Ob überhaupt
die alte Ueberlegenheit von Strandbatterien gegenüber Kriegsschiffen noch heute
fortdauert, unterliegt Zweifeln; freilich wird auch noch gegenwärtig der Schutz
von Stein und Erde dem hölzerner Wälle vorzuziehen sein, aber durch die
gezogenen Kanonen und durch die Anwendung der Schraube, welche den Angriff
auch bei Windstille gestattet, hat die Schiffsartillerie eine Trefffähigkeit erlangt,
deren Mangel früher die Erfolge der Landbatterien zu einem großen Theile
bedingte.

Jedenfalls aber gibt es Verhältnisse, wo die Vertheidigung der Küste durch
bewegliche Batterien einen großen Vorzug bietet. Einige dieser Verhältnis'
lassen sich mit wenigen Worten andeuten. Es ist an vielen Punkten zu spät,
wenn man die Vertheidigung gegen eine Landung erst vom Lande aus in>t
Strandbatterieii beginnen wollte. Es ist oft nothwendig, dieselbe an den sah"'"'
kam Eingängen in die breiteren der Küste näher liegenden Gewässer eintreten ZU
lassen. Oft vermögen die größeren Schiffe wegen der Natur des Fahrwassers
nicht beliebig ihren Standpunkt zu nehmen, sondern müssen denjenigen ein¬
nehmen, auf den die Anlage der Landbattcrie ursprünglich berechnet und dei"
gegenüber die letztere von überlegener Wirkung ist. In solchem Falle wird die
angreifende Flottille Kanonenboote, welche bei geringem Tiefgang durch die Seins'
tigkeit des Fahrwassers wenig behindert sind, anwenden, um die Strandbatter>e
von Punkten aus anzugreifen, welche eine günstige Wirkung versprechen. So"


Wenn auch französische Landungen nicht wol eine wirkliche Invasion
zum Zweck haben können, so können dieselben doch ernstliche Diversio¬
nen für die Operationen der deutschen Landheere herbeiführen. Nur die
preußische Ostseeküste ist durch die Natur, durch starke Festungen und die schon
vorhandenen Marinemittel hiergegen im Wesentlichen gesichert.

Die nordwestlichen Staaten Deutschlands, deren Küsten gute Landungs¬
punkte darbieten, vor Allem Hannover, Oldenburg und Mecklenburg haben
ebensowenig für Festungen als für Kriegsschiffe gesorgt, und es liegen daher
große Länderstrecken, durch permanente Vertheidigungen nicht beschützt, dem
Feinde offen da. Ein an den Weser- oder Elbmündungen oder bei Wismar
gelandetes Truppencorps findet an preußischen Festungen, an Minden, Mag¬
deburg und Spandau die ersten künstlichen Hindernisse.

Diese Gefahr, welche zugleich die andere involvirt, daß die beiden großen
Handelsplätze Deutschlands während eines französischen Krieges, wenn auch nur
vorübergehend vom Feinde besetzt werden, macht es zur dringenden Nothwendigkeit,
nicht nur Eisenbahnen zu bauen, welche der Küste parallel gehen, und dieje¬
nigen Punkte, welche eine feindliche Landung ermöglichen, zu befestigen, son¬
dern auch, da diese Befestigungen immer nur von untergeordnetem Werthe sein
werden, vor Allem rasch zum Bau von Kriegsschiffen und namentlich einer ge¬
nügende Anzahl von Schraubenkanonenbooten zu schreiten. Ob überhaupt
die alte Ueberlegenheit von Strandbatterien gegenüber Kriegsschiffen noch heute
fortdauert, unterliegt Zweifeln; freilich wird auch noch gegenwärtig der Schutz
von Stein und Erde dem hölzerner Wälle vorzuziehen sein, aber durch die
gezogenen Kanonen und durch die Anwendung der Schraube, welche den Angriff
auch bei Windstille gestattet, hat die Schiffsartillerie eine Trefffähigkeit erlangt,
deren Mangel früher die Erfolge der Landbatterien zu einem großen Theile
bedingte.

Jedenfalls aber gibt es Verhältnisse, wo die Vertheidigung der Küste durch
bewegliche Batterien einen großen Vorzug bietet. Einige dieser Verhältnis'
lassen sich mit wenigen Worten andeuten. Es ist an vielen Punkten zu spät,
wenn man die Vertheidigung gegen eine Landung erst vom Lande aus in>t
Strandbatterieii beginnen wollte. Es ist oft nothwendig, dieselbe an den sah»'"'
kam Eingängen in die breiteren der Küste näher liegenden Gewässer eintreten ZU
lassen. Oft vermögen die größeren Schiffe wegen der Natur des Fahrwassers
nicht beliebig ihren Standpunkt zu nehmen, sondern müssen denjenigen ein¬
nehmen, auf den die Anlage der Landbattcrie ursprünglich berechnet und dei»
gegenüber die letztere von überlegener Wirkung ist. In solchem Falle wird die
angreifende Flottille Kanonenboote, welche bei geringem Tiefgang durch die Seins'
tigkeit des Fahrwassers wenig behindert sind, anwenden, um die Strandbatter>e
von Punkten aus anzugreifen, welche eine günstige Wirkung versprechen. So"


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0378" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/111810"/>
            <p xml:id="ID_1249"> Wenn auch französische Landungen nicht wol eine wirkliche Invasion<lb/>
zum Zweck haben können, so können dieselben doch ernstliche Diversio¬<lb/>
nen für die Operationen der deutschen Landheere herbeiführen. Nur die<lb/>
preußische Ostseeküste ist durch die Natur, durch starke Festungen und die schon<lb/>
vorhandenen Marinemittel hiergegen im Wesentlichen gesichert.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1250"> Die nordwestlichen Staaten Deutschlands, deren Küsten gute Landungs¬<lb/>
punkte darbieten, vor Allem Hannover, Oldenburg und Mecklenburg haben<lb/>
ebensowenig für Festungen als für Kriegsschiffe gesorgt, und es liegen daher<lb/>
große Länderstrecken, durch permanente Vertheidigungen nicht beschützt, dem<lb/>
Feinde offen da. Ein an den Weser- oder Elbmündungen oder bei Wismar<lb/>
gelandetes Truppencorps findet an preußischen Festungen, an Minden, Mag¬<lb/>
deburg und Spandau die ersten künstlichen Hindernisse.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1251"> Diese Gefahr, welche zugleich die andere involvirt, daß die beiden großen<lb/>
Handelsplätze Deutschlands während eines französischen Krieges, wenn auch nur<lb/>
vorübergehend vom Feinde besetzt werden, macht es zur dringenden Nothwendigkeit,<lb/>
nicht nur Eisenbahnen zu bauen, welche der Küste parallel gehen, und dieje¬<lb/>
nigen Punkte, welche eine feindliche Landung ermöglichen, zu befestigen, son¬<lb/>
dern auch, da diese Befestigungen immer nur von untergeordnetem Werthe sein<lb/>
werden, vor Allem rasch zum Bau von Kriegsschiffen und namentlich einer ge¬<lb/>
nügende Anzahl von Schraubenkanonenbooten zu schreiten. Ob überhaupt<lb/>
die alte Ueberlegenheit von Strandbatterien gegenüber Kriegsschiffen noch heute<lb/>
fortdauert, unterliegt Zweifeln; freilich wird auch noch gegenwärtig der Schutz<lb/>
von Stein und Erde dem hölzerner Wälle vorzuziehen sein, aber durch die<lb/>
gezogenen Kanonen und durch die Anwendung der Schraube, welche den Angriff<lb/>
auch bei Windstille gestattet, hat die Schiffsartillerie eine Trefffähigkeit erlangt,<lb/>
deren Mangel früher die Erfolge der Landbatterien zu einem großen Theile<lb/>
bedingte.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1252" next="#ID_1253"> Jedenfalls aber gibt es Verhältnisse, wo die Vertheidigung der Küste durch<lb/>
bewegliche Batterien einen großen Vorzug bietet. Einige dieser Verhältnis'<lb/>
lassen sich mit wenigen Worten andeuten. Es ist an vielen Punkten zu spät,<lb/>
wenn man die Vertheidigung gegen eine Landung erst vom Lande aus in&gt;t<lb/>
Strandbatterieii beginnen wollte. Es ist oft nothwendig, dieselbe an den sah»'"'<lb/>
kam Eingängen in die breiteren der Küste näher liegenden Gewässer eintreten ZU<lb/>
lassen. Oft vermögen die größeren Schiffe wegen der Natur des Fahrwassers<lb/>
nicht beliebig ihren Standpunkt zu nehmen, sondern müssen denjenigen ein¬<lb/>
nehmen, auf den die Anlage der Landbattcrie ursprünglich berechnet und dei»<lb/>
gegenüber die letztere von überlegener Wirkung ist. In solchem Falle wird die<lb/>
angreifende Flottille Kanonenboote, welche bei geringem Tiefgang durch die Seins'<lb/>
tigkeit des Fahrwassers wenig behindert sind, anwenden, um die Strandbatter&gt;e<lb/>
von Punkten aus anzugreifen, welche eine günstige Wirkung versprechen. So"</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0378] Wenn auch französische Landungen nicht wol eine wirkliche Invasion zum Zweck haben können, so können dieselben doch ernstliche Diversio¬ nen für die Operationen der deutschen Landheere herbeiführen. Nur die preußische Ostseeküste ist durch die Natur, durch starke Festungen und die schon vorhandenen Marinemittel hiergegen im Wesentlichen gesichert. Die nordwestlichen Staaten Deutschlands, deren Küsten gute Landungs¬ punkte darbieten, vor Allem Hannover, Oldenburg und Mecklenburg haben ebensowenig für Festungen als für Kriegsschiffe gesorgt, und es liegen daher große Länderstrecken, durch permanente Vertheidigungen nicht beschützt, dem Feinde offen da. Ein an den Weser- oder Elbmündungen oder bei Wismar gelandetes Truppencorps findet an preußischen Festungen, an Minden, Mag¬ deburg und Spandau die ersten künstlichen Hindernisse. Diese Gefahr, welche zugleich die andere involvirt, daß die beiden großen Handelsplätze Deutschlands während eines französischen Krieges, wenn auch nur vorübergehend vom Feinde besetzt werden, macht es zur dringenden Nothwendigkeit, nicht nur Eisenbahnen zu bauen, welche der Küste parallel gehen, und dieje¬ nigen Punkte, welche eine feindliche Landung ermöglichen, zu befestigen, son¬ dern auch, da diese Befestigungen immer nur von untergeordnetem Werthe sein werden, vor Allem rasch zum Bau von Kriegsschiffen und namentlich einer ge¬ nügende Anzahl von Schraubenkanonenbooten zu schreiten. Ob überhaupt die alte Ueberlegenheit von Strandbatterien gegenüber Kriegsschiffen noch heute fortdauert, unterliegt Zweifeln; freilich wird auch noch gegenwärtig der Schutz von Stein und Erde dem hölzerner Wälle vorzuziehen sein, aber durch die gezogenen Kanonen und durch die Anwendung der Schraube, welche den Angriff auch bei Windstille gestattet, hat die Schiffsartillerie eine Trefffähigkeit erlangt, deren Mangel früher die Erfolge der Landbatterien zu einem großen Theile bedingte. Jedenfalls aber gibt es Verhältnisse, wo die Vertheidigung der Küste durch bewegliche Batterien einen großen Vorzug bietet. Einige dieser Verhältnis' lassen sich mit wenigen Worten andeuten. Es ist an vielen Punkten zu spät, wenn man die Vertheidigung gegen eine Landung erst vom Lande aus in>t Strandbatterieii beginnen wollte. Es ist oft nothwendig, dieselbe an den sah»'"' kam Eingängen in die breiteren der Küste näher liegenden Gewässer eintreten ZU lassen. Oft vermögen die größeren Schiffe wegen der Natur des Fahrwassers nicht beliebig ihren Standpunkt zu nehmen, sondern müssen denjenigen ein¬ nehmen, auf den die Anlage der Landbattcrie ursprünglich berechnet und dei» gegenüber die letztere von überlegener Wirkung ist. In solchem Falle wird die angreifende Flottille Kanonenboote, welche bei geringem Tiefgang durch die Seins' tigkeit des Fahrwassers wenig behindert sind, anwenden, um die Strandbatter>e von Punkten aus anzugreifen, welche eine günstige Wirkung versprechen. So"

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111431
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111431/378
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111431/378>, abgerufen am 01.07.2024.