Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band.Da wurde plötzlich Graf Merkandin seines Postens enthoben, und' Der Rest des Umschwungs hat sich, wie allbekannt, vollzogen, und in Es werden im Laufe der nächsten Monate folgende deutsche Professoren Uns interessirt nun die Frage, was die Polen damit erreicht haben, daß -4"
Da wurde plötzlich Graf Merkandin seines Postens enthoben, und' Der Rest des Umschwungs hat sich, wie allbekannt, vollzogen, und in Es werden im Laufe der nächsten Monate folgende deutsche Professoren Uns interessirt nun die Frage, was die Polen damit erreicht haben, daß -4»
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0037" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/111469"/> <p xml:id="ID_86"> Da wurde plötzlich Graf Merkandin seines Postens enthoben, und'<lb/> der noch fast unbärtigc Clam-Martinitz erschien, ein Aristokrat vom Scheitel<lb/> bis zur Zeh, von vornherein unfreundlich gegen die Deutschen, aber der<lb/> Charmanteste gegen die polnischen Schlachzitzen. denen er sich sofort als<lb/> Mitglied der agronomischer Gesellschaft anreihte. Er war in Krakau<lb/> längst als der durchschaut, wozu er sich jüngst als böhmischer Notabler<lb/> entpuppt hat. Von diesem Augenblick an pfiff der Wind anders, und an der<lb/> Universität erhob sich das Gelüst zu polonisiren. Hatte Merkandin jeden<lb/> einzelnen der deutschen Professoren aufgefordert, bei ihm Schutz zu suchen, so<lb/> fertigte Clam-Martinitz einen deutschen Professor, der sich gegen polnische An¬<lb/> maßung aussprechen wollte, mit den Worten ab: „Ich menge mich nicht in<lb/> didaktische Angelegenheiten", was an sich sehr zu billigen und allen Statt¬<lb/> haltern der östreichischen Kronländer in Bezug auf die höhern Schulen anzu¬<lb/> empfehlen ist. Gleichwol setzte Clam-Martinitz durch ein eigenhändig abgefaßtes<lb/> Referat es durch, daß den'deutschen Professoren Czermak. Heschl und Schmidt,<lb/> die sich widergesetzlichen polnischen Verhandlungen beizuwohnen geweigert<lb/> hatten, vom Unterrichtsminister eine. Rüge ertheilt wurde.</p><lb/> <p xml:id="ID_87"> Der Rest des Umschwungs hat sich, wie allbekannt, vollzogen, und in<lb/> diesem Momente geschieht die Ausmärzung der deutschen Professoren und der<lb/> deutschen Wissenschaft. Wenn nämlich außer der deutschen Literatur und der<lb/> deutschen Reichs- und Rechtsgeschichte in der juristischen Facultät noch einige<lb/> Fächer nach den neuesten Bestimmungen deutsch vorzutragen sind, so ist dies,<lb/> Wie die mit den Verhältnissen und Personen Vertrauten wol wissen, eitel<lb/> Spiegelfechterei.</p><lb/> <p xml:id="ID_88"> Es werden im Laufe der nächsten Monate folgende deutsche Professoren<lb/> Krakau zu verlassen haben: 1) aus der philosophischen Facultät der Zoolog<lb/> Heller, der Mineralog von Zepharovich. die Philologen Linker und July(?).<lb/> Der Astronom Weiße nimmt den Abschied. 2) Aus der medicinischen Facul¬<lb/> tät der pathologische Anatom Heschl; 3) aus der juristischen der Romanist<lb/> Demelius und der Statistiker Koppel. Ob letzterer mis Schriftsteller sich einen<lb/> Namen gemacht, wissen wir nicht, jedenfalls ist er seinem Amte völlig gewach¬<lb/> sen; die übrige Genannten sind'bei ihren deutschen Fachgenossen durch ihre zum<lb/> Theil sehr trefflichen wissenschaftlichen Leistungen bekannt.</p><lb/> <p xml:id="ID_89" next="#ID_90"> Uns interessirt nun die Frage, was die Polen damit erreicht haben, daß<lb/> die jagellonische Universität wieder vollständig ihrer eignen Wirthschaft über¬<lb/> lassen ist. Krakau, das eben angefangen hatte, den deutschen Universitäten<lb/> sich anzureihen, wird von jetzt an, das behaupten wir. als wissenschaftliche<lb/> Gesammtheit, eben als Universität, in die vollständigste Bedeutungslosigkeit zurück¬<lb/> fallen, und höchstens einzelne Individuen, und zwar auch nur in so weit sie<lb/> "ach deutscher Weise forschen und sich der deutschen, französischen :c., nur nicht</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> -4»</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0037]
Da wurde plötzlich Graf Merkandin seines Postens enthoben, und'
der noch fast unbärtigc Clam-Martinitz erschien, ein Aristokrat vom Scheitel
bis zur Zeh, von vornherein unfreundlich gegen die Deutschen, aber der
Charmanteste gegen die polnischen Schlachzitzen. denen er sich sofort als
Mitglied der agronomischer Gesellschaft anreihte. Er war in Krakau
längst als der durchschaut, wozu er sich jüngst als böhmischer Notabler
entpuppt hat. Von diesem Augenblick an pfiff der Wind anders, und an der
Universität erhob sich das Gelüst zu polonisiren. Hatte Merkandin jeden
einzelnen der deutschen Professoren aufgefordert, bei ihm Schutz zu suchen, so
fertigte Clam-Martinitz einen deutschen Professor, der sich gegen polnische An¬
maßung aussprechen wollte, mit den Worten ab: „Ich menge mich nicht in
didaktische Angelegenheiten", was an sich sehr zu billigen und allen Statt¬
haltern der östreichischen Kronländer in Bezug auf die höhern Schulen anzu¬
empfehlen ist. Gleichwol setzte Clam-Martinitz durch ein eigenhändig abgefaßtes
Referat es durch, daß den'deutschen Professoren Czermak. Heschl und Schmidt,
die sich widergesetzlichen polnischen Verhandlungen beizuwohnen geweigert
hatten, vom Unterrichtsminister eine. Rüge ertheilt wurde.
Der Rest des Umschwungs hat sich, wie allbekannt, vollzogen, und in
diesem Momente geschieht die Ausmärzung der deutschen Professoren und der
deutschen Wissenschaft. Wenn nämlich außer der deutschen Literatur und der
deutschen Reichs- und Rechtsgeschichte in der juristischen Facultät noch einige
Fächer nach den neuesten Bestimmungen deutsch vorzutragen sind, so ist dies,
Wie die mit den Verhältnissen und Personen Vertrauten wol wissen, eitel
Spiegelfechterei.
Es werden im Laufe der nächsten Monate folgende deutsche Professoren
Krakau zu verlassen haben: 1) aus der philosophischen Facultät der Zoolog
Heller, der Mineralog von Zepharovich. die Philologen Linker und July(?).
Der Astronom Weiße nimmt den Abschied. 2) Aus der medicinischen Facul¬
tät der pathologische Anatom Heschl; 3) aus der juristischen der Romanist
Demelius und der Statistiker Koppel. Ob letzterer mis Schriftsteller sich einen
Namen gemacht, wissen wir nicht, jedenfalls ist er seinem Amte völlig gewach¬
sen; die übrige Genannten sind'bei ihren deutschen Fachgenossen durch ihre zum
Theil sehr trefflichen wissenschaftlichen Leistungen bekannt.
Uns interessirt nun die Frage, was die Polen damit erreicht haben, daß
die jagellonische Universität wieder vollständig ihrer eignen Wirthschaft über¬
lassen ist. Krakau, das eben angefangen hatte, den deutschen Universitäten
sich anzureihen, wird von jetzt an, das behaupten wir. als wissenschaftliche
Gesammtheit, eben als Universität, in die vollständigste Bedeutungslosigkeit zurück¬
fallen, und höchstens einzelne Individuen, und zwar auch nur in so weit sie
"ach deutscher Weise forschen und sich der deutschen, französischen :c., nur nicht
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