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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band.

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In Friedenszeiten, wo jeder Milizmann sich nach Belieben kleiden kann,
werden in den meisten Staaten die Waffen vom Staate geliefert, zu welchem
Zweck Arsenale angelegt sind. In Kriegszeiten erhält die Miliz auch Klei¬
dung, Verpflegung und Sold. In den großen Städten haben sich sogenannte
freiwillige Milizcompagnien gebildet, von denen viele nur aus eingewanderten
Jsländern, Deutschen und Franzosen bestehen, sich -- oft in sehr phantastischer
Weise -- uniformiren und fleißig durch Aufzüge, Scheibenschießen, Bälle und
dergleichen mehr von sich reden machen. Da Uebungen im Manövriren nur
eilen vorgenommen werden und die Offiziere so gut wie gar keine militärische
Bildung haben, so sind diese Milizen nicht einmal mit unsern deutschen Bür¬
gergarden, geschweige denn mit den Truppen der Schweiz zu vergleichen und
mit Soldaten europäischer Staaten sie in Vergleich zu stellen, wäre absolute
Thorheit.

Wir geben einige Notizen über die Miliz des Staates Neuyork, welche
die beste, wenigstens nickt die schlechteste unter denen der 34 Staaten sein
wird. Man kann daraus abnehmen, was mit solchen Wehrkräften auszurich¬
ten ist. Wer in Neuyork männlichen Geschlechts, von weißer Haut, über 21.
Jahr alt ist, nicht einer Feuerlösch-Compagnie angehört oder Geschworner. Rich¬
ter. Geistlicher, Lehrer oder Unionsbeamter ist, hat sich zur Miliz zu stellen.
Indeß kann er sich durch eine jährliche Abgabe von 75 Cents davon dispen-
siren lassen. Die Wahl des Regiments und der Compagnie ist ihm freige¬
stellt. Die Compagnie wählt die subaltern-, das Regiment die Stabsoffiziere,
die Brigade den General. Der Gouverneur hat die Wahlen zu bestätigen.
Die Etats der einzelnen Truppenkörper sind nicht beschränkt, es können sich
jeden Tag neue bilden, eine Compagnie kann 30 oder 100, ein Regiment 200
oder 600, überhaupt beliebig viele Mann zählen. Um Offizier zu werden, be¬
darf man vor Allem viel Geld, denn man muß seine Leute zu passender Zeit
tractiren können, dann Milde und Liebenswürdigkeit, denn man kann sie nicht
zum Pariren zwingen. Verstand ist nicht viel von Nöthen. Der Herr Bür¬
gersoldat ist nur zur Befolgung "gesetzlicher Befehle" verpflichtet und damit in
jedem Fall zum Richter über die Berechtigung seines Vorgesetzten, dieß oder
oder das anzuordnen, gemacht. Daß dadurch die Führung der Truppe vor
dem Feinde unmöglich wird, liegt so auf der Hand. daß nur "freien Amerika¬
nern" gegenüber darauf aufmerksam zu machen ist. In Kriegszeiten freilich
sollen auch die Milizen den Subordinationsgesetzen des regulären Heeres unter¬
worfen sein, da sie aher keine Uebung im unbedingten Gehorsam haben, so
wird es ihnen dann mindestens sehr sauer, wo nicht unmöglich werden.

Soll eine Parade oder ein Manöver stattfinden, so fährt der Quartiermeister
w einem Wagen durch die Stadt, um den Herren Bürgersoldaten die Sache
Zu melden. Beliebt es einem der Herren wegzubleiben, so hat er seine Nach-


In Friedenszeiten, wo jeder Milizmann sich nach Belieben kleiden kann,
werden in den meisten Staaten die Waffen vom Staate geliefert, zu welchem
Zweck Arsenale angelegt sind. In Kriegszeiten erhält die Miliz auch Klei¬
dung, Verpflegung und Sold. In den großen Städten haben sich sogenannte
freiwillige Milizcompagnien gebildet, von denen viele nur aus eingewanderten
Jsländern, Deutschen und Franzosen bestehen, sich — oft in sehr phantastischer
Weise — uniformiren und fleißig durch Aufzüge, Scheibenschießen, Bälle und
dergleichen mehr von sich reden machen. Da Uebungen im Manövriren nur
eilen vorgenommen werden und die Offiziere so gut wie gar keine militärische
Bildung haben, so sind diese Milizen nicht einmal mit unsern deutschen Bür¬
gergarden, geschweige denn mit den Truppen der Schweiz zu vergleichen und
mit Soldaten europäischer Staaten sie in Vergleich zu stellen, wäre absolute
Thorheit.

Wir geben einige Notizen über die Miliz des Staates Neuyork, welche
die beste, wenigstens nickt die schlechteste unter denen der 34 Staaten sein
wird. Man kann daraus abnehmen, was mit solchen Wehrkräften auszurich¬
ten ist. Wer in Neuyork männlichen Geschlechts, von weißer Haut, über 21.
Jahr alt ist, nicht einer Feuerlösch-Compagnie angehört oder Geschworner. Rich¬
ter. Geistlicher, Lehrer oder Unionsbeamter ist, hat sich zur Miliz zu stellen.
Indeß kann er sich durch eine jährliche Abgabe von 75 Cents davon dispen-
siren lassen. Die Wahl des Regiments und der Compagnie ist ihm freige¬
stellt. Die Compagnie wählt die subaltern-, das Regiment die Stabsoffiziere,
die Brigade den General. Der Gouverneur hat die Wahlen zu bestätigen.
Die Etats der einzelnen Truppenkörper sind nicht beschränkt, es können sich
jeden Tag neue bilden, eine Compagnie kann 30 oder 100, ein Regiment 200
oder 600, überhaupt beliebig viele Mann zählen. Um Offizier zu werden, be¬
darf man vor Allem viel Geld, denn man muß seine Leute zu passender Zeit
tractiren können, dann Milde und Liebenswürdigkeit, denn man kann sie nicht
zum Pariren zwingen. Verstand ist nicht viel von Nöthen. Der Herr Bür¬
gersoldat ist nur zur Befolgung „gesetzlicher Befehle" verpflichtet und damit in
jedem Fall zum Richter über die Berechtigung seines Vorgesetzten, dieß oder
oder das anzuordnen, gemacht. Daß dadurch die Führung der Truppe vor
dem Feinde unmöglich wird, liegt so auf der Hand. daß nur „freien Amerika¬
nern" gegenüber darauf aufmerksam zu machen ist. In Kriegszeiten freilich
sollen auch die Milizen den Subordinationsgesetzen des regulären Heeres unter¬
worfen sein, da sie aher keine Uebung im unbedingten Gehorsam haben, so
wird es ihnen dann mindestens sehr sauer, wo nicht unmöglich werden.

Soll eine Parade oder ein Manöver stattfinden, so fährt der Quartiermeister
w einem Wagen durch die Stadt, um den Herren Bürgersoldaten die Sache
Zu melden. Beliebt es einem der Herren wegzubleiben, so hat er seine Nach-


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[0351] In Friedenszeiten, wo jeder Milizmann sich nach Belieben kleiden kann, werden in den meisten Staaten die Waffen vom Staate geliefert, zu welchem Zweck Arsenale angelegt sind. In Kriegszeiten erhält die Miliz auch Klei¬ dung, Verpflegung und Sold. In den großen Städten haben sich sogenannte freiwillige Milizcompagnien gebildet, von denen viele nur aus eingewanderten Jsländern, Deutschen und Franzosen bestehen, sich — oft in sehr phantastischer Weise — uniformiren und fleißig durch Aufzüge, Scheibenschießen, Bälle und dergleichen mehr von sich reden machen. Da Uebungen im Manövriren nur eilen vorgenommen werden und die Offiziere so gut wie gar keine militärische Bildung haben, so sind diese Milizen nicht einmal mit unsern deutschen Bür¬ gergarden, geschweige denn mit den Truppen der Schweiz zu vergleichen und mit Soldaten europäischer Staaten sie in Vergleich zu stellen, wäre absolute Thorheit. Wir geben einige Notizen über die Miliz des Staates Neuyork, welche die beste, wenigstens nickt die schlechteste unter denen der 34 Staaten sein wird. Man kann daraus abnehmen, was mit solchen Wehrkräften auszurich¬ ten ist. Wer in Neuyork männlichen Geschlechts, von weißer Haut, über 21. Jahr alt ist, nicht einer Feuerlösch-Compagnie angehört oder Geschworner. Rich¬ ter. Geistlicher, Lehrer oder Unionsbeamter ist, hat sich zur Miliz zu stellen. Indeß kann er sich durch eine jährliche Abgabe von 75 Cents davon dispen- siren lassen. Die Wahl des Regiments und der Compagnie ist ihm freige¬ stellt. Die Compagnie wählt die subaltern-, das Regiment die Stabsoffiziere, die Brigade den General. Der Gouverneur hat die Wahlen zu bestätigen. Die Etats der einzelnen Truppenkörper sind nicht beschränkt, es können sich jeden Tag neue bilden, eine Compagnie kann 30 oder 100, ein Regiment 200 oder 600, überhaupt beliebig viele Mann zählen. Um Offizier zu werden, be¬ darf man vor Allem viel Geld, denn man muß seine Leute zu passender Zeit tractiren können, dann Milde und Liebenswürdigkeit, denn man kann sie nicht zum Pariren zwingen. Verstand ist nicht viel von Nöthen. Der Herr Bür¬ gersoldat ist nur zur Befolgung „gesetzlicher Befehle" verpflichtet und damit in jedem Fall zum Richter über die Berechtigung seines Vorgesetzten, dieß oder oder das anzuordnen, gemacht. Daß dadurch die Führung der Truppe vor dem Feinde unmöglich wird, liegt so auf der Hand. daß nur „freien Amerika¬ nern" gegenüber darauf aufmerksam zu machen ist. In Kriegszeiten freilich sollen auch die Milizen den Subordinationsgesetzen des regulären Heeres unter¬ worfen sein, da sie aher keine Uebung im unbedingten Gehorsam haben, so wird es ihnen dann mindestens sehr sauer, wo nicht unmöglich werden. Soll eine Parade oder ein Manöver stattfinden, so fährt der Quartiermeister w einem Wagen durch die Stadt, um den Herren Bürgersoldaten die Sache Zu melden. Beliebt es einem der Herren wegzubleiben, so hat er seine Nach-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111431/351>, abgerufen am 27.09.2024.