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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band.

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wir unter dem Thule des Pytheas von Massilia die Insel Mainland und
unter "dem um Thule Liegenden" die übrigen 89 Shetlands-Jnseln zu ver¬
stehen. Welcher Volksstcunm es war, der damals diesen Archipel bewohnte,
bleibt ungewiß, und es kann nur vermuthet werden, daß es Celten waren,
die in jener Zeit hier ihren Hirse und Honig verzehrten. Später finden wir
auf diesen wie auf den südlicheren Eilanden die ebenfalls zu den Celten ge¬
hörenden Pillen, von denen noch mancherlei Bauten erhalten sind, welche
gleich den Cyslopenmauern Griechenlands aus Quadern ohne Mörtel bestehen.
Noch später wurden die Shetlands-Jnseln Stationsplatze der norwegisch-däni¬
schen Wikinger. In der Mitte des fünfzehnten Jahrhunderts kamen sie durch
Heirath an Schottland und mit diesem dann zum großbritannischen Reich. Der
Goethesche "König von Thule" wird also entweder der Häuptling eines alten
Pillen-Claus oder ein skandinavischer Jarl gewesen sein, der sich auf seinen
Piratenzügen unter klirrenden Waffen und lodernden Brandfackeln ein tiefes
Gefühl für eine verstorbene Liebe bewahrte, fleißig zu deren Gedächtniß den
Methbecher leerte und dabei allmälig zum "alten" Zecher wurde. Auch das
Schloß, wo er den letzten Tropfen, trank und unter dessen Mauern der goldne
Erinnerungskelch versank, kann sich der Gründliche unter den verschiedenen
uralten Ruinen, die Ziegler hier fand*), aussuchen.

Daß es auch später noch Poesie auf den Shetlands-Jnseln oder wie wir
jetzt vielleicht sagen dürfen, in der Illtimg. ?KuIö gab, hat Walter Scott in
seinem "Piraten" sehr anmuthig dargethan. Jetzt soll man sich derartige
Dinge abgewöhnt haben und nur die Interessen der Schafzucht, des Gerste-
und Haferbaus, des Kelpbrennens und der Heringsfischerei verfolgen.

Sollen wir zum Schluß Thule-Shetland noch etwas genauer schildern,
so zählt der Archipel 25 bewohnte Inseln, auf denen ungefähr 32,000 Men¬
schen leben. Die übrigen Eilande, Hokus oder Skerries genannt, dienen
nur zur Viehweide. Die größte, wie bemerkt, Mainland genannt, ist von
vielen Föhrden und Buchten eingeschnitten, reich an wilden Klippen und Vor¬
gebirgen, im Ganzen aber, schon weil es an Wald fehlt, ein Bild der Oede
und Schwermut!). Sie trägt auf ihrer Ostseite die einzige Stadt der ganzen
Inselgruppe, das von etwas über dreitausend Menschen bewohnte Lerwick.
Keines der Eilande ist gebirgig zu nennen, der höchste Berg auf ihnen ist
der nicht ganz 1500 Fuß hohe Roonas Hill. Im Allgemeinen zeigen die
wellenförmig gebogenen Hügelrücken eine Höhe von weniger als 500 Fuß.
Sie sind mit einem blassen Grün, einer dünnen Moos- und Grasdecke spär¬
lich überzogen, und wo der Untergrund nicht in Torf besteht, tritt häusig das



Meine Reisen im Norden. Von Alexander Ziegler. Leipzig, I. I. Weber. 1S60,
Erster Band S. 290 ff.

wir unter dem Thule des Pytheas von Massilia die Insel Mainland und
unter „dem um Thule Liegenden" die übrigen 89 Shetlands-Jnseln zu ver¬
stehen. Welcher Volksstcunm es war, der damals diesen Archipel bewohnte,
bleibt ungewiß, und es kann nur vermuthet werden, daß es Celten waren,
die in jener Zeit hier ihren Hirse und Honig verzehrten. Später finden wir
auf diesen wie auf den südlicheren Eilanden die ebenfalls zu den Celten ge¬
hörenden Pillen, von denen noch mancherlei Bauten erhalten sind, welche
gleich den Cyslopenmauern Griechenlands aus Quadern ohne Mörtel bestehen.
Noch später wurden die Shetlands-Jnseln Stationsplatze der norwegisch-däni¬
schen Wikinger. In der Mitte des fünfzehnten Jahrhunderts kamen sie durch
Heirath an Schottland und mit diesem dann zum großbritannischen Reich. Der
Goethesche „König von Thule" wird also entweder der Häuptling eines alten
Pillen-Claus oder ein skandinavischer Jarl gewesen sein, der sich auf seinen
Piratenzügen unter klirrenden Waffen und lodernden Brandfackeln ein tiefes
Gefühl für eine verstorbene Liebe bewahrte, fleißig zu deren Gedächtniß den
Methbecher leerte und dabei allmälig zum „alten" Zecher wurde. Auch das
Schloß, wo er den letzten Tropfen, trank und unter dessen Mauern der goldne
Erinnerungskelch versank, kann sich der Gründliche unter den verschiedenen
uralten Ruinen, die Ziegler hier fand*), aussuchen.

Daß es auch später noch Poesie auf den Shetlands-Jnseln oder wie wir
jetzt vielleicht sagen dürfen, in der Illtimg. ?KuIö gab, hat Walter Scott in
seinem „Piraten" sehr anmuthig dargethan. Jetzt soll man sich derartige
Dinge abgewöhnt haben und nur die Interessen der Schafzucht, des Gerste-
und Haferbaus, des Kelpbrennens und der Heringsfischerei verfolgen.

Sollen wir zum Schluß Thule-Shetland noch etwas genauer schildern,
so zählt der Archipel 25 bewohnte Inseln, auf denen ungefähr 32,000 Men¬
schen leben. Die übrigen Eilande, Hokus oder Skerries genannt, dienen
nur zur Viehweide. Die größte, wie bemerkt, Mainland genannt, ist von
vielen Föhrden und Buchten eingeschnitten, reich an wilden Klippen und Vor¬
gebirgen, im Ganzen aber, schon weil es an Wald fehlt, ein Bild der Oede
und Schwermut!). Sie trägt auf ihrer Ostseite die einzige Stadt der ganzen
Inselgruppe, das von etwas über dreitausend Menschen bewohnte Lerwick.
Keines der Eilande ist gebirgig zu nennen, der höchste Berg auf ihnen ist
der nicht ganz 1500 Fuß hohe Roonas Hill. Im Allgemeinen zeigen die
wellenförmig gebogenen Hügelrücken eine Höhe von weniger als 500 Fuß.
Sie sind mit einem blassen Grün, einer dünnen Moos- und Grasdecke spär¬
lich überzogen, und wo der Untergrund nicht in Torf besteht, tritt häusig das



Meine Reisen im Norden. Von Alexander Ziegler. Leipzig, I. I. Weber. 1S60,
Erster Band S. 290 ff.
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[0034] wir unter dem Thule des Pytheas von Massilia die Insel Mainland und unter „dem um Thule Liegenden" die übrigen 89 Shetlands-Jnseln zu ver¬ stehen. Welcher Volksstcunm es war, der damals diesen Archipel bewohnte, bleibt ungewiß, und es kann nur vermuthet werden, daß es Celten waren, die in jener Zeit hier ihren Hirse und Honig verzehrten. Später finden wir auf diesen wie auf den südlicheren Eilanden die ebenfalls zu den Celten ge¬ hörenden Pillen, von denen noch mancherlei Bauten erhalten sind, welche gleich den Cyslopenmauern Griechenlands aus Quadern ohne Mörtel bestehen. Noch später wurden die Shetlands-Jnseln Stationsplatze der norwegisch-däni¬ schen Wikinger. In der Mitte des fünfzehnten Jahrhunderts kamen sie durch Heirath an Schottland und mit diesem dann zum großbritannischen Reich. Der Goethesche „König von Thule" wird also entweder der Häuptling eines alten Pillen-Claus oder ein skandinavischer Jarl gewesen sein, der sich auf seinen Piratenzügen unter klirrenden Waffen und lodernden Brandfackeln ein tiefes Gefühl für eine verstorbene Liebe bewahrte, fleißig zu deren Gedächtniß den Methbecher leerte und dabei allmälig zum „alten" Zecher wurde. Auch das Schloß, wo er den letzten Tropfen, trank und unter dessen Mauern der goldne Erinnerungskelch versank, kann sich der Gründliche unter den verschiedenen uralten Ruinen, die Ziegler hier fand*), aussuchen. Daß es auch später noch Poesie auf den Shetlands-Jnseln oder wie wir jetzt vielleicht sagen dürfen, in der Illtimg. ?KuIö gab, hat Walter Scott in seinem „Piraten" sehr anmuthig dargethan. Jetzt soll man sich derartige Dinge abgewöhnt haben und nur die Interessen der Schafzucht, des Gerste- und Haferbaus, des Kelpbrennens und der Heringsfischerei verfolgen. Sollen wir zum Schluß Thule-Shetland noch etwas genauer schildern, so zählt der Archipel 25 bewohnte Inseln, auf denen ungefähr 32,000 Men¬ schen leben. Die übrigen Eilande, Hokus oder Skerries genannt, dienen nur zur Viehweide. Die größte, wie bemerkt, Mainland genannt, ist von vielen Föhrden und Buchten eingeschnitten, reich an wilden Klippen und Vor¬ gebirgen, im Ganzen aber, schon weil es an Wald fehlt, ein Bild der Oede und Schwermut!). Sie trägt auf ihrer Ostseite die einzige Stadt der ganzen Inselgruppe, das von etwas über dreitausend Menschen bewohnte Lerwick. Keines der Eilande ist gebirgig zu nennen, der höchste Berg auf ihnen ist der nicht ganz 1500 Fuß hohe Roonas Hill. Im Allgemeinen zeigen die wellenförmig gebogenen Hügelrücken eine Höhe von weniger als 500 Fuß. Sie sind mit einem blassen Grün, einer dünnen Moos- und Grasdecke spär¬ lich überzogen, und wo der Untergrund nicht in Torf besteht, tritt häusig das Meine Reisen im Norden. Von Alexander Ziegler. Leipzig, I. I. Weber. 1S60, Erster Band S. 290 ff.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111431/34>, abgerufen am 25.08.2024.