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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band.

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nagelte", einige derselben, namentlich der um die katholische Literatur Tirol's
hochverdiente Stadtpfnrrer Komcter, dem Gemeindeausschuß beigesellt wur¬
den. Die meisten Gewühlten zählten sich zu den Liberalen, ein Ruhm, den
sich auch der Bürgermeister Carl Adam und sein Stellvertreter Martin Mayr
nicht nehmen lassen. Die Erkürung des Protestanten Wilhelm zum ersten
Mcigistrntsrath begeisterte die Klerikalen als eine Demonstration gegen die
Glaubcnseinheit. da sie am wackeren Manne nichts als die Verschiedenheit
seiner religiösen Ueberzeugung auszustellen vermochten. In Meran errang
die liberale Partei den Sieg rein und vollständig, in Bozen mit sehr über¬
wiegender Mehrheit, doch dürfte in diesen beiden Städten die Mißwirthschaft
des früheren Magistrats und manche Familieneifersucht ein nicht unbeträcht¬
liches Contingent von Bundestruppen gestellt haben. Auf dem Lande erhiel¬
te" meist die Klerikalen die Oberhand.

Bald darauf folgten nach dem Erscheinen des Patents vom 26. Februar
und der neuen Landtagsordnungen auch die Landtagswahlen. Es waren
hierdurch die früher erlassenen vier Statute aufgehoben, und auch "den ge¬
treuen Ständen" der damit bedachten Provinzen die weitere Entwicklung und
Umbildung nach den Verhältnissen und Bedürfnissen der Gegenwart gestattet.
Man konnte sich kaum schlagender ausdrücken, denn im Grunde erwiesen sich
die neuen Landesvertretungen nur als eine verbesserte und vermehrte Ausgabe
der alten. Der tiroler Landtag hatte hiernach aus 68 Mitgliedern zu bestehen,
8 aus dem Klerus mit Einschluß des Rector magnificus der Landesuniver-
sität, also möglicherweise eines der Jesuiten, die dort über Theologie lesen,
10 aus dem großen adeligen Grundbesitze, wobei eine jährliche Steuer von
nur 50 Fi. sser. Wahr. 220 Edlen aus dem ganzen Lande das Wahlrecht
ertheilte. 16 aus den Städten, Märkten und Handelskammern, 34 endlich aus
den Landgemeinden und Bauern. Auch in dieser Lebensfrage hatte der Erz¬
herzog-Statthalter durch seine persönliche Vermittlung eine ausnahmsweise
Begünstigung des Klerus vor anderen Provinzen durchgesetzt. Wahrend
nämlich in allen Landesordnungen nur die Bischöfe und der Rector magni¬
ficus den Klerus und die Wissenschaft vertraten, erhielten hier nach gutem
alten Brauch noch zehn Achte und Pröbste nebst dem Landescomthur des
deutschen Ordens vier Stimmen, das schon gedruckte Statut mußte wegen
dieser unausweichlichen Verbesserung ungedruckt werden, und erschien deßhalb
um einen Tag später als die übrigen. Außer diesem Zeichen besonderer Gunst
"hielt noch der Fürstbischof von Brixen vom Erzherzog-Statthalter insgeheim
une Aufforderung möglichst dahin zu wirke", daß keine Männer der Oppo¬
sition in den Landtag kommen. Um dieser zu entsprechen und nebenbei in
allen dre Interessen des Klerus etwa berührenden Fragen (und wo fehlten
solche?) eines günstigen Erfolges gewiß zu sein, konnte man wol nichts Besseres


nagelte", einige derselben, namentlich der um die katholische Literatur Tirol's
hochverdiente Stadtpfnrrer Komcter, dem Gemeindeausschuß beigesellt wur¬
den. Die meisten Gewühlten zählten sich zu den Liberalen, ein Ruhm, den
sich auch der Bürgermeister Carl Adam und sein Stellvertreter Martin Mayr
nicht nehmen lassen. Die Erkürung des Protestanten Wilhelm zum ersten
Mcigistrntsrath begeisterte die Klerikalen als eine Demonstration gegen die
Glaubcnseinheit. da sie am wackeren Manne nichts als die Verschiedenheit
seiner religiösen Ueberzeugung auszustellen vermochten. In Meran errang
die liberale Partei den Sieg rein und vollständig, in Bozen mit sehr über¬
wiegender Mehrheit, doch dürfte in diesen beiden Städten die Mißwirthschaft
des früheren Magistrats und manche Familieneifersucht ein nicht unbeträcht¬
liches Contingent von Bundestruppen gestellt haben. Auf dem Lande erhiel¬
te» meist die Klerikalen die Oberhand.

Bald darauf folgten nach dem Erscheinen des Patents vom 26. Februar
und der neuen Landtagsordnungen auch die Landtagswahlen. Es waren
hierdurch die früher erlassenen vier Statute aufgehoben, und auch „den ge¬
treuen Ständen" der damit bedachten Provinzen die weitere Entwicklung und
Umbildung nach den Verhältnissen und Bedürfnissen der Gegenwart gestattet.
Man konnte sich kaum schlagender ausdrücken, denn im Grunde erwiesen sich
die neuen Landesvertretungen nur als eine verbesserte und vermehrte Ausgabe
der alten. Der tiroler Landtag hatte hiernach aus 68 Mitgliedern zu bestehen,
8 aus dem Klerus mit Einschluß des Rector magnificus der Landesuniver-
sität, also möglicherweise eines der Jesuiten, die dort über Theologie lesen,
10 aus dem großen adeligen Grundbesitze, wobei eine jährliche Steuer von
nur 50 Fi. sser. Wahr. 220 Edlen aus dem ganzen Lande das Wahlrecht
ertheilte. 16 aus den Städten, Märkten und Handelskammern, 34 endlich aus
den Landgemeinden und Bauern. Auch in dieser Lebensfrage hatte der Erz¬
herzog-Statthalter durch seine persönliche Vermittlung eine ausnahmsweise
Begünstigung des Klerus vor anderen Provinzen durchgesetzt. Wahrend
nämlich in allen Landesordnungen nur die Bischöfe und der Rector magni¬
ficus den Klerus und die Wissenschaft vertraten, erhielten hier nach gutem
alten Brauch noch zehn Achte und Pröbste nebst dem Landescomthur des
deutschen Ordens vier Stimmen, das schon gedruckte Statut mußte wegen
dieser unausweichlichen Verbesserung ungedruckt werden, und erschien deßhalb
um einen Tag später als die übrigen. Außer diesem Zeichen besonderer Gunst
"hielt noch der Fürstbischof von Brixen vom Erzherzog-Statthalter insgeheim
une Aufforderung möglichst dahin zu wirke«, daß keine Männer der Oppo¬
sition in den Landtag kommen. Um dieser zu entsprechen und nebenbei in
allen dre Interessen des Klerus etwa berührenden Fragen (und wo fehlten
solche?) eines günstigen Erfolges gewiß zu sein, konnte man wol nichts Besseres


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111431/337>, abgerufen am 24.08.2024.