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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band.

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Ich kenne die christliche Religion wohl und weiß ihren hohen comparativen
Werth gewiß zu schätzen; dennoch kann ich ein Gefühl theilnehmender Furcht
nicht unterdrücken bei dem Gedanken, daß zu dem politischen und socialen
Drucke, unter dem dies sinnige Volk zu seufzen hat, sich noch der Druck einer
zelotischer christlichen Hierarchie gesellen sollte.

Ich habe versucht, das Bild der Landschaft, den Charakter des Menschen
und den Geist der Institutionen in ihrem wechselseitigen Zusammenhange zu
zeichnen; es fehlt noch Eins. -- das Bild des äußeren Menschen und seine
Congruenz mit dem Charakter und den Institutionen,

Der Japaner bleibt ein wenig hinter der Größe der Nordeuropäer zurück;
dies spricht sich noch entschiedener beim weiblichen Geschlechte aus. Die
Figur ist im Ganzen kräftig entwickelt, horizontalschulterig, breitrückig; auf¬
fallend bevorzugte Schenkelbildung; die Haltung etwas gebückt, der Kopf
leise vorgebeugt, wie bei Menschen, die vorsichtig ihr Auge und Ohr ihrem
Wege voraussendcn; dem Gange fehlt die schöne männliche Festigkeit, der
Ausdruck selbstbewußter Kraft; es ist eigentlich kein Gang, es ist ein Vor¬
wärtsschieben, ihrer Fußbekleidung fehlt der festauftrctende Absatz; sie kennen
nicht Stiefel oder Schuh, sie haben nur die Strohsandale, die durch ein
Band zwischen der großen und der zweiten Zehe festgehalten wird; nur da¬
durch daß der Fuß vorwärts gehoben wird, kann sich die Sandale daran
halten. Sieht man diese Fußbekleidung und betrachtet dazu den langen, eng¬
anschließenden, vorne knapp übereinandcrschlagenden Rock, von breitem Gürtel
zusammengehalten, so prägt sich auch hier ganz äußerlich aus, daß dies kein
Volk der Bewegung ist. Aber auch die süße Behaglichkeit ruhigen Sinnes
mit fester Rückenlehne ist ihnen versagt; sie sitzen nur auf ihren Fußsohlen,
sie hocken; eine Stellung, die sie mehr als jede andere befähigt, in jedem
Augenblicke schnell aufrecht zu stehen und irgend einem Ereignisse auszu¬
weichen.

Der Kops des Japaners und namentlich bei den höheren Gesellschafts¬
klassen ist schmal, die Stirn, wenn nicht breit, so doch meistens hoch und schein-
bar noch erhöht durch das Rasiren des Oberkopfes; die Stirnen sind klar,
aber nicht sein ausgemeißelt; es sind große leere Flüchen; die Industrie des
Gedankens hat noch keine Schöpfungen darauf verzeichnet, die sich allmälig
erblich dem Schädelknochen imprügnirt hätten, die Armuth und Eintönigkeit
aller Lebenssituationen hat keine originellen und scharf ausgeprägten Charak¬
tere erzeugt, als deren äußere Chiffer wir in der civilisirten Welt die Stirne
zu betrachten pflegen. Das Auge des Japaners ist groß, rund, glänzend,
aber stumm; in seine schwarzbraune Nacht versinken die Bilder alles Dessen,
was um ihn ist und wird; aber es strahlt nichts wieder heraus, es ist ledig¬
lich reccptiv. Die Nase ist entweder schmal zusammengepreßt und etwas


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Ich kenne die christliche Religion wohl und weiß ihren hohen comparativen
Werth gewiß zu schätzen; dennoch kann ich ein Gefühl theilnehmender Furcht
nicht unterdrücken bei dem Gedanken, daß zu dem politischen und socialen
Drucke, unter dem dies sinnige Volk zu seufzen hat, sich noch der Druck einer
zelotischer christlichen Hierarchie gesellen sollte.

Ich habe versucht, das Bild der Landschaft, den Charakter des Menschen
und den Geist der Institutionen in ihrem wechselseitigen Zusammenhange zu
zeichnen; es fehlt noch Eins. — das Bild des äußeren Menschen und seine
Congruenz mit dem Charakter und den Institutionen,

Der Japaner bleibt ein wenig hinter der Größe der Nordeuropäer zurück;
dies spricht sich noch entschiedener beim weiblichen Geschlechte aus. Die
Figur ist im Ganzen kräftig entwickelt, horizontalschulterig, breitrückig; auf¬
fallend bevorzugte Schenkelbildung; die Haltung etwas gebückt, der Kopf
leise vorgebeugt, wie bei Menschen, die vorsichtig ihr Auge und Ohr ihrem
Wege voraussendcn; dem Gange fehlt die schöne männliche Festigkeit, der
Ausdruck selbstbewußter Kraft; es ist eigentlich kein Gang, es ist ein Vor¬
wärtsschieben, ihrer Fußbekleidung fehlt der festauftrctende Absatz; sie kennen
nicht Stiefel oder Schuh, sie haben nur die Strohsandale, die durch ein
Band zwischen der großen und der zweiten Zehe festgehalten wird; nur da¬
durch daß der Fuß vorwärts gehoben wird, kann sich die Sandale daran
halten. Sieht man diese Fußbekleidung und betrachtet dazu den langen, eng¬
anschließenden, vorne knapp übereinandcrschlagenden Rock, von breitem Gürtel
zusammengehalten, so prägt sich auch hier ganz äußerlich aus, daß dies kein
Volk der Bewegung ist. Aber auch die süße Behaglichkeit ruhigen Sinnes
mit fester Rückenlehne ist ihnen versagt; sie sitzen nur auf ihren Fußsohlen,
sie hocken; eine Stellung, die sie mehr als jede andere befähigt, in jedem
Augenblicke schnell aufrecht zu stehen und irgend einem Ereignisse auszu¬
weichen.

Der Kops des Japaners und namentlich bei den höheren Gesellschafts¬
klassen ist schmal, die Stirn, wenn nicht breit, so doch meistens hoch und schein-
bar noch erhöht durch das Rasiren des Oberkopfes; die Stirnen sind klar,
aber nicht sein ausgemeißelt; es sind große leere Flüchen; die Industrie des
Gedankens hat noch keine Schöpfungen darauf verzeichnet, die sich allmälig
erblich dem Schädelknochen imprügnirt hätten, die Armuth und Eintönigkeit
aller Lebenssituationen hat keine originellen und scharf ausgeprägten Charak¬
tere erzeugt, als deren äußere Chiffer wir in der civilisirten Welt die Stirne
zu betrachten pflegen. Das Auge des Japaners ist groß, rund, glänzend,
aber stumm; in seine schwarzbraune Nacht versinken die Bilder alles Dessen,
was um ihn ist und wird; aber es strahlt nichts wieder heraus, es ist ledig¬
lich reccptiv. Die Nase ist entweder schmal zusammengepreßt und etwas


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[0325] Ich kenne die christliche Religion wohl und weiß ihren hohen comparativen Werth gewiß zu schätzen; dennoch kann ich ein Gefühl theilnehmender Furcht nicht unterdrücken bei dem Gedanken, daß zu dem politischen und socialen Drucke, unter dem dies sinnige Volk zu seufzen hat, sich noch der Druck einer zelotischer christlichen Hierarchie gesellen sollte. Ich habe versucht, das Bild der Landschaft, den Charakter des Menschen und den Geist der Institutionen in ihrem wechselseitigen Zusammenhange zu zeichnen; es fehlt noch Eins. — das Bild des äußeren Menschen und seine Congruenz mit dem Charakter und den Institutionen, Der Japaner bleibt ein wenig hinter der Größe der Nordeuropäer zurück; dies spricht sich noch entschiedener beim weiblichen Geschlechte aus. Die Figur ist im Ganzen kräftig entwickelt, horizontalschulterig, breitrückig; auf¬ fallend bevorzugte Schenkelbildung; die Haltung etwas gebückt, der Kopf leise vorgebeugt, wie bei Menschen, die vorsichtig ihr Auge und Ohr ihrem Wege voraussendcn; dem Gange fehlt die schöne männliche Festigkeit, der Ausdruck selbstbewußter Kraft; es ist eigentlich kein Gang, es ist ein Vor¬ wärtsschieben, ihrer Fußbekleidung fehlt der festauftrctende Absatz; sie kennen nicht Stiefel oder Schuh, sie haben nur die Strohsandale, die durch ein Band zwischen der großen und der zweiten Zehe festgehalten wird; nur da¬ durch daß der Fuß vorwärts gehoben wird, kann sich die Sandale daran halten. Sieht man diese Fußbekleidung und betrachtet dazu den langen, eng¬ anschließenden, vorne knapp übereinandcrschlagenden Rock, von breitem Gürtel zusammengehalten, so prägt sich auch hier ganz äußerlich aus, daß dies kein Volk der Bewegung ist. Aber auch die süße Behaglichkeit ruhigen Sinnes mit fester Rückenlehne ist ihnen versagt; sie sitzen nur auf ihren Fußsohlen, sie hocken; eine Stellung, die sie mehr als jede andere befähigt, in jedem Augenblicke schnell aufrecht zu stehen und irgend einem Ereignisse auszu¬ weichen. Der Kops des Japaners und namentlich bei den höheren Gesellschafts¬ klassen ist schmal, die Stirn, wenn nicht breit, so doch meistens hoch und schein- bar noch erhöht durch das Rasiren des Oberkopfes; die Stirnen sind klar, aber nicht sein ausgemeißelt; es sind große leere Flüchen; die Industrie des Gedankens hat noch keine Schöpfungen darauf verzeichnet, die sich allmälig erblich dem Schädelknochen imprügnirt hätten, die Armuth und Eintönigkeit aller Lebenssituationen hat keine originellen und scharf ausgeprägten Charak¬ tere erzeugt, als deren äußere Chiffer wir in der civilisirten Welt die Stirne zu betrachten pflegen. Das Auge des Japaners ist groß, rund, glänzend, aber stumm; in seine schwarzbraune Nacht versinken die Bilder alles Dessen, was um ihn ist und wird; aber es strahlt nichts wieder heraus, es ist ledig¬ lich reccptiv. Die Nase ist entweder schmal zusammengepreßt und etwas 40*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111431/325>, abgerufen am 01.07.2024.