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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band.

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die Aehnlichkeit mit Katze oder Mops sich zu streiten schienen, büßten in
keiner Beziehung dadurch ein, daß der Kopf beinahe rosirt war und das
Aussehen hatte wie ein gut geschorener schwarzer Pudel. Es war eine
rohe Kasernenfigur durch und durch, und wol schwerlich viele Wochen ver¬
flossen, seitdem er als ausrangirter Unteroffizier der piemontesischen Armee
in einer weniger prachtvollen Tracht sich sehen ließ. Rcmgirt man zwischen
ihn und den Major die Herren, welche Ofsiziermützen trugen, so hat man
mit drei oder vier Ausnahmen eine vollständige Gallerie der künstigen Kampf¬
genossen, wie sie sich an Bord des Dampfbotes befand. Mein Franzose
meinte von der Mehrzahl dieser Herren weder die zum Offizier nöthige Bildung
noch die ebenso nothwendige untadelliafte Conduite voraussetzen zu dürfen.
Ich suspendirte mein Urtheil -- der Schein trügt, und nirgends mehr als
im Soldatenstande.

Die Gruppe, welche sich zum Appel gestellt, bestand wol der Mehrzahl nach
aus Handwerksburschen und Arbeitern, die das Gefühl für Freiheit und Vater¬
land, welches ja in großen Zeiten so vielfach ins Leben dieser Klassen hinein¬
greift, ohne daß sie selbst davon einen klaren Begriff haben, zu den Fahnen
- Garibaldi's geführt hatte. Wenigstens habe ich spater uuter diesen Leuten
Mehr Patriotismus. Uneigennützigst und Aufopferung gefunden, als stufen¬
weise weiter hinaus.

Uebrigens waren unter den Versammelten alle Nationen vertreten, selbst
Schwarze erblickte ich darunter, nur Deutsche schienen nicht dabei zu sein.
Einzelne sahen nicht besonders vertrauenerweckend aus, und manchen -- na¬
mentlich dreien in Mönchskutten -- wäre ich nicht gern unbewaffnet, in ein¬
samer Gegend begegnet. Der Galizier. der in dieselbe Kategorie gehörte,
wurde auch ausgerufen. Er schien erst nicht auf seinen Namen zu hören.
Endlich aber mochte er sich erinnern, daß er jetzt so hieß, und trat hervor.

Die Figuren, die gestern fern von den Andern an den Masten gestanden,
hielten sich auch jetzt entfernt. Gerufen, grüßten sie kurz, traten vor, nahmen
die kleine Löhnung' in Empfang und gingen zurück.

Das Essen ist bei einer längeren Seereise zugleich ein Bedürfniß und ein
Zeitvertreib.

So wurde auch hier mit sichtlichem Vergnügen sowol Frühstück als Mittags-
essen eingenommen. Die Ansprüche einer ersten Cajüte konnte die zweite eben¬
sowenig befriedigen, als ein Vergleich zwischen italienischer und deutscher Küche
""gestellt werden kann. Indeß ließ man sich's so gut schmecken, daß dem
Oberkellner mehr als einmal über den Appetit seiner Pflegebefohlenen ein
-'ok1g,<Z^,t.<) tempo!" entschlüpfte.

Um die offenen Fenster des Skylights standen einige pauvres Koriteux
"on den Freiwilligen. Möglich, daß einige in früheren Zeiten mehr als


die Aehnlichkeit mit Katze oder Mops sich zu streiten schienen, büßten in
keiner Beziehung dadurch ein, daß der Kopf beinahe rosirt war und das
Aussehen hatte wie ein gut geschorener schwarzer Pudel. Es war eine
rohe Kasernenfigur durch und durch, und wol schwerlich viele Wochen ver¬
flossen, seitdem er als ausrangirter Unteroffizier der piemontesischen Armee
in einer weniger prachtvollen Tracht sich sehen ließ. Rcmgirt man zwischen
ihn und den Major die Herren, welche Ofsiziermützen trugen, so hat man
mit drei oder vier Ausnahmen eine vollständige Gallerie der künstigen Kampf¬
genossen, wie sie sich an Bord des Dampfbotes befand. Mein Franzose
meinte von der Mehrzahl dieser Herren weder die zum Offizier nöthige Bildung
noch die ebenso nothwendige untadelliafte Conduite voraussetzen zu dürfen.
Ich suspendirte mein Urtheil — der Schein trügt, und nirgends mehr als
im Soldatenstande.

Die Gruppe, welche sich zum Appel gestellt, bestand wol der Mehrzahl nach
aus Handwerksburschen und Arbeitern, die das Gefühl für Freiheit und Vater¬
land, welches ja in großen Zeiten so vielfach ins Leben dieser Klassen hinein¬
greift, ohne daß sie selbst davon einen klaren Begriff haben, zu den Fahnen
- Garibaldi's geführt hatte. Wenigstens habe ich spater uuter diesen Leuten
Mehr Patriotismus. Uneigennützigst und Aufopferung gefunden, als stufen¬
weise weiter hinaus.

Uebrigens waren unter den Versammelten alle Nationen vertreten, selbst
Schwarze erblickte ich darunter, nur Deutsche schienen nicht dabei zu sein.
Einzelne sahen nicht besonders vertrauenerweckend aus, und manchen — na¬
mentlich dreien in Mönchskutten — wäre ich nicht gern unbewaffnet, in ein¬
samer Gegend begegnet. Der Galizier. der in dieselbe Kategorie gehörte,
wurde auch ausgerufen. Er schien erst nicht auf seinen Namen zu hören.
Endlich aber mochte er sich erinnern, daß er jetzt so hieß, und trat hervor.

Die Figuren, die gestern fern von den Andern an den Masten gestanden,
hielten sich auch jetzt entfernt. Gerufen, grüßten sie kurz, traten vor, nahmen
die kleine Löhnung' in Empfang und gingen zurück.

Das Essen ist bei einer längeren Seereise zugleich ein Bedürfniß und ein
Zeitvertreib.

So wurde auch hier mit sichtlichem Vergnügen sowol Frühstück als Mittags-
essen eingenommen. Die Ansprüche einer ersten Cajüte konnte die zweite eben¬
sowenig befriedigen, als ein Vergleich zwischen italienischer und deutscher Küche
""gestellt werden kann. Indeß ließ man sich's so gut schmecken, daß dem
Oberkellner mehr als einmal über den Appetit seiner Pflegebefohlenen ein
-'ok1g,<Z^,t.<) tempo!" entschlüpfte.

Um die offenen Fenster des Skylights standen einige pauvres Koriteux
»on den Freiwilligen. Möglich, daß einige in früheren Zeiten mehr als


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[0271] die Aehnlichkeit mit Katze oder Mops sich zu streiten schienen, büßten in keiner Beziehung dadurch ein, daß der Kopf beinahe rosirt war und das Aussehen hatte wie ein gut geschorener schwarzer Pudel. Es war eine rohe Kasernenfigur durch und durch, und wol schwerlich viele Wochen ver¬ flossen, seitdem er als ausrangirter Unteroffizier der piemontesischen Armee in einer weniger prachtvollen Tracht sich sehen ließ. Rcmgirt man zwischen ihn und den Major die Herren, welche Ofsiziermützen trugen, so hat man mit drei oder vier Ausnahmen eine vollständige Gallerie der künstigen Kampf¬ genossen, wie sie sich an Bord des Dampfbotes befand. Mein Franzose meinte von der Mehrzahl dieser Herren weder die zum Offizier nöthige Bildung noch die ebenso nothwendige untadelliafte Conduite voraussetzen zu dürfen. Ich suspendirte mein Urtheil — der Schein trügt, und nirgends mehr als im Soldatenstande. Die Gruppe, welche sich zum Appel gestellt, bestand wol der Mehrzahl nach aus Handwerksburschen und Arbeitern, die das Gefühl für Freiheit und Vater¬ land, welches ja in großen Zeiten so vielfach ins Leben dieser Klassen hinein¬ greift, ohne daß sie selbst davon einen klaren Begriff haben, zu den Fahnen - Garibaldi's geführt hatte. Wenigstens habe ich spater uuter diesen Leuten Mehr Patriotismus. Uneigennützigst und Aufopferung gefunden, als stufen¬ weise weiter hinaus. Uebrigens waren unter den Versammelten alle Nationen vertreten, selbst Schwarze erblickte ich darunter, nur Deutsche schienen nicht dabei zu sein. Einzelne sahen nicht besonders vertrauenerweckend aus, und manchen — na¬ mentlich dreien in Mönchskutten — wäre ich nicht gern unbewaffnet, in ein¬ samer Gegend begegnet. Der Galizier. der in dieselbe Kategorie gehörte, wurde auch ausgerufen. Er schien erst nicht auf seinen Namen zu hören. Endlich aber mochte er sich erinnern, daß er jetzt so hieß, und trat hervor. Die Figuren, die gestern fern von den Andern an den Masten gestanden, hielten sich auch jetzt entfernt. Gerufen, grüßten sie kurz, traten vor, nahmen die kleine Löhnung' in Empfang und gingen zurück. Das Essen ist bei einer längeren Seereise zugleich ein Bedürfniß und ein Zeitvertreib. So wurde auch hier mit sichtlichem Vergnügen sowol Frühstück als Mittags- essen eingenommen. Die Ansprüche einer ersten Cajüte konnte die zweite eben¬ sowenig befriedigen, als ein Vergleich zwischen italienischer und deutscher Küche ""gestellt werden kann. Indeß ließ man sich's so gut schmecken, daß dem Oberkellner mehr als einmal über den Appetit seiner Pflegebefohlenen ein -'ok1g,<Z^,t.<) tempo!" entschlüpfte. Um die offenen Fenster des Skylights standen einige pauvres Koriteux »on den Freiwilligen. Möglich, daß einige in früheren Zeiten mehr als

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111431/271>, abgerufen am 25.08.2024.