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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band.

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gegen Ende derselben zur Zeit, wenn die Entscheidung sich nähert, um den
einen feindlichen Flügel herumschicken kann, die feindliche Cavallerie dort auf¬
zusuchen und zu schlagen, dann Verwirrung und Bestürzung in der feindlichen
Schlacktlinie zu verbreiten, oder wenn das mihlingen sollte, denselben Weg
rasch zurückzumachen und der Armee sich wieder anzuschließen. Zu solchem Reiten
aber geboren vor allen Dingen gute Pferde, Uebung, eine andere Nation als die
jetzige Hungerration, und Prämien für, dreistes Terrain-Reiten. Der unge¬
heuer verbesserten Feuerwaffe gegenüber liegt nur dieser Weg für die Reiterei
vor, ein Stück wenigstens ihrer verlorenen Bedeutung wiederzugewinnen.
Die preußischen Einrichtungen, wie sie bis jetzt bestanden, scheinen mir durch
eine zweckmäßige Verbindung der Landwehr- mit der Linien-Ccwallerie ein
sehr gutes Mittel zu bieten, sich solche Cavallerie in Masse zu schaffen,
ohne daß sie zu viel kostete. Man versuche es nur einmal in einer Provinz,
in Preußen z. B., wo so viele gute Pferde sind, setze ein Linien-Regiment
auf 6 Escadrons mit vollen Chargen und 80--90 Pferden, vertheile die
Augmentationspferde, also 60 -- 70, auf die Rittergüter und großen Bauer¬
höfe, setze seine Reserve-Mannschaften und Landwehren darauf, gebe nach
einer vierwöchentlichen Uebung für ein swkpls crmse dieser Augmentations¬
pferde per Escadron 50 Thlr. und dem Regiment für die 3 besten Pferde je¬
der Escadron, welche zusammentreten, noch einmal 100 Thlr. Prämie, zahle
jeden Verlust gut, und es würde sich bald eine Reiterei zusammenfinden,
besser beritten und besser reitend, als man sie noch je im Lande gesehen. Mit
den alten Ansichten und Einrichtungen gegen solche Vorschläge streiten ist aber
schon darum unstatthaft, weil eben diese alten Ansichten und Einrichtungen die
Waffe auf den heutigen unerwünschten Standpunkt gebracht haben, auf dem
sie nicht stehen bleiben kann, wenn sie nicht immer noch mehr an ihrer Be¬
deutung verlieren soll.

Sie sehen, wie eng sich alle diese Ansichten dem in meinem früheren Ar¬
tikel (in Ur. 7 d. Jahrg. Seite 248 ff,) gemachten Vorschlag anschließen, doch
einen Anfang dazu zu machen, die Sicherheit des Landes auf die eignen
Schultern zu nehmen, was. den Verhältnissen in Deutschland angepaßt, etwa
dadurch geschehen könnte, daß sich Vereine bildeten zur Beförderung der mili¬
tärischen Ausbildung unsrer Jugend vor ihrem Eintritt in das Heer. Die
vortrefflichen Schweizcreinrichtungen geben dazu sehr beherzigenswerthe Winke.
Eine dem englischen Freiwilligen-System nachgebildete Einrichtung wäre schon
darum uicht wol zu treffen, weil in Deutschland, wo überall die Conscription
eingeführt ist, der Grund und Boden dafür fehlen würde. Die waffenfähige
Mannschaft ist eben schon in Anspruch genommen, und es könnte also
bloß in dem Sinne der Selbstbewaffnung des Volkes gewirkt werden, in¬
dem man auf Mittel sänne, den eigentlichen Dienst in der Truppe auf


gegen Ende derselben zur Zeit, wenn die Entscheidung sich nähert, um den
einen feindlichen Flügel herumschicken kann, die feindliche Cavallerie dort auf¬
zusuchen und zu schlagen, dann Verwirrung und Bestürzung in der feindlichen
Schlacktlinie zu verbreiten, oder wenn das mihlingen sollte, denselben Weg
rasch zurückzumachen und der Armee sich wieder anzuschließen. Zu solchem Reiten
aber geboren vor allen Dingen gute Pferde, Uebung, eine andere Nation als die
jetzige Hungerration, und Prämien für, dreistes Terrain-Reiten. Der unge¬
heuer verbesserten Feuerwaffe gegenüber liegt nur dieser Weg für die Reiterei
vor, ein Stück wenigstens ihrer verlorenen Bedeutung wiederzugewinnen.
Die preußischen Einrichtungen, wie sie bis jetzt bestanden, scheinen mir durch
eine zweckmäßige Verbindung der Landwehr- mit der Linien-Ccwallerie ein
sehr gutes Mittel zu bieten, sich solche Cavallerie in Masse zu schaffen,
ohne daß sie zu viel kostete. Man versuche es nur einmal in einer Provinz,
in Preußen z. B., wo so viele gute Pferde sind, setze ein Linien-Regiment
auf 6 Escadrons mit vollen Chargen und 80—90 Pferden, vertheile die
Augmentationspferde, also 60 — 70, auf die Rittergüter und großen Bauer¬
höfe, setze seine Reserve-Mannschaften und Landwehren darauf, gebe nach
einer vierwöchentlichen Uebung für ein swkpls crmse dieser Augmentations¬
pferde per Escadron 50 Thlr. und dem Regiment für die 3 besten Pferde je¬
der Escadron, welche zusammentreten, noch einmal 100 Thlr. Prämie, zahle
jeden Verlust gut, und es würde sich bald eine Reiterei zusammenfinden,
besser beritten und besser reitend, als man sie noch je im Lande gesehen. Mit
den alten Ansichten und Einrichtungen gegen solche Vorschläge streiten ist aber
schon darum unstatthaft, weil eben diese alten Ansichten und Einrichtungen die
Waffe auf den heutigen unerwünschten Standpunkt gebracht haben, auf dem
sie nicht stehen bleiben kann, wenn sie nicht immer noch mehr an ihrer Be¬
deutung verlieren soll.

Sie sehen, wie eng sich alle diese Ansichten dem in meinem früheren Ar¬
tikel (in Ur. 7 d. Jahrg. Seite 248 ff,) gemachten Vorschlag anschließen, doch
einen Anfang dazu zu machen, die Sicherheit des Landes auf die eignen
Schultern zu nehmen, was. den Verhältnissen in Deutschland angepaßt, etwa
dadurch geschehen könnte, daß sich Vereine bildeten zur Beförderung der mili¬
tärischen Ausbildung unsrer Jugend vor ihrem Eintritt in das Heer. Die
vortrefflichen Schweizcreinrichtungen geben dazu sehr beherzigenswerthe Winke.
Eine dem englischen Freiwilligen-System nachgebildete Einrichtung wäre schon
darum uicht wol zu treffen, weil in Deutschland, wo überall die Conscription
eingeführt ist, der Grund und Boden dafür fehlen würde. Die waffenfähige
Mannschaft ist eben schon in Anspruch genommen, und es könnte also
bloß in dem Sinne der Selbstbewaffnung des Volkes gewirkt werden, in¬
dem man auf Mittel sänne, den eigentlichen Dienst in der Truppe auf


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[0228] gegen Ende derselben zur Zeit, wenn die Entscheidung sich nähert, um den einen feindlichen Flügel herumschicken kann, die feindliche Cavallerie dort auf¬ zusuchen und zu schlagen, dann Verwirrung und Bestürzung in der feindlichen Schlacktlinie zu verbreiten, oder wenn das mihlingen sollte, denselben Weg rasch zurückzumachen und der Armee sich wieder anzuschließen. Zu solchem Reiten aber geboren vor allen Dingen gute Pferde, Uebung, eine andere Nation als die jetzige Hungerration, und Prämien für, dreistes Terrain-Reiten. Der unge¬ heuer verbesserten Feuerwaffe gegenüber liegt nur dieser Weg für die Reiterei vor, ein Stück wenigstens ihrer verlorenen Bedeutung wiederzugewinnen. Die preußischen Einrichtungen, wie sie bis jetzt bestanden, scheinen mir durch eine zweckmäßige Verbindung der Landwehr- mit der Linien-Ccwallerie ein sehr gutes Mittel zu bieten, sich solche Cavallerie in Masse zu schaffen, ohne daß sie zu viel kostete. Man versuche es nur einmal in einer Provinz, in Preußen z. B., wo so viele gute Pferde sind, setze ein Linien-Regiment auf 6 Escadrons mit vollen Chargen und 80—90 Pferden, vertheile die Augmentationspferde, also 60 — 70, auf die Rittergüter und großen Bauer¬ höfe, setze seine Reserve-Mannschaften und Landwehren darauf, gebe nach einer vierwöchentlichen Uebung für ein swkpls crmse dieser Augmentations¬ pferde per Escadron 50 Thlr. und dem Regiment für die 3 besten Pferde je¬ der Escadron, welche zusammentreten, noch einmal 100 Thlr. Prämie, zahle jeden Verlust gut, und es würde sich bald eine Reiterei zusammenfinden, besser beritten und besser reitend, als man sie noch je im Lande gesehen. Mit den alten Ansichten und Einrichtungen gegen solche Vorschläge streiten ist aber schon darum unstatthaft, weil eben diese alten Ansichten und Einrichtungen die Waffe auf den heutigen unerwünschten Standpunkt gebracht haben, auf dem sie nicht stehen bleiben kann, wenn sie nicht immer noch mehr an ihrer Be¬ deutung verlieren soll. Sie sehen, wie eng sich alle diese Ansichten dem in meinem früheren Ar¬ tikel (in Ur. 7 d. Jahrg. Seite 248 ff,) gemachten Vorschlag anschließen, doch einen Anfang dazu zu machen, die Sicherheit des Landes auf die eignen Schultern zu nehmen, was. den Verhältnissen in Deutschland angepaßt, etwa dadurch geschehen könnte, daß sich Vereine bildeten zur Beförderung der mili¬ tärischen Ausbildung unsrer Jugend vor ihrem Eintritt in das Heer. Die vortrefflichen Schweizcreinrichtungen geben dazu sehr beherzigenswerthe Winke. Eine dem englischen Freiwilligen-System nachgebildete Einrichtung wäre schon darum uicht wol zu treffen, weil in Deutschland, wo überall die Conscription eingeführt ist, der Grund und Boden dafür fehlen würde. Die waffenfähige Mannschaft ist eben schon in Anspruch genommen, und es könnte also bloß in dem Sinne der Selbstbewaffnung des Volkes gewirkt werden, in¬ dem man auf Mittel sänne, den eigentlichen Dienst in der Truppe auf

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111431/228>, abgerufen am 01.07.2024.