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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band.

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Wenn diese souveränen deutschen Steinlen jetzt nach Ablauf von zwölf
Jahren dem Beispiele Preußens noch nicht gefolgt sind, wenn sie weder für
die active Vertheidigung ihrer Küsten noch für den Schutz ihres Handels und
ihrer Schiffe gesorgt haben, so dürfen wir darin keineswegs den' Abglanz
höherer patriotischer Weisheit erblicken. Wol aber dürfen wir fragen, wes¬
halb denn die ernsten und beschämenden Lehren einer so nahen Vergangenheit
an ihnen spurlos vorübergegangen sind? Und wir gestehen, daß es uns schwer
wird, eine Antwort ans diese Frage zu finden. Ist es Mangel ein dem¬
jenigen patriotischen Geist,, ans den der Hamburger, Bremer und Hanno¬
veraner sonst doch stolz zu sein pflegt? Ist es jene in Deutschland so oft vor¬
kommende Neigung, den Nachbarn (hier Preußen) zuzumuthen, was man selbst
zu thun unterläßt? Ist es die Lähmung des nationalen und staatlichen Sin¬
nes, welche sich bei starker Ausbildung des provinziellen und communalen
Lebens, wie es in Hannover, Mecklenburg und den Hansestädten existirt, häufig
findet? Fühlen jene Staaten sich nur als Provinzen und Communen, denen
nur die Fiction der Souveränetät anhaftet, und sind sie gefühllos für die
höheren Aufgaben einer wirklichen Staatsgesellschaft? Oder wäre es bei allen
jenen Regierungen derselbe Mangel an nationalem Ehrgefühl und patriotischem
Interesse, der einige von ihnen berühmt gemacht hat?

Wir wollen diese Fragen hier nicht zu beantworten suchen. Wir wollen
aber constatiren, daß jene Staaten allem Altsch'ein nach einem neuen See¬
kriege entgegengehen, wenn man anders den Kampf Bewaffneter gegen Wehr¬
lose überhaupt einen Krieg nennen kann, jedenfalls einer neuen und vielleicht
einer radicalen Zerstörung ihres Handels und ihrer Schifffahrt, der Quelle
ihres Wohlstandes. Wir wollen hier schon andeuten, daß eine jener Regie¬
rungen und gerade diejenige, welche am eifrigsten jenen Krieg heraufbeschworen
hat. den von Preußen am Bunde vorgeschlagenen Maßregeln zur Vertheidigung
der deutschen Küsten entgegenarbeitet.

Deutschland aber wird erkennen, was ihm seine seebespülten Küsten mit
einer rüstigen .und thätigen seemännischen Bevölkerung nützen, so lange sie
in den Händen von Staaten sind, denen "nicht die Macht, wol aber der Sir"
für die nationalen Aufgaben fehlt.

Indessen, so lange einmal diese Verhältnisse, wie sie jetzt in Deutschland
herrschen, dauern, müssen wir mit denselben rechnen. Wir werden in den
nächsten Artikeln auf Grund der bestehenden Verhältnisse die Seevertheidignng
Deutschlands und insbesondere seine Vertheidigung gegen Dänemark in Be¬
tracht ziehen.

Es ist möglich, daß es noch nicht zu spät ist, diese nationale Lebensfrage
zu erörtern.




Wenn diese souveränen deutschen Steinlen jetzt nach Ablauf von zwölf
Jahren dem Beispiele Preußens noch nicht gefolgt sind, wenn sie weder für
die active Vertheidigung ihrer Küsten noch für den Schutz ihres Handels und
ihrer Schiffe gesorgt haben, so dürfen wir darin keineswegs den' Abglanz
höherer patriotischer Weisheit erblicken. Wol aber dürfen wir fragen, wes¬
halb denn die ernsten und beschämenden Lehren einer so nahen Vergangenheit
an ihnen spurlos vorübergegangen sind? Und wir gestehen, daß es uns schwer
wird, eine Antwort ans diese Frage zu finden. Ist es Mangel ein dem¬
jenigen patriotischen Geist,, ans den der Hamburger, Bremer und Hanno¬
veraner sonst doch stolz zu sein pflegt? Ist es jene in Deutschland so oft vor¬
kommende Neigung, den Nachbarn (hier Preußen) zuzumuthen, was man selbst
zu thun unterläßt? Ist es die Lähmung des nationalen und staatlichen Sin¬
nes, welche sich bei starker Ausbildung des provinziellen und communalen
Lebens, wie es in Hannover, Mecklenburg und den Hansestädten existirt, häufig
findet? Fühlen jene Staaten sich nur als Provinzen und Communen, denen
nur die Fiction der Souveränetät anhaftet, und sind sie gefühllos für die
höheren Aufgaben einer wirklichen Staatsgesellschaft? Oder wäre es bei allen
jenen Regierungen derselbe Mangel an nationalem Ehrgefühl und patriotischem
Interesse, der einige von ihnen berühmt gemacht hat?

Wir wollen diese Fragen hier nicht zu beantworten suchen. Wir wollen
aber constatiren, daß jene Staaten allem Altsch'ein nach einem neuen See¬
kriege entgegengehen, wenn man anders den Kampf Bewaffneter gegen Wehr¬
lose überhaupt einen Krieg nennen kann, jedenfalls einer neuen und vielleicht
einer radicalen Zerstörung ihres Handels und ihrer Schifffahrt, der Quelle
ihres Wohlstandes. Wir wollen hier schon andeuten, daß eine jener Regie¬
rungen und gerade diejenige, welche am eifrigsten jenen Krieg heraufbeschworen
hat. den von Preußen am Bunde vorgeschlagenen Maßregeln zur Vertheidigung
der deutschen Küsten entgegenarbeitet.

Deutschland aber wird erkennen, was ihm seine seebespülten Küsten mit
einer rüstigen .und thätigen seemännischen Bevölkerung nützen, so lange sie
in den Händen von Staaten sind, denen »nicht die Macht, wol aber der Sir»
für die nationalen Aufgaben fehlt.

Indessen, so lange einmal diese Verhältnisse, wie sie jetzt in Deutschland
herrschen, dauern, müssen wir mit denselben rechnen. Wir werden in den
nächsten Artikeln auf Grund der bestehenden Verhältnisse die Seevertheidignng
Deutschlands und insbesondere seine Vertheidigung gegen Dänemark in Be¬
tracht ziehen.

Es ist möglich, daß es noch nicht zu spät ist, diese nationale Lebensfrage
zu erörtern.




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[0220] Wenn diese souveränen deutschen Steinlen jetzt nach Ablauf von zwölf Jahren dem Beispiele Preußens noch nicht gefolgt sind, wenn sie weder für die active Vertheidigung ihrer Küsten noch für den Schutz ihres Handels und ihrer Schiffe gesorgt haben, so dürfen wir darin keineswegs den' Abglanz höherer patriotischer Weisheit erblicken. Wol aber dürfen wir fragen, wes¬ halb denn die ernsten und beschämenden Lehren einer so nahen Vergangenheit an ihnen spurlos vorübergegangen sind? Und wir gestehen, daß es uns schwer wird, eine Antwort ans diese Frage zu finden. Ist es Mangel ein dem¬ jenigen patriotischen Geist,, ans den der Hamburger, Bremer und Hanno¬ veraner sonst doch stolz zu sein pflegt? Ist es jene in Deutschland so oft vor¬ kommende Neigung, den Nachbarn (hier Preußen) zuzumuthen, was man selbst zu thun unterläßt? Ist es die Lähmung des nationalen und staatlichen Sin¬ nes, welche sich bei starker Ausbildung des provinziellen und communalen Lebens, wie es in Hannover, Mecklenburg und den Hansestädten existirt, häufig findet? Fühlen jene Staaten sich nur als Provinzen und Communen, denen nur die Fiction der Souveränetät anhaftet, und sind sie gefühllos für die höheren Aufgaben einer wirklichen Staatsgesellschaft? Oder wäre es bei allen jenen Regierungen derselbe Mangel an nationalem Ehrgefühl und patriotischem Interesse, der einige von ihnen berühmt gemacht hat? Wir wollen diese Fragen hier nicht zu beantworten suchen. Wir wollen aber constatiren, daß jene Staaten allem Altsch'ein nach einem neuen See¬ kriege entgegengehen, wenn man anders den Kampf Bewaffneter gegen Wehr¬ lose überhaupt einen Krieg nennen kann, jedenfalls einer neuen und vielleicht einer radicalen Zerstörung ihres Handels und ihrer Schifffahrt, der Quelle ihres Wohlstandes. Wir wollen hier schon andeuten, daß eine jener Regie¬ rungen und gerade diejenige, welche am eifrigsten jenen Krieg heraufbeschworen hat. den von Preußen am Bunde vorgeschlagenen Maßregeln zur Vertheidigung der deutschen Küsten entgegenarbeitet. Deutschland aber wird erkennen, was ihm seine seebespülten Küsten mit einer rüstigen .und thätigen seemännischen Bevölkerung nützen, so lange sie in den Händen von Staaten sind, denen »nicht die Macht, wol aber der Sir» für die nationalen Aufgaben fehlt. Indessen, so lange einmal diese Verhältnisse, wie sie jetzt in Deutschland herrschen, dauern, müssen wir mit denselben rechnen. Wir werden in den nächsten Artikeln auf Grund der bestehenden Verhältnisse die Seevertheidignng Deutschlands und insbesondere seine Vertheidigung gegen Dänemark in Be¬ tracht ziehen. Es ist möglich, daß es noch nicht zu spät ist, diese nationale Lebensfrage zu erörtern.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111431/220>, abgerufen am 22.07.2024.