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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band.

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sich bei der Verwicklung der Verhältnisse eine Verfassung für Holstein nicht
geben läßt, so lange die Stellung des Herzogtums zu Schleswig und Däne¬
mark nicht entschieden ist. Dn dies auch jetzt noch nicht geschehen, glaubte
der Ausschuß auch diesmal von der Annahme abrathen zu müssen. Andrer¬
seits aber sind die politischen Zustände auch im Innern Holsteins so unleid¬
lich, die Polizeiwillkür, die Beschränkung des Petitionsrcchts. der Mangel
eines gesicherten Vereins- und Versammlungsrechts, die Mißbräuche der Be-
Horden in Handhabung des Preßgesetzes, mit welchen sie factisch eine Censur
ausüben und nicht blos Mißliebiges streichen, sondern sogar positive Leistungen
erzwingen (dies geschah namentlich in Kiel) so dringend der AbHülse bedürftig,
daß der Ausschuß einen Ausweg suchen mußte. Er glaubt einen solchen ge¬
funden zu haben.

"Die Versammlung", so sagt das Gutachten, "hat Grund zu hoffen,
daß eine den Anträgen ihrer letzten Diät und dem Bundesbeschluß vom
8- März entsprechende provisorische Regulirung des Verhältnisses Holsteins zu
den übrigen Theilen der Monarchie baldigst ins Leben treten werde. Unter
der Voraussetzung, daß dies geschieht, wird es kein Bedenken haben, daß die
Versammlung auch zu einer neuen Regulirung der innern Verfassungsverhält¬
nisse des Herzogthums auf den Zeitraum des Provisoriums ihre Zustimmung
ertheilt."

Wir sehen, der Ausschuß wählt die Worte mit größter Sorgfalt und.ver-
sieht, um der Zukunft nichts zu vergeben, jeden Satz mit einer Clausel, die
nur eine einzige Deutung desselben gestattet. Er hält aber noch weitere Vor¬
sicht für geboten, indem er fortfährt:

"Selbst provisorisch wird das freilich nur unter jener Voraussetzung ge¬
schehen können; denn manche auch für die provisorische Regulirung der innern
Verhältnisse erforderliche Bestimmungen setzen Bestimmungen über das Ver¬
hältniß, in welchem Holstein zu Schleswig und Dänemark stehen soll, mit
Nothwendigkeit voraus und würden, ohne solchen Vorbehalt angenommen,
eine Genehmigung factisch bestehender Zustände in sich schließen, wie die Ver¬
sammlung sie nicht wird aussprechen wollen. Wenn, wie der Ausschuß glaubt,
dies Bedenken auf dem von ihm vorgeschlagenen Wege vermieden wird, so
bietet der vorgelegte Entwurf, in dem die Versammlung die Berücksichtigung
früher von ihr ausgesprochner Wünsche mit Dank anerkennen wird, geeignete
Gelegenheit, manchen Uebelständen abzuhelfen, wenn derselbe auch noch ver¬
schiedener Modificationen bedarf, um den Bewohnern des Herzogthums ein
einigermaßen ausreichendes Maß bürgerlicher Freiheit zu bieten."

Von den einzelnen Ausstellungen und Vorschlägen des Ausschusses in
Betreff des Verfassungsentwurfs für Holstein erwähnen wir nur die wichtig¬
sten. Dahin gehört, daß das Gesetz von vornherein als proviforisches be-


sich bei der Verwicklung der Verhältnisse eine Verfassung für Holstein nicht
geben läßt, so lange die Stellung des Herzogtums zu Schleswig und Däne¬
mark nicht entschieden ist. Dn dies auch jetzt noch nicht geschehen, glaubte
der Ausschuß auch diesmal von der Annahme abrathen zu müssen. Andrer¬
seits aber sind die politischen Zustände auch im Innern Holsteins so unleid¬
lich, die Polizeiwillkür, die Beschränkung des Petitionsrcchts. der Mangel
eines gesicherten Vereins- und Versammlungsrechts, die Mißbräuche der Be-
Horden in Handhabung des Preßgesetzes, mit welchen sie factisch eine Censur
ausüben und nicht blos Mißliebiges streichen, sondern sogar positive Leistungen
erzwingen (dies geschah namentlich in Kiel) so dringend der AbHülse bedürftig,
daß der Ausschuß einen Ausweg suchen mußte. Er glaubt einen solchen ge¬
funden zu haben.

„Die Versammlung", so sagt das Gutachten, „hat Grund zu hoffen,
daß eine den Anträgen ihrer letzten Diät und dem Bundesbeschluß vom
8- März entsprechende provisorische Regulirung des Verhältnisses Holsteins zu
den übrigen Theilen der Monarchie baldigst ins Leben treten werde. Unter
der Voraussetzung, daß dies geschieht, wird es kein Bedenken haben, daß die
Versammlung auch zu einer neuen Regulirung der innern Verfassungsverhält¬
nisse des Herzogthums auf den Zeitraum des Provisoriums ihre Zustimmung
ertheilt."

Wir sehen, der Ausschuß wählt die Worte mit größter Sorgfalt und.ver-
sieht, um der Zukunft nichts zu vergeben, jeden Satz mit einer Clausel, die
nur eine einzige Deutung desselben gestattet. Er hält aber noch weitere Vor¬
sicht für geboten, indem er fortfährt:

„Selbst provisorisch wird das freilich nur unter jener Voraussetzung ge¬
schehen können; denn manche auch für die provisorische Regulirung der innern
Verhältnisse erforderliche Bestimmungen setzen Bestimmungen über das Ver¬
hältniß, in welchem Holstein zu Schleswig und Dänemark stehen soll, mit
Nothwendigkeit voraus und würden, ohne solchen Vorbehalt angenommen,
eine Genehmigung factisch bestehender Zustände in sich schließen, wie die Ver¬
sammlung sie nicht wird aussprechen wollen. Wenn, wie der Ausschuß glaubt,
dies Bedenken auf dem von ihm vorgeschlagenen Wege vermieden wird, so
bietet der vorgelegte Entwurf, in dem die Versammlung die Berücksichtigung
früher von ihr ausgesprochner Wünsche mit Dank anerkennen wird, geeignete
Gelegenheit, manchen Uebelständen abzuhelfen, wenn derselbe auch noch ver¬
schiedener Modificationen bedarf, um den Bewohnern des Herzogthums ein
einigermaßen ausreichendes Maß bürgerlicher Freiheit zu bieten."

Von den einzelnen Ausstellungen und Vorschlägen des Ausschusses in
Betreff des Verfassungsentwurfs für Holstein erwähnen wir nur die wichtig¬
sten. Dahin gehört, daß das Gesetz von vornherein als proviforisches be-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111431/21>, abgerufen am 22.07.2024.