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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band.

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Der Ausschuß bekennt, daß er in solchen complicirten Vorschlägen viel¬
mehr die Elemente einer Auflösung, als die einer gedeihlichen Entwickelung
sieht und "kann daher der Versammlung nur dringend anrathen, den vorge¬
legten Entwurf zu einem Gesetz, betreffend die provisorische Stellung des Her-
zogthums Holstein hinsichtlich der gemeinschaftlichen Angelegenheiten der Mo¬
narchie, abzulehnen." Er knüpft daran sein Bedauern über die nunmehr
eingetretene Nothwendigkei-t der Bundesexecution. "Es.kann die
Versammlung nur schmerzlich berühren, daß es zwischen ihr und ihrem Landes¬
herrn zu einer solchen Vermittelung hat kommen müssen. Sie wird aber eine
Beruhigung darin finden können, baß die Vertretung des Landes jederzeit
bereit gewesen, zur Verständigung die Hand zu bieten. Und sie wird mit
festerer Zuversicht in die Zukunft blicken, nachdem Holstein wenigstens für
seine nächsten Ansprüche einen entschiedenen und wirksamen Schutz ge¬
funden Hai."

Wir sehen, die Absicht der Regierung geht mit den Grundzügen des hier
kritisirten Entwurfs auf zwei Möglichkeiten. Sie will zunächst auch für Hol¬
stein den Gesammtstaat aufrecht erhalten, und dann ist dadurch, daß die Kom¬
petenz des Reichsraths viel weiter bemessen ist als die der holsteinischen
Stände die Gleichberechtigung und Selbständigkeit des Herzogthums bedroht.
Geht es in einzelnen Beziehungen mit der Gesammtstaatsidee nicht, so wird
bis zu einem gewissen Grade das Programm der Eiderdänen, die Ausschei¬
dung Holsteins adoptirt, und dann ist die Verbindung dieses Herzogthums mit
dem vom Willen des Reichsraths-Rumpfs abhängigen Schleswig noch mehr-als
bisher gelockert. Die Holsteincr aber wollen sich nicht in diesem Dilemma sangen,
sich weder zu Opfern in Beziehung auf die Gleichberechtigung und Selb¬
ständigkeit ihres Herzogthums noch zu Opfern in Betreff der Hoffnung auf
Wiedergewinn der Verbindung desselben mit Schleswig nöthigen lassen.
Sie wollen -- selbstverständlich nur für das Provisorium -- die Gemein-
schaftlichkeit festhalten, weil in ihr die Verbindung mit Schleswig liegt. Sie
wollen aber deshalb ihre Gleichberechtigung mit den übrigen Theilen der
Monarchie nicht aufgeben, und so verlangen sie für ihre Ständeversammlung
eine Competenz, wie sie der Reichsrath hat. Für die Zukunft erwarten sie
die Rückkehr zum Ztertus quo ante für beide Herzogthümer. Das ist die
weitere Forderung, die sie erheben und deren Erfüllung sie "mit festerer Zu¬
versicht" entgegensehen, "nachdem Holstein für seine nächsten Ansprüche einen
entschiedenen und wirksamen Schutz gefunden hat."

Ueber das dritte Kapitel des Ausschußbcrichts, die Prüfung des Ent¬
wurfs zu einer neuen Sonderverfassun.g für Holstein, müssen wir uns
kürzer fassen. Wiederholt haben den Ständen Holsteins solche Sonderver-
fassungsentwürfc vorgelegen, und jedesmal mußten sie abgelehnt werden, da


Der Ausschuß bekennt, daß er in solchen complicirten Vorschlägen viel¬
mehr die Elemente einer Auflösung, als die einer gedeihlichen Entwickelung
sieht und „kann daher der Versammlung nur dringend anrathen, den vorge¬
legten Entwurf zu einem Gesetz, betreffend die provisorische Stellung des Her-
zogthums Holstein hinsichtlich der gemeinschaftlichen Angelegenheiten der Mo¬
narchie, abzulehnen." Er knüpft daran sein Bedauern über die nunmehr
eingetretene Nothwendigkei-t der Bundesexecution. „Es.kann die
Versammlung nur schmerzlich berühren, daß es zwischen ihr und ihrem Landes¬
herrn zu einer solchen Vermittelung hat kommen müssen. Sie wird aber eine
Beruhigung darin finden können, baß die Vertretung des Landes jederzeit
bereit gewesen, zur Verständigung die Hand zu bieten. Und sie wird mit
festerer Zuversicht in die Zukunft blicken, nachdem Holstein wenigstens für
seine nächsten Ansprüche einen entschiedenen und wirksamen Schutz ge¬
funden Hai."

Wir sehen, die Absicht der Regierung geht mit den Grundzügen des hier
kritisirten Entwurfs auf zwei Möglichkeiten. Sie will zunächst auch für Hol¬
stein den Gesammtstaat aufrecht erhalten, und dann ist dadurch, daß die Kom¬
petenz des Reichsraths viel weiter bemessen ist als die der holsteinischen
Stände die Gleichberechtigung und Selbständigkeit des Herzogthums bedroht.
Geht es in einzelnen Beziehungen mit der Gesammtstaatsidee nicht, so wird
bis zu einem gewissen Grade das Programm der Eiderdänen, die Ausschei¬
dung Holsteins adoptirt, und dann ist die Verbindung dieses Herzogthums mit
dem vom Willen des Reichsraths-Rumpfs abhängigen Schleswig noch mehr-als
bisher gelockert. Die Holsteincr aber wollen sich nicht in diesem Dilemma sangen,
sich weder zu Opfern in Beziehung auf die Gleichberechtigung und Selb¬
ständigkeit ihres Herzogthums noch zu Opfern in Betreff der Hoffnung auf
Wiedergewinn der Verbindung desselben mit Schleswig nöthigen lassen.
Sie wollen — selbstverständlich nur für das Provisorium -- die Gemein-
schaftlichkeit festhalten, weil in ihr die Verbindung mit Schleswig liegt. Sie
wollen aber deshalb ihre Gleichberechtigung mit den übrigen Theilen der
Monarchie nicht aufgeben, und so verlangen sie für ihre Ständeversammlung
eine Competenz, wie sie der Reichsrath hat. Für die Zukunft erwarten sie
die Rückkehr zum Ztertus quo ante für beide Herzogthümer. Das ist die
weitere Forderung, die sie erheben und deren Erfüllung sie „mit festerer Zu¬
versicht" entgegensehen, „nachdem Holstein für seine nächsten Ansprüche einen
entschiedenen und wirksamen Schutz gefunden hat."

Ueber das dritte Kapitel des Ausschußbcrichts, die Prüfung des Ent¬
wurfs zu einer neuen Sonderverfassun.g für Holstein, müssen wir uns
kürzer fassen. Wiederholt haben den Ständen Holsteins solche Sonderver-
fassungsentwürfc vorgelegen, und jedesmal mußten sie abgelehnt werden, da


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[0020] Der Ausschuß bekennt, daß er in solchen complicirten Vorschlägen viel¬ mehr die Elemente einer Auflösung, als die einer gedeihlichen Entwickelung sieht und „kann daher der Versammlung nur dringend anrathen, den vorge¬ legten Entwurf zu einem Gesetz, betreffend die provisorische Stellung des Her- zogthums Holstein hinsichtlich der gemeinschaftlichen Angelegenheiten der Mo¬ narchie, abzulehnen." Er knüpft daran sein Bedauern über die nunmehr eingetretene Nothwendigkei-t der Bundesexecution. „Es.kann die Versammlung nur schmerzlich berühren, daß es zwischen ihr und ihrem Landes¬ herrn zu einer solchen Vermittelung hat kommen müssen. Sie wird aber eine Beruhigung darin finden können, baß die Vertretung des Landes jederzeit bereit gewesen, zur Verständigung die Hand zu bieten. Und sie wird mit festerer Zuversicht in die Zukunft blicken, nachdem Holstein wenigstens für seine nächsten Ansprüche einen entschiedenen und wirksamen Schutz ge¬ funden Hai." Wir sehen, die Absicht der Regierung geht mit den Grundzügen des hier kritisirten Entwurfs auf zwei Möglichkeiten. Sie will zunächst auch für Hol¬ stein den Gesammtstaat aufrecht erhalten, und dann ist dadurch, daß die Kom¬ petenz des Reichsraths viel weiter bemessen ist als die der holsteinischen Stände die Gleichberechtigung und Selbständigkeit des Herzogthums bedroht. Geht es in einzelnen Beziehungen mit der Gesammtstaatsidee nicht, so wird bis zu einem gewissen Grade das Programm der Eiderdänen, die Ausschei¬ dung Holsteins adoptirt, und dann ist die Verbindung dieses Herzogthums mit dem vom Willen des Reichsraths-Rumpfs abhängigen Schleswig noch mehr-als bisher gelockert. Die Holsteincr aber wollen sich nicht in diesem Dilemma sangen, sich weder zu Opfern in Beziehung auf die Gleichberechtigung und Selb¬ ständigkeit ihres Herzogthums noch zu Opfern in Betreff der Hoffnung auf Wiedergewinn der Verbindung desselben mit Schleswig nöthigen lassen. Sie wollen — selbstverständlich nur für das Provisorium -- die Gemein- schaftlichkeit festhalten, weil in ihr die Verbindung mit Schleswig liegt. Sie wollen aber deshalb ihre Gleichberechtigung mit den übrigen Theilen der Monarchie nicht aufgeben, und so verlangen sie für ihre Ständeversammlung eine Competenz, wie sie der Reichsrath hat. Für die Zukunft erwarten sie die Rückkehr zum Ztertus quo ante für beide Herzogthümer. Das ist die weitere Forderung, die sie erheben und deren Erfüllung sie „mit festerer Zu¬ versicht" entgegensehen, „nachdem Holstein für seine nächsten Ansprüche einen entschiedenen und wirksamen Schutz gefunden hat." Ueber das dritte Kapitel des Ausschußbcrichts, die Prüfung des Ent¬ wurfs zu einer neuen Sonderverfassun.g für Holstein, müssen wir uns kürzer fassen. Wiederholt haben den Ständen Holsteins solche Sonderver- fassungsentwürfc vorgelegen, und jedesmal mußten sie abgelehnt werden, da

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111431/20>, abgerufen am 22.07.2024.