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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band.

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Frauenspersonen gebrauchte man im ersten Grad den Daumcnstock, im zwei¬
ten die Leibesbeschwerung, wo ihnen in wagrechter Stellung schwere Steine
und Gewichte auf den Kopf gelegt wurden. Die Gerichtsacten gefielen sich
in mancherlei humoristischen Umschreibungen, z, B. beim Staubbesen "die
erste Weihe zum Galgen geben", "über den Besenmarkt jagen", "Fitz-Fetz
machen" oder "einen Wettlauf anstellen mit Passomezzo". Man nannte den
Nachrichter in den Ordren den "Meister Auweh, Meister Hämmerlein, den
Knüpfauf, Schnürhanslein, Meister stosset, Meister Fix und Kurzab". Man
befahl ihm, dem Sträfling "das Gröbste herunter zu nehmen", "ihm vom
Brod zu helfen"; man befahl ihm bei der Folter "gut Geschirr zu machen",
den Sträfling "gut geigen zu lehren", "gut Beicht zu hören". Man war
hauptsächlich bei Umschreibung des Henkertodcs unerschöpflich in höhnischem
Galgenwitz: einen "im Hanf ersticken lassen", ein lustiges "Gcmkele-Ginkele
machen", "die Strattacordi anziehen", "den Wicht um etliche Spannen höher
machen, ihn mit einer Semmel aus dem Seilersladen vergeben, an der
Herberge der drei Säulen als Bierzeichen aushängen, Profeß thun lassen im
Orden zu den dürren Brüdern u. s. w." Wenn auch das Todesurtheil schon
gefällt war, machte es manchen Richtern noch ein Vergnügen, ein paar
Wochen, oft nur ein paar Tage vorher noch eine kleine Folteret vorausgehen
zu lassen, um noch ein Geständnis; zu erpressen, dabei wol auch an dem
grausenvollen Geschrei und den Grimassen der Gequälten sich zu ergötzen!
Die armen Sünder kamen zum Voraus schon ganz zerknickt und gebrochen
aus den Richtplatz. In den Gefängnissen herrschte Verzweiflung und Selbst¬
mord in Menge. Da hieß es dann, dieser oder jener sei mit dem Teufel im
Bund gewesen. Die Unmasse von Hinrichtungen läßt sich nur durch die
Härte des Gesetzes und der Richter, durch die Wildheit der Menschen,
durch die Grausamkeit der Herrschaften gegen Wildschützen und durch den
Schwindel des unseligen Hexenhasses erklären. So wurde ja z. B. 1591 zu
Schwabach ein eigener "Drudcnhcnker" bestellt. .

Schreibpult und Stuhl dursten natürlich für den Richter nicht fehlen und
standen hinter dem Gitter. Wir lassen nun der Reihe nach die Werkzeuge
folgen. Rechts neben dem Verhörgitter befindet sich die Streckbank mit einer
Rolle, woran 400 abgerundete keilförmige Stifte, gemeinhin der "gespickte
Hase" genannt. Daneben ist die Aufzugsmaschine mit einem hölzernen
Triangel -- die "schlimme Liesel" -- woran der Delinquent mit den Arme"
rückwärts gebunden, an seine Füße schwere Steine (die größten gegen einen
Centner) gehängt und er so dreimal aufgezogen und niedergelassen wurde. I"
einem andern Falle wurden die Füße des Delinquenten an zwei unter der
Maschine befindliche runde eiserne Klammern festgemacht, und er dann mit
hintergebundenen Armen in die Höhe gezerrt, bis der Blutrichter das Krachen


Frauenspersonen gebrauchte man im ersten Grad den Daumcnstock, im zwei¬
ten die Leibesbeschwerung, wo ihnen in wagrechter Stellung schwere Steine
und Gewichte auf den Kopf gelegt wurden. Die Gerichtsacten gefielen sich
in mancherlei humoristischen Umschreibungen, z, B. beim Staubbesen „die
erste Weihe zum Galgen geben", „über den Besenmarkt jagen", „Fitz-Fetz
machen" oder „einen Wettlauf anstellen mit Passomezzo". Man nannte den
Nachrichter in den Ordren den „Meister Auweh, Meister Hämmerlein, den
Knüpfauf, Schnürhanslein, Meister stosset, Meister Fix und Kurzab". Man
befahl ihm, dem Sträfling „das Gröbste herunter zu nehmen", „ihm vom
Brod zu helfen"; man befahl ihm bei der Folter „gut Geschirr zu machen",
den Sträfling „gut geigen zu lehren", „gut Beicht zu hören". Man war
hauptsächlich bei Umschreibung des Henkertodcs unerschöpflich in höhnischem
Galgenwitz: einen „im Hanf ersticken lassen", ein lustiges „Gcmkele-Ginkele
machen", „die Strattacordi anziehen", „den Wicht um etliche Spannen höher
machen, ihn mit einer Semmel aus dem Seilersladen vergeben, an der
Herberge der drei Säulen als Bierzeichen aushängen, Profeß thun lassen im
Orden zu den dürren Brüdern u. s. w.„ Wenn auch das Todesurtheil schon
gefällt war, machte es manchen Richtern noch ein Vergnügen, ein paar
Wochen, oft nur ein paar Tage vorher noch eine kleine Folteret vorausgehen
zu lassen, um noch ein Geständnis; zu erpressen, dabei wol auch an dem
grausenvollen Geschrei und den Grimassen der Gequälten sich zu ergötzen!
Die armen Sünder kamen zum Voraus schon ganz zerknickt und gebrochen
aus den Richtplatz. In den Gefängnissen herrschte Verzweiflung und Selbst¬
mord in Menge. Da hieß es dann, dieser oder jener sei mit dem Teufel im
Bund gewesen. Die Unmasse von Hinrichtungen läßt sich nur durch die
Härte des Gesetzes und der Richter, durch die Wildheit der Menschen,
durch die Grausamkeit der Herrschaften gegen Wildschützen und durch den
Schwindel des unseligen Hexenhasses erklären. So wurde ja z. B. 1591 zu
Schwabach ein eigener „Drudcnhcnker" bestellt. .

Schreibpult und Stuhl dursten natürlich für den Richter nicht fehlen und
standen hinter dem Gitter. Wir lassen nun der Reihe nach die Werkzeuge
folgen. Rechts neben dem Verhörgitter befindet sich die Streckbank mit einer
Rolle, woran 400 abgerundete keilförmige Stifte, gemeinhin der „gespickte
Hase" genannt. Daneben ist die Aufzugsmaschine mit einem hölzernen
Triangel — die „schlimme Liesel" — woran der Delinquent mit den Arme»
rückwärts gebunden, an seine Füße schwere Steine (die größten gegen einen
Centner) gehängt und er so dreimal aufgezogen und niedergelassen wurde. I"
einem andern Falle wurden die Füße des Delinquenten an zwei unter der
Maschine befindliche runde eiserne Klammern festgemacht, und er dann mit
hintergebundenen Armen in die Höhe gezerrt, bis der Blutrichter das Krachen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111431/202>, abgerufen am 22.07.2024.