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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band.

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Denkt man sich zu dieser schrecklichen Krankheit, die so lange wüthete,
noch andere Epidemien, wie z. B. die Pest oder den schwarzen Tod, die Un¬
wissenheit der damaligen Aerzte, die Unsicherheit der Landstraßen, die nie
endenden Kriege und Fehden, das Faustrecht des Stärkeren, die Glaubens¬
verfolgungen und Hexenprocesse, so kann man dem Himmel nicht genug danken,
daß alle diese Greuel ein Ende erreicht haben.


Hans Weininger.


Von der preußischen Grenze.

Es wurden in der letzten Zert in der officiösen preußischen Presse zahl¬
reiche Andeutungen gegeben, wenn eine Allianz mit einer oder der anderen
unter den Großmächten nicht zu Stande käme, so wären ja noch die Staaten
zweiten Ranges da, und unter diesen qualificire sich namentlich Schweden zu
einem Bündniß mit Preußen, theils aus anderen Gründen, theils weil die
Idee der skandinavischen Union, von der viel die Rede geht, nicht viel Anderes
sagen kann, als eine Zerlegung Dänemarks in seine beiden nationalen Ele¬
mente. In diesem Sinne wurde Schweden als protestantisch-germanische
Macht gegen das katholisch-romanische Spanien ausgespielt, welches nach der
Idee Napoleon des Dritten in die Reihe der Großmächte eingeführt werden
sollte.

Für das ruhig beobachtende Publicum war diese Idee, so unwahrschein¬
lich sie aussah, immer angenehm, da es, in die Geheimnisse der Diplomatie
nicht eingeweiht, voraussetzen mußte, es hätten irgendwelche geheime Verhand¬
lungen stattgefunden. Die neulichen Enthüllungen Lord Nussells haben diese
Hoffnung beträchtlich herabgestimmt: er sagt mit dürren Worten, er sagt es
zu wiederholten Malen, Schweden schließe sich in der Schleswig-holsteinischen
Angelegenheit ganz und gar der Auffassung Rußlands und Frankreichs an.
Da es sonst in diesen Regionen nicht Sitte ist. viel von Schweden zu reden,
so ist diese Mittheilung augenscheinlich nicht blos an das englische Parlament,
sondern hauptsächlich an die preußische Regierung adressirt, die es'ja gewohnt


Denkt man sich zu dieser schrecklichen Krankheit, die so lange wüthete,
noch andere Epidemien, wie z. B. die Pest oder den schwarzen Tod, die Un¬
wissenheit der damaligen Aerzte, die Unsicherheit der Landstraßen, die nie
endenden Kriege und Fehden, das Faustrecht des Stärkeren, die Glaubens¬
verfolgungen und Hexenprocesse, so kann man dem Himmel nicht genug danken,
daß alle diese Greuel ein Ende erreicht haben.


Hans Weininger.


Von der preußischen Grenze.

Es wurden in der letzten Zert in der officiösen preußischen Presse zahl¬
reiche Andeutungen gegeben, wenn eine Allianz mit einer oder der anderen
unter den Großmächten nicht zu Stande käme, so wären ja noch die Staaten
zweiten Ranges da, und unter diesen qualificire sich namentlich Schweden zu
einem Bündniß mit Preußen, theils aus anderen Gründen, theils weil die
Idee der skandinavischen Union, von der viel die Rede geht, nicht viel Anderes
sagen kann, als eine Zerlegung Dänemarks in seine beiden nationalen Ele¬
mente. In diesem Sinne wurde Schweden als protestantisch-germanische
Macht gegen das katholisch-romanische Spanien ausgespielt, welches nach der
Idee Napoleon des Dritten in die Reihe der Großmächte eingeführt werden
sollte.

Für das ruhig beobachtende Publicum war diese Idee, so unwahrschein¬
lich sie aussah, immer angenehm, da es, in die Geheimnisse der Diplomatie
nicht eingeweiht, voraussetzen mußte, es hätten irgendwelche geheime Verhand¬
lungen stattgefunden. Die neulichen Enthüllungen Lord Nussells haben diese
Hoffnung beträchtlich herabgestimmt: er sagt mit dürren Worten, er sagt es
zu wiederholten Malen, Schweden schließe sich in der Schleswig-holsteinischen
Angelegenheit ganz und gar der Auffassung Rußlands und Frankreichs an.
Da es sonst in diesen Regionen nicht Sitte ist. viel von Schweden zu reden,
so ist diese Mittheilung augenscheinlich nicht blos an das englische Parlament,
sondern hauptsächlich an die preußische Regierung adressirt, die es'ja gewohnt


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[0164] Denkt man sich zu dieser schrecklichen Krankheit, die so lange wüthete, noch andere Epidemien, wie z. B. die Pest oder den schwarzen Tod, die Un¬ wissenheit der damaligen Aerzte, die Unsicherheit der Landstraßen, die nie endenden Kriege und Fehden, das Faustrecht des Stärkeren, die Glaubens¬ verfolgungen und Hexenprocesse, so kann man dem Himmel nicht genug danken, daß alle diese Greuel ein Ende erreicht haben. Hans Weininger. Von der preußischen Grenze. Es wurden in der letzten Zert in der officiösen preußischen Presse zahl¬ reiche Andeutungen gegeben, wenn eine Allianz mit einer oder der anderen unter den Großmächten nicht zu Stande käme, so wären ja noch die Staaten zweiten Ranges da, und unter diesen qualificire sich namentlich Schweden zu einem Bündniß mit Preußen, theils aus anderen Gründen, theils weil die Idee der skandinavischen Union, von der viel die Rede geht, nicht viel Anderes sagen kann, als eine Zerlegung Dänemarks in seine beiden nationalen Ele¬ mente. In diesem Sinne wurde Schweden als protestantisch-germanische Macht gegen das katholisch-romanische Spanien ausgespielt, welches nach der Idee Napoleon des Dritten in die Reihe der Großmächte eingeführt werden sollte. Für das ruhig beobachtende Publicum war diese Idee, so unwahrschein¬ lich sie aussah, immer angenehm, da es, in die Geheimnisse der Diplomatie nicht eingeweiht, voraussetzen mußte, es hätten irgendwelche geheime Verhand¬ lungen stattgefunden. Die neulichen Enthüllungen Lord Nussells haben diese Hoffnung beträchtlich herabgestimmt: er sagt mit dürren Worten, er sagt es zu wiederholten Malen, Schweden schließe sich in der Schleswig-holsteinischen Angelegenheit ganz und gar der Auffassung Rußlands und Frankreichs an. Da es sonst in diesen Regionen nicht Sitte ist. viel von Schweden zu reden, so ist diese Mittheilung augenscheinlich nicht blos an das englische Parlament, sondern hauptsächlich an die preußische Regierung adressirt, die es'ja gewohnt

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111431/164>, abgerufen am 03.07.2024.