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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band.

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nicht. Jeder Serbe, der Steuern zahlt, muß laut Ministerialverordnung eine
Flinte, ein Paar Pistolen und einen Handschar besitzen. Die Zahl der in
Pnvathändcn befindlichen Schießwaffen ist nach unserer Denkschrift auf etwa
250,000 Gewehre und ebenso viele Paare Pistolen zu veranschlagen. In den
Arsenälen liegen gegen 50,000 Bajonnetgewehve, darunter mehr als 15.000
Mimi^büchsen, ferner 170 Kanonen verschiedenen Kalibers, endlich Kugeln und
Pulver in großen Massen. Kommt es erst zum Kampfe, so muß sich diese
Armatur durch Einnahme der türkischen Festungen und Erbeutung der in
denselben lagernden Wasservorräthe in Kurzem sast um das Doppelte ver¬
mehren.

Wir schließen mit einem Blick auf Montenegro. Das Land ist in seinem
Haupttheil ein wilder Gebirgsstock, der sich im Dormitor an der Grenze der
Herzegowina 8000, in dem bei Zettinje ansteigenden Loftschcm 7000 Fuß über
den Spiegel des Adriatischen Meeres erhebt. Zwischen diesen Felsen ziehen
sich kleine, großentheils fruchtbare Thäler hin. die gut bebaut und mit Dör¬
fern und Kirchen bedeckt sind. Fruchtbarer sind die durch die GrenzreguluMg
von 1858 hinzugekommenen Distncte Bielopvlitsch, Wassiewitsch, Bielopawle-
witsch und Rjeka, ja der letzte, am See von Skutari gelegen, erfreut sich so¬
gar eines rein italienischen Klimas. Zettinje liegt gegen 4,000 Fuß über dem
Meere in einem sumpfigen Thal, von dem man glaubt, daß es ein Gebirgssee ge¬
wesen, und hat nicht mehr als etwa 20 Häuser, die theils mit Stroh, theils
Mit Ziegeln gedeckt sind, und unter denen sich die Wohnung des Fürsten, das
Arsenal, das Staatsgesnngniß, ein Pulvermagazin, ein Kloster und eine Schule
befinden. Die Industrie des Landes ist unbedeutend.'und da Ackerbau, Vieh-
Sucht und Handwerk nur erzeugen, was das Volk selbst bedarf, und die Ver¬
kehrswege nicht viel besser als Zicgensteige sind, so kann-von Handel nicht
die Rede sein. Schulen bestehen im ganzen Lande nicht mehr als zehn, und
d"s ganze Volk steckt noch tief in der Barbarei; obwol die Gemahlin des
1859 ermordeten Fürsten Dcmilo, die Triestinerin Darinka, einige Fortschritte
Zur Cultur durchgesetzt hat. Nur sehr wenige Montenegriner können lesen und
schreiben, dagegen verstehen sich alle sehr wol auf die Handhabung der Waf-
fw. Die Heeresverfafsung ist sehr einfach. Aus den waffenfähigen Männern
des Landes, welche die Denkschrift, wol zu hoch, auf 35.000 Köpfe angibt, hat
Man eine Garde von 8000 Mann gewählt, die als Kern des Heeres gilt und
in Compagnien zu 100 M^ann getheilt ist, welche sich beim ersten Aufruf
um ihre Fahne und ihren Capitän zu sammeln, haben. Reiterei und Artillerie
gibt es nicht. Die Kriege der Montenegriner beschränkten sich bisher auf
Vertheidigung ihres Berglandes, wo Pferde und Kanonen nicht fortzubringen
sind, und auf kurzdauernde Raubzüge in die Ebene hinab. In Reihe und
Glied zu fechten verstehen diese Halbwilden nicht. Beim Beginn des Kampfes


nicht. Jeder Serbe, der Steuern zahlt, muß laut Ministerialverordnung eine
Flinte, ein Paar Pistolen und einen Handschar besitzen. Die Zahl der in
Pnvathändcn befindlichen Schießwaffen ist nach unserer Denkschrift auf etwa
250,000 Gewehre und ebenso viele Paare Pistolen zu veranschlagen. In den
Arsenälen liegen gegen 50,000 Bajonnetgewehve, darunter mehr als 15.000
Mimi^büchsen, ferner 170 Kanonen verschiedenen Kalibers, endlich Kugeln und
Pulver in großen Massen. Kommt es erst zum Kampfe, so muß sich diese
Armatur durch Einnahme der türkischen Festungen und Erbeutung der in
denselben lagernden Wasservorräthe in Kurzem sast um das Doppelte ver¬
mehren.

Wir schließen mit einem Blick auf Montenegro. Das Land ist in seinem
Haupttheil ein wilder Gebirgsstock, der sich im Dormitor an der Grenze der
Herzegowina 8000, in dem bei Zettinje ansteigenden Loftschcm 7000 Fuß über
den Spiegel des Adriatischen Meeres erhebt. Zwischen diesen Felsen ziehen
sich kleine, großentheils fruchtbare Thäler hin. die gut bebaut und mit Dör¬
fern und Kirchen bedeckt sind. Fruchtbarer sind die durch die GrenzreguluMg
von 1858 hinzugekommenen Distncte Bielopvlitsch, Wassiewitsch, Bielopawle-
witsch und Rjeka, ja der letzte, am See von Skutari gelegen, erfreut sich so¬
gar eines rein italienischen Klimas. Zettinje liegt gegen 4,000 Fuß über dem
Meere in einem sumpfigen Thal, von dem man glaubt, daß es ein Gebirgssee ge¬
wesen, und hat nicht mehr als etwa 20 Häuser, die theils mit Stroh, theils
Mit Ziegeln gedeckt sind, und unter denen sich die Wohnung des Fürsten, das
Arsenal, das Staatsgesnngniß, ein Pulvermagazin, ein Kloster und eine Schule
befinden. Die Industrie des Landes ist unbedeutend.'und da Ackerbau, Vieh-
Sucht und Handwerk nur erzeugen, was das Volk selbst bedarf, und die Ver¬
kehrswege nicht viel besser als Zicgensteige sind, so kann-von Handel nicht
die Rede sein. Schulen bestehen im ganzen Lande nicht mehr als zehn, und
d"s ganze Volk steckt noch tief in der Barbarei; obwol die Gemahlin des
1859 ermordeten Fürsten Dcmilo, die Triestinerin Darinka, einige Fortschritte
Zur Cultur durchgesetzt hat. Nur sehr wenige Montenegriner können lesen und
schreiben, dagegen verstehen sich alle sehr wol auf die Handhabung der Waf-
fw. Die Heeresverfafsung ist sehr einfach. Aus den waffenfähigen Männern
des Landes, welche die Denkschrift, wol zu hoch, auf 35.000 Köpfe angibt, hat
Man eine Garde von 8000 Mann gewählt, die als Kern des Heeres gilt und
in Compagnien zu 100 M^ann getheilt ist, welche sich beim ersten Aufruf
um ihre Fahne und ihren Capitän zu sammeln, haben. Reiterei und Artillerie
gibt es nicht. Die Kriege der Montenegriner beschränkten sich bisher auf
Vertheidigung ihres Berglandes, wo Pferde und Kanonen nicht fortzubringen
sind, und auf kurzdauernde Raubzüge in die Ebene hinab. In Reihe und
Glied zu fechten verstehen diese Halbwilden nicht. Beim Beginn des Kampfes


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111431/143>, abgerufen am 27.09.2024.