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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band.

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der Menschheit sei; er drückt sich in seiner französischen Art frivol genug dar¬
über aus: er wolle seinen Namen in den Zeitungen lesen. Alexander der
Große, Cäsar u. s. w. sprachen nicht französisch und Zeitungen gab es nicht;
wenn sie aber dem Trieb ihres Dämons Worte geliehen hätten, so würde es
ungefähr auf dasselbe herausgekommen sein.

Es ist nicht nöthig, aus das Nebenwerk weiter einzugehn. Wenn Herr
Klopp z. B. über den Mangel an männlicher Würde die Hände ringt, der
darin liegen soll, daß der junge Friedrich einem Vater gegenüber, der jedes
seiner Worte mit finsterm Argwohn belauert, und der nicht blos mit dem Stock,
sondern mit dem Schwert des Henkers bei der Hand ist) sich in Formen der
Untertänigkeit überbietet, und andern gegenüber seinen Trotz und seine Krän¬
kung nicht verhehlt, so ist dieser scharfe Tadel ein erfreuliches Zeugniß für das
sittliche Gefühl des modernen Scribenten, aber man kann eigentlich doch nur
die Achsel darüber zucken. Wenn er ferner, um das Räthsel zu erklären, wie
ein so schwarzes und dabei so unbedeutendes Ungeheuer die Begeisterung
seines Jahrhunderts erregte, wie aus ihm jene mythische Figur wurde, die
wir alle kennen; wenn er, um dies zu erklären, mit der ehrbarsten Miene von
der Welt versichert: auch diese Begeisterung sei nur ein Mythus der späteren
Zeit, künstlich hervorgerufen durch preußische Schriftsteller, namentlich durch
einen gewissen Fischer: -- so ist die Gravität dieser Behauptung, gleichviel
ob sie aus Unwissenheit oder aus bösem Willen hervorgeht, das schlagendste
Kennzeichen für den sittlichen Werth des ganzen Buchs. -- Wir lassen diese
Spielereien gänzlich bei Seite, und wenden uns zum Kern der Sache.

Die Stimmung der Zeitgenossen sür Friedrich ging aus dem Eindruck
hervor, den ein großer souveräner und zusammenhängender Wille immer her¬
vor bringt, namentlich aber auf ein Zeitalter, das nur an halbes, unklares
Wollen gewöhnt in immer tiefere Schlaffheit versinkt. Diese Stimmung gilt
nicht blos dem Feldherrn: nicht lange vor dem siebenjährigen Krieg hatte
Prinz Eugen sehr große Schlachten gewonnen, ohne daß die Popularität
Eugen's mit der Friedrichs im entferntesten zu vergleichen wäre.

Das Urtheil der Nachwelt dagegen beruht noch auf etwas Anderem. Die
Nachwelt fragt nach der Frucht, die jener große Wille hervorgebracht. Diese
Frucht ist die Gründung des preußischen Staats. Wenn Hr. Klopp über den
Ausdruck Friedrichs: Lg. Nation prusienns spöttelt, so wollen wir die Korrekt¬
heit desselben nicht vertheidigen; aber Hr. Klopp weiß recht gut, wie er ge¬
meint ist und daß er sich auf Wahrheit gründet, denn er selber sagt: erst seit
Friedrich gab es Preußen. Freilich meint er, außer den Preußen gäbe es
nur noch "Deutsche"; aber es scheint doch u. a. auch noch Oestreicher zu
geben, die z. B. 1848 in der Paulskirche sich schärfer von den "Deutschen"
sonderten, als die Preußen; und diese Oestreicher hat es schon vor Friedrich


der Menschheit sei; er drückt sich in seiner französischen Art frivol genug dar¬
über aus: er wolle seinen Namen in den Zeitungen lesen. Alexander der
Große, Cäsar u. s. w. sprachen nicht französisch und Zeitungen gab es nicht;
wenn sie aber dem Trieb ihres Dämons Worte geliehen hätten, so würde es
ungefähr auf dasselbe herausgekommen sein.

Es ist nicht nöthig, aus das Nebenwerk weiter einzugehn. Wenn Herr
Klopp z. B. über den Mangel an männlicher Würde die Hände ringt, der
darin liegen soll, daß der junge Friedrich einem Vater gegenüber, der jedes
seiner Worte mit finsterm Argwohn belauert, und der nicht blos mit dem Stock,
sondern mit dem Schwert des Henkers bei der Hand ist) sich in Formen der
Untertänigkeit überbietet, und andern gegenüber seinen Trotz und seine Krän¬
kung nicht verhehlt, so ist dieser scharfe Tadel ein erfreuliches Zeugniß für das
sittliche Gefühl des modernen Scribenten, aber man kann eigentlich doch nur
die Achsel darüber zucken. Wenn er ferner, um das Räthsel zu erklären, wie
ein so schwarzes und dabei so unbedeutendes Ungeheuer die Begeisterung
seines Jahrhunderts erregte, wie aus ihm jene mythische Figur wurde, die
wir alle kennen; wenn er, um dies zu erklären, mit der ehrbarsten Miene von
der Welt versichert: auch diese Begeisterung sei nur ein Mythus der späteren
Zeit, künstlich hervorgerufen durch preußische Schriftsteller, namentlich durch
einen gewissen Fischer: — so ist die Gravität dieser Behauptung, gleichviel
ob sie aus Unwissenheit oder aus bösem Willen hervorgeht, das schlagendste
Kennzeichen für den sittlichen Werth des ganzen Buchs. — Wir lassen diese
Spielereien gänzlich bei Seite, und wenden uns zum Kern der Sache.

Die Stimmung der Zeitgenossen sür Friedrich ging aus dem Eindruck
hervor, den ein großer souveräner und zusammenhängender Wille immer her¬
vor bringt, namentlich aber auf ein Zeitalter, das nur an halbes, unklares
Wollen gewöhnt in immer tiefere Schlaffheit versinkt. Diese Stimmung gilt
nicht blos dem Feldherrn: nicht lange vor dem siebenjährigen Krieg hatte
Prinz Eugen sehr große Schlachten gewonnen, ohne daß die Popularität
Eugen's mit der Friedrichs im entferntesten zu vergleichen wäre.

Das Urtheil der Nachwelt dagegen beruht noch auf etwas Anderem. Die
Nachwelt fragt nach der Frucht, die jener große Wille hervorgebracht. Diese
Frucht ist die Gründung des preußischen Staats. Wenn Hr. Klopp über den
Ausdruck Friedrichs: Lg. Nation prusienns spöttelt, so wollen wir die Korrekt¬
heit desselben nicht vertheidigen; aber Hr. Klopp weiß recht gut, wie er ge¬
meint ist und daß er sich auf Wahrheit gründet, denn er selber sagt: erst seit
Friedrich gab es Preußen. Freilich meint er, außer den Preußen gäbe es
nur noch „Deutsche"; aber es scheint doch u. a. auch noch Oestreicher zu
geben, die z. B. 1848 in der Paulskirche sich schärfer von den „Deutschen"
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_110893/82>, abgerufen am 27.08.2024.