Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band.Nicht minder ist, den Erfahrungen gegenüber, welche der Verleger von Musi- Deutsche Gerichtshöfe entblödeten sich nämlich nicht, einem solchen Ver¬ Dagegen hat der Entwurf ungeachtet der verschiedenen, auf langjährige Nicht minder ist, den Erfahrungen gegenüber, welche der Verleger von Musi- Deutsche Gerichtshöfe entblödeten sich nämlich nicht, einem solchen Ver¬ Dagegen hat der Entwurf ungeachtet der verschiedenen, auf langjährige <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0072" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/110966"/> <p xml:id="ID_181" prev="#ID_180"> Nicht minder ist, den Erfahrungen gegenüber, welche der Verleger von Musi-<lb/> kalien, an denen er das Verlagsrecht für Deutschland erwarben hatte, von<lb/> deutschen Gerichtshöfen machen mußte, es sehr zu wünschen, daß die im Ent¬<lb/> würfe enthaltene gesetzliche Anerkennung des s. g. getheilten Eigenthums (d. h,<lb/> eines Verlagsrechts, dessen Ausschließlichkeit sich auf die Grenzen vertrags¬<lb/> mäßig bestimmter Länder beschränkt, innerhalb dieser Grenzen aber vollgiltig<lb/> ist) allgemein ausgesprochen werde.</p><lb/> <p xml:id="ID_182"> Deutsche Gerichtshöfe entblödeten sich nämlich nicht, einem solchen Ver¬<lb/> leger den gesetzlichen Schutz gegen den Vertrieb auswärts veranstalteter Ver¬<lb/> vielfältigungen dieses Werks in Deutschland zu versagen, weil mit seiner<lb/> Uebereinstimmung das Verlagsrecht an demselben Werke für Frankreich' oder<lb/> Italien einem dortigen Verleger ertheilt worden und daher die Entstehung<lb/> der Exemplare eine vom Urheber genehmigte und berechtigte war; obwol die<lb/> Verpflichtung, die auswärts veranstalteten Vervielfältigungen nicht nach Deutsch¬<lb/> land zu vertreiben, im Vertrage ausdrücklich aufgestellt wurde.</p><lb/> <p xml:id="ID_183" next="#ID_184"> Dagegen hat der Entwurf ungeachtet der verschiedenen, auf langjährige<lb/> Erfahrungen gestützten Erklärungen der Musikalienhändler, „daß sie einen<lb/> eigentlichen ihnen nützendcn Rechtsschutz gegen die Piraterie der Nachbildner<lb/> ohne ein Eigenthum an der Melodie nicht genießen würden", dieses nicht auf¬<lb/> genommen. Man stellte die Melodie (freilich wegen der wesentlichen Verschie¬<lb/> denheit ohne Berechtigung dazu) dem Gedanken gleich und da man mit Recht<lb/> ein Gedanken-Eigenthum verwerfen mußte, so lehnte man das Eigenthums-,<lb/> recht an der Melodie ab. Wenn nun auch unbedingt zugegeben werden kaun,<lb/> daß das Eigenthum an der Melodie in einzelnen Fällen zu einer Tyrannei<lb/> führen möchte, wie das Gedanken-Eigenthum, so ist doch einerseits die Ton¬<lb/> kunst durch dasselbe in keiner Weise beschränkt, in ihrem Fortschritte nicht ge¬<lb/> hemmt, wie die. Wissenschaft es beim Herrschen eines Gedankeneigenthums<lb/> sein würde. Andrerseits sind die Grenzen zwischen originaler Benutzung eines<lb/> Gedankens und gewinnsüchtiger Benutzung einer fremden Arbeit bei Tonwer-<lb/> kcn bei weitem schwerer zu ziehen und darum hier eine strengere Handhabung<lb/> des Urheberrechts zweifelsohne gerechtfertigt. Dennoch dürste die Nichtberück-<lb/> sichtigung der Wünsche des Musikaiicnhandels, in dieser Hinsicht dem franzö¬<lb/> sischen Verleger gleichgestellt zu sein, weniger inconsequent genannt werden,<lb/> als die Ablehnung, das getheilte Eigenthum an literarischen Verlagswerken<lb/> ebenso wie an Musikwerken anzuerkennen. Wir enthalten uns, auf die laut-<lb/> gewordencn Motive einzugehen. Dagegen ist es unumgänglich nothwendig, darauf<lb/> hinzuweisen, daß vom Gesichtspunkt des unparteiischen Rechts aus auch nicht<lb/> Ein zwingender oder nur scheinbarer Grund vorhanden'ist, hierbei zwischen<lb/> Literatur und Tonkunst zu unterscheiden. Dagegen muß man vom Gesichts- ,<lb/> Punkt der Zweckmäßigkeit eine solche Verweigerung geradezu als nachtheilig</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0072]
Nicht minder ist, den Erfahrungen gegenüber, welche der Verleger von Musi-
kalien, an denen er das Verlagsrecht für Deutschland erwarben hatte, von
deutschen Gerichtshöfen machen mußte, es sehr zu wünschen, daß die im Ent¬
würfe enthaltene gesetzliche Anerkennung des s. g. getheilten Eigenthums (d. h,
eines Verlagsrechts, dessen Ausschließlichkeit sich auf die Grenzen vertrags¬
mäßig bestimmter Länder beschränkt, innerhalb dieser Grenzen aber vollgiltig
ist) allgemein ausgesprochen werde.
Deutsche Gerichtshöfe entblödeten sich nämlich nicht, einem solchen Ver¬
leger den gesetzlichen Schutz gegen den Vertrieb auswärts veranstalteter Ver¬
vielfältigungen dieses Werks in Deutschland zu versagen, weil mit seiner
Uebereinstimmung das Verlagsrecht an demselben Werke für Frankreich' oder
Italien einem dortigen Verleger ertheilt worden und daher die Entstehung
der Exemplare eine vom Urheber genehmigte und berechtigte war; obwol die
Verpflichtung, die auswärts veranstalteten Vervielfältigungen nicht nach Deutsch¬
land zu vertreiben, im Vertrage ausdrücklich aufgestellt wurde.
Dagegen hat der Entwurf ungeachtet der verschiedenen, auf langjährige
Erfahrungen gestützten Erklärungen der Musikalienhändler, „daß sie einen
eigentlichen ihnen nützendcn Rechtsschutz gegen die Piraterie der Nachbildner
ohne ein Eigenthum an der Melodie nicht genießen würden", dieses nicht auf¬
genommen. Man stellte die Melodie (freilich wegen der wesentlichen Verschie¬
denheit ohne Berechtigung dazu) dem Gedanken gleich und da man mit Recht
ein Gedanken-Eigenthum verwerfen mußte, so lehnte man das Eigenthums-,
recht an der Melodie ab. Wenn nun auch unbedingt zugegeben werden kaun,
daß das Eigenthum an der Melodie in einzelnen Fällen zu einer Tyrannei
führen möchte, wie das Gedanken-Eigenthum, so ist doch einerseits die Ton¬
kunst durch dasselbe in keiner Weise beschränkt, in ihrem Fortschritte nicht ge¬
hemmt, wie die. Wissenschaft es beim Herrschen eines Gedankeneigenthums
sein würde. Andrerseits sind die Grenzen zwischen originaler Benutzung eines
Gedankens und gewinnsüchtiger Benutzung einer fremden Arbeit bei Tonwer-
kcn bei weitem schwerer zu ziehen und darum hier eine strengere Handhabung
des Urheberrechts zweifelsohne gerechtfertigt. Dennoch dürste die Nichtberück-
sichtigung der Wünsche des Musikaiicnhandels, in dieser Hinsicht dem franzö¬
sischen Verleger gleichgestellt zu sein, weniger inconsequent genannt werden,
als die Ablehnung, das getheilte Eigenthum an literarischen Verlagswerken
ebenso wie an Musikwerken anzuerkennen. Wir enthalten uns, auf die laut-
gewordencn Motive einzugehen. Dagegen ist es unumgänglich nothwendig, darauf
hinzuweisen, daß vom Gesichtspunkt des unparteiischen Rechts aus auch nicht
Ein zwingender oder nur scheinbarer Grund vorhanden'ist, hierbei zwischen
Literatur und Tonkunst zu unterscheiden. Dagegen muß man vom Gesichts- ,
Punkt der Zweckmäßigkeit eine solche Verweigerung geradezu als nachtheilig
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