Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

dies gethan, eine nicht mehr abzuweisende Nothwendigkeit sei. Darum ist der
Entwurf auch als eine Unterlage zu einer allgemeinen deutschen Bundesgesetz-
gebung zu bezeichnen und die Einigung der gesammten Bundesstaaten über
die aufgestellten Principien als erste Bedingung sür Hebung der großen Uebel¬
stände der gegenwärtigen Verhältnisse gefordert und vorausgesetzt.

Der Ausdruck, welchen der Buchhändlerstaat oder wie sie selbst sich oft
bezeichnen "die Buchhändler-Familie", nach Außen hin sich gegeben hat, ist der
Börsenverein der deutschen Buchhändler in Leipzig. In dessen Schooße wer¬
den die Klagen über die Fesseln, welche drücken, über die Hemmnisse, welche
dem Fortschritte entgegengesetzt werden und über die Anfeindungen, welche
Literatur und Kunst zu erleiden haben, am ungehindertsten laut und wie schon
viele tüchtige Arbeiten über Fragen, welche Literatur und Presse berühren, von
demselben ausgegangen sind, so kann man mit vollem Rechte den vorliegen¬
den Entwurf zu einer der gelungensten zahlen. Man hat dabei, die bestehen¬
den deutschen Gesetze als Grundlage, die gemachten Ersahrungen als Factoren
und das preußische Gesetz als Führer genommen. Letzteres geschah nicht, weil
der Entwurf von einer, vom Börsenverein gewählten in Berlin wohnhaften
Commission preußischer Juristen gefaßt worden ist; sondern nach reiflicher Be¬
rathung eines aus Buchhändlern der verschiedensten deutschen Bundesstaaten
bestehenden Ausschusses, welche in Leipzig tagte. Man besaß nämlich unter
den geltenden deutschen Gesetzen nur zwei, welche die in den Bundesbeschlüsscn
enthaltenen ganz allgemeinen Grundsätze dem Bedürfnisse gemäß weiter aus¬
geführt hatten und daher zum Anhalt, den man im Bestehenden suchte, die¬
nen konnten: das preußische und das östreichische. Letzteres ist zwar umfäng¬
licher, aber dies nur durch weniger prägnante Fassung und entbehrliche
Specialitäten. Ersteres ist dagegen systematischer und bietet darum einer zu
erweiternden Gesetzgebung einen viel sicherern Grund zu dem darüber zu er¬
richtenden Gebäude. Auch fand man in der Auffassung der einzelnen Be¬
stimmungen weit mehr, was der allgemeinen Ueberzeugung entsprach.

Nachdem man die Uebersicht über alles Bestehende durch die von dem
Schreiber dieses im Austrage des Börsenvereins veranstaltete "Zusammenstel-
lung der gesetzlichen Bestimmungen über das Urheber- und Verlagsrecht" (1855.
Leipzig) erleichtert hatte, wurden von den Mitgliedern des obenerwähnten
Ausschusses alle bekannt gewordenen Wünsche des Buchhandels zusammenge¬
tragen und an die Paragraphen des preußischen Gesetzes angereiht. Die
Frucht dieser mühsamen Arbeit wurde der Commission übergeben, von ihr ein
Entwurf mit ausführlichen Motiven ausgearbeitet und derselbe dann 1857
von demselben Ausschusse berathen. Der hierauf hervorgegangene Gesetzent¬
wurf erhielt seine endgiltige Fassung durch eine neue Redactionscommission.

Diese geschichtlichen Bemerkungen erscheinen uns zur richtigen Beurthei-


dies gethan, eine nicht mehr abzuweisende Nothwendigkeit sei. Darum ist der
Entwurf auch als eine Unterlage zu einer allgemeinen deutschen Bundesgesetz-
gebung zu bezeichnen und die Einigung der gesammten Bundesstaaten über
die aufgestellten Principien als erste Bedingung sür Hebung der großen Uebel¬
stände der gegenwärtigen Verhältnisse gefordert und vorausgesetzt.

Der Ausdruck, welchen der Buchhändlerstaat oder wie sie selbst sich oft
bezeichnen „die Buchhändler-Familie", nach Außen hin sich gegeben hat, ist der
Börsenverein der deutschen Buchhändler in Leipzig. In dessen Schooße wer¬
den die Klagen über die Fesseln, welche drücken, über die Hemmnisse, welche
dem Fortschritte entgegengesetzt werden und über die Anfeindungen, welche
Literatur und Kunst zu erleiden haben, am ungehindertsten laut und wie schon
viele tüchtige Arbeiten über Fragen, welche Literatur und Presse berühren, von
demselben ausgegangen sind, so kann man mit vollem Rechte den vorliegen¬
den Entwurf zu einer der gelungensten zahlen. Man hat dabei, die bestehen¬
den deutschen Gesetze als Grundlage, die gemachten Ersahrungen als Factoren
und das preußische Gesetz als Führer genommen. Letzteres geschah nicht, weil
der Entwurf von einer, vom Börsenverein gewählten in Berlin wohnhaften
Commission preußischer Juristen gefaßt worden ist; sondern nach reiflicher Be¬
rathung eines aus Buchhändlern der verschiedensten deutschen Bundesstaaten
bestehenden Ausschusses, welche in Leipzig tagte. Man besaß nämlich unter
den geltenden deutschen Gesetzen nur zwei, welche die in den Bundesbeschlüsscn
enthaltenen ganz allgemeinen Grundsätze dem Bedürfnisse gemäß weiter aus¬
geführt hatten und daher zum Anhalt, den man im Bestehenden suchte, die¬
nen konnten: das preußische und das östreichische. Letzteres ist zwar umfäng¬
licher, aber dies nur durch weniger prägnante Fassung und entbehrliche
Specialitäten. Ersteres ist dagegen systematischer und bietet darum einer zu
erweiternden Gesetzgebung einen viel sicherern Grund zu dem darüber zu er¬
richtenden Gebäude. Auch fand man in der Auffassung der einzelnen Be¬
stimmungen weit mehr, was der allgemeinen Ueberzeugung entsprach.

Nachdem man die Uebersicht über alles Bestehende durch die von dem
Schreiber dieses im Austrage des Börsenvereins veranstaltete „Zusammenstel-
lung der gesetzlichen Bestimmungen über das Urheber- und Verlagsrecht" (1855.
Leipzig) erleichtert hatte, wurden von den Mitgliedern des obenerwähnten
Ausschusses alle bekannt gewordenen Wünsche des Buchhandels zusammenge¬
tragen und an die Paragraphen des preußischen Gesetzes angereiht. Die
Frucht dieser mühsamen Arbeit wurde der Commission übergeben, von ihr ein
Entwurf mit ausführlichen Motiven ausgearbeitet und derselbe dann 1857
von demselben Ausschusse berathen. Der hierauf hervorgegangene Gesetzent¬
wurf erhielt seine endgiltige Fassung durch eine neue Redactionscommission.

Diese geschichtlichen Bemerkungen erscheinen uns zur richtigen Beurthei-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0064" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/110958"/>
          <p xml:id="ID_155" prev="#ID_154"> dies gethan, eine nicht mehr abzuweisende Nothwendigkeit sei. Darum ist der<lb/>
Entwurf auch als eine Unterlage zu einer allgemeinen deutschen Bundesgesetz-<lb/>
gebung zu bezeichnen und die Einigung der gesammten Bundesstaaten über<lb/>
die aufgestellten Principien als erste Bedingung sür Hebung der großen Uebel¬<lb/>
stände der gegenwärtigen Verhältnisse gefordert und vorausgesetzt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_156"> Der Ausdruck, welchen der Buchhändlerstaat oder wie sie selbst sich oft<lb/>
bezeichnen &#x201E;die Buchhändler-Familie", nach Außen hin sich gegeben hat, ist der<lb/>
Börsenverein der deutschen Buchhändler in Leipzig. In dessen Schooße wer¬<lb/>
den die Klagen über die Fesseln, welche drücken, über die Hemmnisse, welche<lb/>
dem Fortschritte entgegengesetzt werden und über die Anfeindungen, welche<lb/>
Literatur und Kunst zu erleiden haben, am ungehindertsten laut und wie schon<lb/>
viele tüchtige Arbeiten über Fragen, welche Literatur und Presse berühren, von<lb/>
demselben ausgegangen sind, so kann man mit vollem Rechte den vorliegen¬<lb/>
den Entwurf zu einer der gelungensten zahlen. Man hat dabei, die bestehen¬<lb/>
den deutschen Gesetze als Grundlage, die gemachten Ersahrungen als Factoren<lb/>
und das preußische Gesetz als Führer genommen. Letzteres geschah nicht, weil<lb/>
der Entwurf von einer, vom Börsenverein gewählten in Berlin wohnhaften<lb/>
Commission preußischer Juristen gefaßt worden ist; sondern nach reiflicher Be¬<lb/>
rathung eines aus Buchhändlern der verschiedensten deutschen Bundesstaaten<lb/>
bestehenden Ausschusses, welche in Leipzig tagte. Man besaß nämlich unter<lb/>
den geltenden deutschen Gesetzen nur zwei, welche die in den Bundesbeschlüsscn<lb/>
enthaltenen ganz allgemeinen Grundsätze dem Bedürfnisse gemäß weiter aus¬<lb/>
geführt hatten und daher zum Anhalt, den man im Bestehenden suchte, die¬<lb/>
nen konnten: das preußische und das östreichische. Letzteres ist zwar umfäng¬<lb/>
licher, aber dies nur durch weniger prägnante Fassung und entbehrliche<lb/>
Specialitäten. Ersteres ist dagegen systematischer und bietet darum einer zu<lb/>
erweiternden Gesetzgebung einen viel sicherern Grund zu dem darüber zu er¬<lb/>
richtenden Gebäude. Auch fand man in der Auffassung der einzelnen Be¬<lb/>
stimmungen weit mehr, was der allgemeinen Ueberzeugung entsprach.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_157"> Nachdem man die Uebersicht über alles Bestehende durch die von dem<lb/>
Schreiber dieses im Austrage des Börsenvereins veranstaltete &#x201E;Zusammenstel-<lb/>
lung der gesetzlichen Bestimmungen über das Urheber- und Verlagsrecht" (1855.<lb/>
Leipzig) erleichtert hatte, wurden von den Mitgliedern des obenerwähnten<lb/>
Ausschusses alle bekannt gewordenen Wünsche des Buchhandels zusammenge¬<lb/>
tragen und an die Paragraphen des preußischen Gesetzes angereiht. Die<lb/>
Frucht dieser mühsamen Arbeit wurde der Commission übergeben, von ihr ein<lb/>
Entwurf mit ausführlichen Motiven ausgearbeitet und derselbe dann 1857<lb/>
von demselben Ausschusse berathen. Der hierauf hervorgegangene Gesetzent¬<lb/>
wurf erhielt seine endgiltige Fassung durch eine neue Redactionscommission.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_158" next="#ID_159"> Diese geschichtlichen Bemerkungen erscheinen uns zur richtigen Beurthei-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0064] dies gethan, eine nicht mehr abzuweisende Nothwendigkeit sei. Darum ist der Entwurf auch als eine Unterlage zu einer allgemeinen deutschen Bundesgesetz- gebung zu bezeichnen und die Einigung der gesammten Bundesstaaten über die aufgestellten Principien als erste Bedingung sür Hebung der großen Uebel¬ stände der gegenwärtigen Verhältnisse gefordert und vorausgesetzt. Der Ausdruck, welchen der Buchhändlerstaat oder wie sie selbst sich oft bezeichnen „die Buchhändler-Familie", nach Außen hin sich gegeben hat, ist der Börsenverein der deutschen Buchhändler in Leipzig. In dessen Schooße wer¬ den die Klagen über die Fesseln, welche drücken, über die Hemmnisse, welche dem Fortschritte entgegengesetzt werden und über die Anfeindungen, welche Literatur und Kunst zu erleiden haben, am ungehindertsten laut und wie schon viele tüchtige Arbeiten über Fragen, welche Literatur und Presse berühren, von demselben ausgegangen sind, so kann man mit vollem Rechte den vorliegen¬ den Entwurf zu einer der gelungensten zahlen. Man hat dabei, die bestehen¬ den deutschen Gesetze als Grundlage, die gemachten Ersahrungen als Factoren und das preußische Gesetz als Führer genommen. Letzteres geschah nicht, weil der Entwurf von einer, vom Börsenverein gewählten in Berlin wohnhaften Commission preußischer Juristen gefaßt worden ist; sondern nach reiflicher Be¬ rathung eines aus Buchhändlern der verschiedensten deutschen Bundesstaaten bestehenden Ausschusses, welche in Leipzig tagte. Man besaß nämlich unter den geltenden deutschen Gesetzen nur zwei, welche die in den Bundesbeschlüsscn enthaltenen ganz allgemeinen Grundsätze dem Bedürfnisse gemäß weiter aus¬ geführt hatten und daher zum Anhalt, den man im Bestehenden suchte, die¬ nen konnten: das preußische und das östreichische. Letzteres ist zwar umfäng¬ licher, aber dies nur durch weniger prägnante Fassung und entbehrliche Specialitäten. Ersteres ist dagegen systematischer und bietet darum einer zu erweiternden Gesetzgebung einen viel sicherern Grund zu dem darüber zu er¬ richtenden Gebäude. Auch fand man in der Auffassung der einzelnen Be¬ stimmungen weit mehr, was der allgemeinen Ueberzeugung entsprach. Nachdem man die Uebersicht über alles Bestehende durch die von dem Schreiber dieses im Austrage des Börsenvereins veranstaltete „Zusammenstel- lung der gesetzlichen Bestimmungen über das Urheber- und Verlagsrecht" (1855. Leipzig) erleichtert hatte, wurden von den Mitgliedern des obenerwähnten Ausschusses alle bekannt gewordenen Wünsche des Buchhandels zusammenge¬ tragen und an die Paragraphen des preußischen Gesetzes angereiht. Die Frucht dieser mühsamen Arbeit wurde der Commission übergeben, von ihr ein Entwurf mit ausführlichen Motiven ausgearbeitet und derselbe dann 1857 von demselben Ausschusse berathen. Der hierauf hervorgegangene Gesetzent¬ wurf erhielt seine endgiltige Fassung durch eine neue Redactionscommission. Diese geschichtlichen Bemerkungen erscheinen uns zur richtigen Beurthei-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_110893
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_110893/64
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_110893/64>, abgerufen am 25.08.2024.