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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band.

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geschieden, Schleswig nicht getheilt sehen, aber er will auch die deutschen
Schleswiger. die er Südjütcn nennt, nicht zu Dänen gemacht, nicht gegen den
Frieden gesündigt, nicht Zank und Kampf mit Deutschland haben. "Beseitigt
man," sagt er. "den Scandinavismus als Triebfeder oder als Reizmittel,
welches wie Branntwein dem jungen Dänemark eingetrichtert worden, und
hält man ihn für unvernünftig, für ein Gaukelspiel oder für noch etwas
Schlimmeres, wie' sieht es dann aus mit unsern innern Fragen und Streitig¬
keiten der Parteien und Provinzen? Wie vielen unnützen Wortkram, wie viel
Zcitungsgeschreibsel Hütte man sich dann ersparen können." -- "Ich will es
nur gerade heraussagen, daß wir Juden im Gegensatz zu den Großen in
Kopenhagen Friede, Einigkeit und unbeschränkten Handel und Wandel mit
unsern südlichen Nachbarn wünschen. Es ist nicht allein unser Interesse, un¬
ser materieller Vortheil und Wohlstand, der dies verlangt, auch ein vernünfti¬
ges Verhältniß zu den Nachbarn fordert dasselbe. Wir sehen die Deutschen
und namentlich unsre deutschen Mitbürger nicht mit so zornigen Augen an,
wie die da drüben in der Hauptstadt, mögen sie min gelehrte Professoren,
Schriftsteller und Studenten oder großprahlerische Wortführer bei Volksfesten
sein. Sie haben uns lange genug mit Galle gefärbte Brillen aus die Nase
gesetzt."

Ueber die Sprachfrage in Schleswig sagt der Verfasser: "Wegen dieses
halbdeutschen Kauderwälsch (dem Nubendänisch der Nordschleswiger) setzt man
den ganzen Staat, den Frieden mit Deutschland, die eigne Achtung in der
ganzen europäischen Gesellschaft aufs Spiel und geberdet sich, als ob sichs um
Venetien oder Rom handelte. Wir Juten sind wirklich über die Maßen ge¬
duldig; denn mit der Einsicht, welche wir besitzen, hätten wir schon längst den
guten Leuten, die sich mit der Negierung des Landes und der öffentlichen Mei¬
nung abgeben, sagen sollen: Holla, nun wollen wir -- hol mich der Teufel! --
das Gewäsch nicht länger anhören! Es ist Blödsinn von Anfang bis zu Ende.
Laßt den Südjütcn (zu deutsch den Schleswig") sprechen wie er will, und
kümmert euch mehr um Fug und Recht und sorgt für Gerechtigkeit, Freiheit
und Friede im Lande."

Gegen Ploug, den Redacteur des Faedrcland, und den Exminister Blixen
sagt die Schrift: "Wir wollen am liebsten Dänen sein und bleiben und mit
den Deutschen und Schweden in gutem Vernehmen stehen. Doch ist vom
Schwedischwerden die Rede, so kann man sich drauf verlassen, daß Jütland
seinen eignen Weg gehen wird, und daß die Juden eher einen andern Weg
als nach Schweden einschlagen werden, wenn Unsinniges geschehen sollte."
Der Verfasser meint natürlich den Weg nach Süden. Er ist voll arger Vor¬
urtheile, aber ein ehrlicher Bursch, wie die Mehrzahl der Juden, und wenn
wir auch mit seiner Schwärmerei für die Gesammtstaatsidee nicht übereinstim-


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geschieden, Schleswig nicht getheilt sehen, aber er will auch die deutschen
Schleswiger. die er Südjütcn nennt, nicht zu Dänen gemacht, nicht gegen den
Frieden gesündigt, nicht Zank und Kampf mit Deutschland haben. „Beseitigt
man," sagt er. „den Scandinavismus als Triebfeder oder als Reizmittel,
welches wie Branntwein dem jungen Dänemark eingetrichtert worden, und
hält man ihn für unvernünftig, für ein Gaukelspiel oder für noch etwas
Schlimmeres, wie' sieht es dann aus mit unsern innern Fragen und Streitig¬
keiten der Parteien und Provinzen? Wie vielen unnützen Wortkram, wie viel
Zcitungsgeschreibsel Hütte man sich dann ersparen können." — „Ich will es
nur gerade heraussagen, daß wir Juden im Gegensatz zu den Großen in
Kopenhagen Friede, Einigkeit und unbeschränkten Handel und Wandel mit
unsern südlichen Nachbarn wünschen. Es ist nicht allein unser Interesse, un¬
ser materieller Vortheil und Wohlstand, der dies verlangt, auch ein vernünfti¬
ges Verhältniß zu den Nachbarn fordert dasselbe. Wir sehen die Deutschen
und namentlich unsre deutschen Mitbürger nicht mit so zornigen Augen an,
wie die da drüben in der Hauptstadt, mögen sie min gelehrte Professoren,
Schriftsteller und Studenten oder großprahlerische Wortführer bei Volksfesten
sein. Sie haben uns lange genug mit Galle gefärbte Brillen aus die Nase
gesetzt."

Ueber die Sprachfrage in Schleswig sagt der Verfasser: „Wegen dieses
halbdeutschen Kauderwälsch (dem Nubendänisch der Nordschleswiger) setzt man
den ganzen Staat, den Frieden mit Deutschland, die eigne Achtung in der
ganzen europäischen Gesellschaft aufs Spiel und geberdet sich, als ob sichs um
Venetien oder Rom handelte. Wir Juten sind wirklich über die Maßen ge¬
duldig; denn mit der Einsicht, welche wir besitzen, hätten wir schon längst den
guten Leuten, die sich mit der Negierung des Landes und der öffentlichen Mei¬
nung abgeben, sagen sollen: Holla, nun wollen wir — hol mich der Teufel! —
das Gewäsch nicht länger anhören! Es ist Blödsinn von Anfang bis zu Ende.
Laßt den Südjütcn (zu deutsch den Schleswig») sprechen wie er will, und
kümmert euch mehr um Fug und Recht und sorgt für Gerechtigkeit, Freiheit
und Friede im Lande."

Gegen Ploug, den Redacteur des Faedrcland, und den Exminister Blixen
sagt die Schrift: „Wir wollen am liebsten Dänen sein und bleiben und mit
den Deutschen und Schweden in gutem Vernehmen stehen. Doch ist vom
Schwedischwerden die Rede, so kann man sich drauf verlassen, daß Jütland
seinen eignen Weg gehen wird, und daß die Juden eher einen andern Weg
als nach Schweden einschlagen werden, wenn Unsinniges geschehen sollte."
Der Verfasser meint natürlich den Weg nach Süden. Er ist voll arger Vor¬
urtheile, aber ein ehrlicher Bursch, wie die Mehrzahl der Juden, und wenn
wir auch mit seiner Schwärmerei für die Gesammtstaatsidee nicht übereinstim-


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[0517] geschieden, Schleswig nicht getheilt sehen, aber er will auch die deutschen Schleswiger. die er Südjütcn nennt, nicht zu Dänen gemacht, nicht gegen den Frieden gesündigt, nicht Zank und Kampf mit Deutschland haben. „Beseitigt man," sagt er. „den Scandinavismus als Triebfeder oder als Reizmittel, welches wie Branntwein dem jungen Dänemark eingetrichtert worden, und hält man ihn für unvernünftig, für ein Gaukelspiel oder für noch etwas Schlimmeres, wie' sieht es dann aus mit unsern innern Fragen und Streitig¬ keiten der Parteien und Provinzen? Wie vielen unnützen Wortkram, wie viel Zcitungsgeschreibsel Hütte man sich dann ersparen können." — „Ich will es nur gerade heraussagen, daß wir Juden im Gegensatz zu den Großen in Kopenhagen Friede, Einigkeit und unbeschränkten Handel und Wandel mit unsern südlichen Nachbarn wünschen. Es ist nicht allein unser Interesse, un¬ ser materieller Vortheil und Wohlstand, der dies verlangt, auch ein vernünfti¬ ges Verhältniß zu den Nachbarn fordert dasselbe. Wir sehen die Deutschen und namentlich unsre deutschen Mitbürger nicht mit so zornigen Augen an, wie die da drüben in der Hauptstadt, mögen sie min gelehrte Professoren, Schriftsteller und Studenten oder großprahlerische Wortführer bei Volksfesten sein. Sie haben uns lange genug mit Galle gefärbte Brillen aus die Nase gesetzt." Ueber die Sprachfrage in Schleswig sagt der Verfasser: „Wegen dieses halbdeutschen Kauderwälsch (dem Nubendänisch der Nordschleswiger) setzt man den ganzen Staat, den Frieden mit Deutschland, die eigne Achtung in der ganzen europäischen Gesellschaft aufs Spiel und geberdet sich, als ob sichs um Venetien oder Rom handelte. Wir Juten sind wirklich über die Maßen ge¬ duldig; denn mit der Einsicht, welche wir besitzen, hätten wir schon längst den guten Leuten, die sich mit der Negierung des Landes und der öffentlichen Mei¬ nung abgeben, sagen sollen: Holla, nun wollen wir — hol mich der Teufel! — das Gewäsch nicht länger anhören! Es ist Blödsinn von Anfang bis zu Ende. Laßt den Südjütcn (zu deutsch den Schleswig») sprechen wie er will, und kümmert euch mehr um Fug und Recht und sorgt für Gerechtigkeit, Freiheit und Friede im Lande." Gegen Ploug, den Redacteur des Faedrcland, und den Exminister Blixen sagt die Schrift: „Wir wollen am liebsten Dänen sein und bleiben und mit den Deutschen und Schweden in gutem Vernehmen stehen. Doch ist vom Schwedischwerden die Rede, so kann man sich drauf verlassen, daß Jütland seinen eignen Weg gehen wird, und daß die Juden eher einen andern Weg als nach Schweden einschlagen werden, wenn Unsinniges geschehen sollte." Der Verfasser meint natürlich den Weg nach Süden. Er ist voll arger Vor¬ urtheile, aber ein ehrlicher Bursch, wie die Mehrzahl der Juden, und wenn wir auch mit seiner Schwärmerei für die Gesammtstaatsidee nicht übereinstim- 64"

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_110893/517>, abgerufen am 01.10.2024.