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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band.

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täglich erhält, jedes Mal am Tage des Empfanges durchgebracht wer-
den muß.

Regnet es am Karfreitag, so sagt man: soviel Regentropfen soviel Bett¬
ler, d. h. je nasser der Tag. desto weniger fruchtbar das Jahr. In der
Nacht vom Karfreitag auf den Karsamstag läuft man in czechischen Dörfern
um die zwölfte Stunde im Hemde in die Gärten und ruft: "Setzt an, Bäume;
wollt ihr nicht ansetzen, so hauen wir euch ab!" wobei jeder Stamm mit
einem Strohseil umwunden wird. Man glaubt damit zu bewirken, daß
sie reichlich blühen und Früchte tragen.

Der Karsamstag wird von den Czechen Bila Sobota, d. i. der weiße
Sabbath genannt und dient hier wie anderwärts in katholischen Ländern zur
Weihung des neuen Feuers in den Kirchen. In den ältesten Zeiten pflegte
man jeden Sonnabend Feuer zu schlagen, es zu segnen und dann die Altarkerzen
und die Kohlen in den Weihrauchfüssern damit anzuzünden. Jetzt geschieht
dies nur einmal im Jahr und zwar am Tage vor Ostern, wo man auch
das Oel in den heiligen Lampen und das geweihte Salz erneut, welches die
Kirche zu verschiedenen Zwecken bereitet. Das Verbrennen der Reste dieses
Oels und Salzes findet auf kleinen Scheiterhaufen vor den Pfarrkirchen statt
und wird in den meisten Orten "das Judasverbrennen", in den Dürfen an
der sächsischen Grenze "der alte Jude" genannt. Die Kohlen davon sind sehr
wichtig für den Aberglauben. Die deutschen Böhmen schützen mit denselben
ihre Kraut- und Getreidefelder vor dem Einfluß von Hexen und ihre Dächer
vor Blitzschlag. Die Czechen werfen sie in die Ställe, um das Vieh vor
Seuchen zu bewahren. Der Gebrauch ist das zusammengeschrumpfte und
christgläubig gewordene altheidnische Osterfeuer.

Während bei der Messe des Karsamstags das Gloria angestimmt wird
und die von Rom zurückgekehrten Glocken im Verein mit den Klingeln der
Chorknaben, zum ersten Mal wieder laut werdend "die Fasten ausläuten", eilt
wan an vielen Orten an ein fließendes Wasser, um sich Gesicht und Hände
Zu waschen, was gegen Krankheit und den bösen Blick sichert und die Sommer¬
sprossen vertreibt, oder um Wasser zu schöpfen, welches, in Flaschen aufbewahrt,
gegen Epilepsie. Gift und schlimme Augen gut ist. Einige glauben sogar,
daß ein Karsamstagsbad, in fließendem Wasser während des Gloria genom¬
men, von aller Sünde reinige. Andere ahmen mit zusammengebundenen
Schlüsseln das Glockengelüut nach und meinen, daß. soweit der Schall reicht,
die Bäume reichlich Obst tragen werden. Wieder Andere schlagen während
des Gloria an ihre Taschen, um sie das Jahr über immer voll Geld zu ha¬
ben, oder schwenken ihren Geldbeutel in einem Bach oder Fluß hin und her.
was dieselbe Wirkung hat. In Ostböhmcn pflegen die Frauen, sobald die
blöcken wieder zu läuten beginnen, mit einem in der Karwoche gebundenen


Grenzl'oder I. 1861. > 62

täglich erhält, jedes Mal am Tage des Empfanges durchgebracht wer-
den muß.

Regnet es am Karfreitag, so sagt man: soviel Regentropfen soviel Bett¬
ler, d. h. je nasser der Tag. desto weniger fruchtbar das Jahr. In der
Nacht vom Karfreitag auf den Karsamstag läuft man in czechischen Dörfern
um die zwölfte Stunde im Hemde in die Gärten und ruft: „Setzt an, Bäume;
wollt ihr nicht ansetzen, so hauen wir euch ab!" wobei jeder Stamm mit
einem Strohseil umwunden wird. Man glaubt damit zu bewirken, daß
sie reichlich blühen und Früchte tragen.

Der Karsamstag wird von den Czechen Bila Sobota, d. i. der weiße
Sabbath genannt und dient hier wie anderwärts in katholischen Ländern zur
Weihung des neuen Feuers in den Kirchen. In den ältesten Zeiten pflegte
man jeden Sonnabend Feuer zu schlagen, es zu segnen und dann die Altarkerzen
und die Kohlen in den Weihrauchfüssern damit anzuzünden. Jetzt geschieht
dies nur einmal im Jahr und zwar am Tage vor Ostern, wo man auch
das Oel in den heiligen Lampen und das geweihte Salz erneut, welches die
Kirche zu verschiedenen Zwecken bereitet. Das Verbrennen der Reste dieses
Oels und Salzes findet auf kleinen Scheiterhaufen vor den Pfarrkirchen statt
und wird in den meisten Orten „das Judasverbrennen", in den Dürfen an
der sächsischen Grenze „der alte Jude" genannt. Die Kohlen davon sind sehr
wichtig für den Aberglauben. Die deutschen Böhmen schützen mit denselben
ihre Kraut- und Getreidefelder vor dem Einfluß von Hexen und ihre Dächer
vor Blitzschlag. Die Czechen werfen sie in die Ställe, um das Vieh vor
Seuchen zu bewahren. Der Gebrauch ist das zusammengeschrumpfte und
christgläubig gewordene altheidnische Osterfeuer.

Während bei der Messe des Karsamstags das Gloria angestimmt wird
und die von Rom zurückgekehrten Glocken im Verein mit den Klingeln der
Chorknaben, zum ersten Mal wieder laut werdend „die Fasten ausläuten", eilt
wan an vielen Orten an ein fließendes Wasser, um sich Gesicht und Hände
Zu waschen, was gegen Krankheit und den bösen Blick sichert und die Sommer¬
sprossen vertreibt, oder um Wasser zu schöpfen, welches, in Flaschen aufbewahrt,
gegen Epilepsie. Gift und schlimme Augen gut ist. Einige glauben sogar,
daß ein Karsamstagsbad, in fließendem Wasser während des Gloria genom¬
men, von aller Sünde reinige. Andere ahmen mit zusammengebundenen
Schlüsseln das Glockengelüut nach und meinen, daß. soweit der Schall reicht,
die Bäume reichlich Obst tragen werden. Wieder Andere schlagen während
des Gloria an ihre Taschen, um sie das Jahr über immer voll Geld zu ha¬
ben, oder schwenken ihren Geldbeutel in einem Bach oder Fluß hin und her.
was dieselbe Wirkung hat. In Ostböhmcn pflegen die Frauen, sobald die
blöcken wieder zu läuten beginnen, mit einem in der Karwoche gebundenen


Grenzl'oder I. 1861. > 62
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[0499] täglich erhält, jedes Mal am Tage des Empfanges durchgebracht wer- den muß. Regnet es am Karfreitag, so sagt man: soviel Regentropfen soviel Bett¬ ler, d. h. je nasser der Tag. desto weniger fruchtbar das Jahr. In der Nacht vom Karfreitag auf den Karsamstag läuft man in czechischen Dörfern um die zwölfte Stunde im Hemde in die Gärten und ruft: „Setzt an, Bäume; wollt ihr nicht ansetzen, so hauen wir euch ab!" wobei jeder Stamm mit einem Strohseil umwunden wird. Man glaubt damit zu bewirken, daß sie reichlich blühen und Früchte tragen. Der Karsamstag wird von den Czechen Bila Sobota, d. i. der weiße Sabbath genannt und dient hier wie anderwärts in katholischen Ländern zur Weihung des neuen Feuers in den Kirchen. In den ältesten Zeiten pflegte man jeden Sonnabend Feuer zu schlagen, es zu segnen und dann die Altarkerzen und die Kohlen in den Weihrauchfüssern damit anzuzünden. Jetzt geschieht dies nur einmal im Jahr und zwar am Tage vor Ostern, wo man auch das Oel in den heiligen Lampen und das geweihte Salz erneut, welches die Kirche zu verschiedenen Zwecken bereitet. Das Verbrennen der Reste dieses Oels und Salzes findet auf kleinen Scheiterhaufen vor den Pfarrkirchen statt und wird in den meisten Orten „das Judasverbrennen", in den Dürfen an der sächsischen Grenze „der alte Jude" genannt. Die Kohlen davon sind sehr wichtig für den Aberglauben. Die deutschen Böhmen schützen mit denselben ihre Kraut- und Getreidefelder vor dem Einfluß von Hexen und ihre Dächer vor Blitzschlag. Die Czechen werfen sie in die Ställe, um das Vieh vor Seuchen zu bewahren. Der Gebrauch ist das zusammengeschrumpfte und christgläubig gewordene altheidnische Osterfeuer. Während bei der Messe des Karsamstags das Gloria angestimmt wird und die von Rom zurückgekehrten Glocken im Verein mit den Klingeln der Chorknaben, zum ersten Mal wieder laut werdend „die Fasten ausläuten", eilt wan an vielen Orten an ein fließendes Wasser, um sich Gesicht und Hände Zu waschen, was gegen Krankheit und den bösen Blick sichert und die Sommer¬ sprossen vertreibt, oder um Wasser zu schöpfen, welches, in Flaschen aufbewahrt, gegen Epilepsie. Gift und schlimme Augen gut ist. Einige glauben sogar, daß ein Karsamstagsbad, in fließendem Wasser während des Gloria genom¬ men, von aller Sünde reinige. Andere ahmen mit zusammengebundenen Schlüsseln das Glockengelüut nach und meinen, daß. soweit der Schall reicht, die Bäume reichlich Obst tragen werden. Wieder Andere schlagen während des Gloria an ihre Taschen, um sie das Jahr über immer voll Geld zu ha¬ ben, oder schwenken ihren Geldbeutel in einem Bach oder Fluß hin und her. was dieselbe Wirkung hat. In Ostböhmcn pflegen die Frauen, sobald die blöcken wieder zu läuten beginnen, mit einem in der Karwoche gebundenen Grenzl'oder I. 1861. > 62

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_110893/499>, abgerufen am 02.10.2024.