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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band.

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Wir betrachten nun zum Schluß in der Kürze den Einfluß, welchen eine
Trennung der Union auf Europa ausüben würde. Wenn ein gewisses säch¬
sisches Blatt ganz offen der Rebellion der Baumwolleupflanzer das Wort redet
und es nicht für unanständig hält die Sklaverei im Kraftstil amerikanischer
Demokraten zu vertheidigen, so finden wir das nur consequent. Begeistert es
sich doch sonst für alle particnlaristischen und ritterschaftlichen Thorheiten, ge¬
fällt es sich doch auch anderwärts in der Rolle eines Sachwalters des Rechts
gegen d>e Gerechtigkeit, und scheint es doch überhaupt der Ansicht zu hul¬
digen, daß tapfer geschimpft gründlich bewiesen ist. Man zuckt darüber die
Achseln, erinnert sich des Sprichworts, daß jedes Thierchen sein Manierchen
haben muß, und freut sich des Eifers, der den Kern des Pudels täglich mehr
decouvrirt. Wenn sich aber zu jener Liebhaberei, sich in die Speichen des Rades
der Geschichte zu hängen und der aufgehenden Sonne zankend Stillstand zu ge¬
bieten, das stille Vergnügen gesellt, durch den Sturz der großen Republik jen¬
seits des Meeres einen Alp vom Herzen los zu werden, so muß das billig
Wunder nehmen. Die Weisen dieser Partei hassen England von Grund der
Seele, aber sie wissen nicht, daß ein Zerfall der Bereinigten Staaten Eng¬
lands Macht außerordentlich steigern und zwar um so mehr steigern muß,
als der Zerfall ein gründlicher wird. Sollte sich der südliche Sonderbund be¬
festigen, so unterliegt es kaum einen Zweifel, daß daraus über kurz oder lang
eine enge commerzielle und politische Allianz zwischen ihm und England her¬
vorgehen würde. Einmal vom Norden befreit, würden die Südstaaten ihren
Zolltarif bald auf deu niedrigstem Stand herabsetzen, um die Ausfuhr ihres
Hauptartikels möglichst zu fördern. Der südliche Markt würde dann mehr
als je vorher mit englischen Fabrikaten versehen werden, wodurch wiederum
der Export roher Baumwolle nach England wesentlich steigen müßte. Daher
wird es für jene Staaten geboten sein. England beim Guten zu erhalten,
denn wenn sie auch immer darauf rechnen können, in den Nordstaaten Märkte
für ihre Baumwolle zu finden, so dürfen sie auf England für die Dauer
nicht so bestimmt zählen, da dieses im Stande ist, sich allmälig andere Be¬
zugsquellen zu eröffnen.

Amerika ist die einzige Macht der Welt,-welche England ernstlich und
von Jahr zu Jahr mehr zu fürchten hat, vor Allem in industrieller, dann
aber, wie schon ein Blick auf Kanada und Westindien, dann auf Ostnsien,
lehrt, auch in politischer Hinsicht.

Buche die Verbindung der Staaten Nordamerikas nur noch hundert
Jahrs erhalten, was allerdings kaum denkbar, so würde die Centralgewalt
in Washington den Willen von 150 Millionen Menschen vertreten, welche
das reichste Land der Erde und die Küsten von zwei Weltmeeren bewohnen
und nicht blos auf die Verhältnisse von Handel und Gewerbe, sondern auch


Wir betrachten nun zum Schluß in der Kürze den Einfluß, welchen eine
Trennung der Union auf Europa ausüben würde. Wenn ein gewisses säch¬
sisches Blatt ganz offen der Rebellion der Baumwolleupflanzer das Wort redet
und es nicht für unanständig hält die Sklaverei im Kraftstil amerikanischer
Demokraten zu vertheidigen, so finden wir das nur consequent. Begeistert es
sich doch sonst für alle particnlaristischen und ritterschaftlichen Thorheiten, ge¬
fällt es sich doch auch anderwärts in der Rolle eines Sachwalters des Rechts
gegen d>e Gerechtigkeit, und scheint es doch überhaupt der Ansicht zu hul¬
digen, daß tapfer geschimpft gründlich bewiesen ist. Man zuckt darüber die
Achseln, erinnert sich des Sprichworts, daß jedes Thierchen sein Manierchen
haben muß, und freut sich des Eifers, der den Kern des Pudels täglich mehr
decouvrirt. Wenn sich aber zu jener Liebhaberei, sich in die Speichen des Rades
der Geschichte zu hängen und der aufgehenden Sonne zankend Stillstand zu ge¬
bieten, das stille Vergnügen gesellt, durch den Sturz der großen Republik jen¬
seits des Meeres einen Alp vom Herzen los zu werden, so muß das billig
Wunder nehmen. Die Weisen dieser Partei hassen England von Grund der
Seele, aber sie wissen nicht, daß ein Zerfall der Bereinigten Staaten Eng¬
lands Macht außerordentlich steigern und zwar um so mehr steigern muß,
als der Zerfall ein gründlicher wird. Sollte sich der südliche Sonderbund be¬
festigen, so unterliegt es kaum einen Zweifel, daß daraus über kurz oder lang
eine enge commerzielle und politische Allianz zwischen ihm und England her¬
vorgehen würde. Einmal vom Norden befreit, würden die Südstaaten ihren
Zolltarif bald auf deu niedrigstem Stand herabsetzen, um die Ausfuhr ihres
Hauptartikels möglichst zu fördern. Der südliche Markt würde dann mehr
als je vorher mit englischen Fabrikaten versehen werden, wodurch wiederum
der Export roher Baumwolle nach England wesentlich steigen müßte. Daher
wird es für jene Staaten geboten sein. England beim Guten zu erhalten,
denn wenn sie auch immer darauf rechnen können, in den Nordstaaten Märkte
für ihre Baumwolle zu finden, so dürfen sie auf England für die Dauer
nicht so bestimmt zählen, da dieses im Stande ist, sich allmälig andere Be¬
zugsquellen zu eröffnen.

Amerika ist die einzige Macht der Welt,-welche England ernstlich und
von Jahr zu Jahr mehr zu fürchten hat, vor Allem in industrieller, dann
aber, wie schon ein Blick auf Kanada und Westindien, dann auf Ostnsien,
lehrt, auch in politischer Hinsicht.

Buche die Verbindung der Staaten Nordamerikas nur noch hundert
Jahrs erhalten, was allerdings kaum denkbar, so würde die Centralgewalt
in Washington den Willen von 150 Millionen Menschen vertreten, welche
das reichste Land der Erde und die Küsten von zwei Weltmeeren bewohnen
und nicht blos auf die Verhältnisse von Handel und Gewerbe, sondern auch


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[0474] Wir betrachten nun zum Schluß in der Kürze den Einfluß, welchen eine Trennung der Union auf Europa ausüben würde. Wenn ein gewisses säch¬ sisches Blatt ganz offen der Rebellion der Baumwolleupflanzer das Wort redet und es nicht für unanständig hält die Sklaverei im Kraftstil amerikanischer Demokraten zu vertheidigen, so finden wir das nur consequent. Begeistert es sich doch sonst für alle particnlaristischen und ritterschaftlichen Thorheiten, ge¬ fällt es sich doch auch anderwärts in der Rolle eines Sachwalters des Rechts gegen d>e Gerechtigkeit, und scheint es doch überhaupt der Ansicht zu hul¬ digen, daß tapfer geschimpft gründlich bewiesen ist. Man zuckt darüber die Achseln, erinnert sich des Sprichworts, daß jedes Thierchen sein Manierchen haben muß, und freut sich des Eifers, der den Kern des Pudels täglich mehr decouvrirt. Wenn sich aber zu jener Liebhaberei, sich in die Speichen des Rades der Geschichte zu hängen und der aufgehenden Sonne zankend Stillstand zu ge¬ bieten, das stille Vergnügen gesellt, durch den Sturz der großen Republik jen¬ seits des Meeres einen Alp vom Herzen los zu werden, so muß das billig Wunder nehmen. Die Weisen dieser Partei hassen England von Grund der Seele, aber sie wissen nicht, daß ein Zerfall der Bereinigten Staaten Eng¬ lands Macht außerordentlich steigern und zwar um so mehr steigern muß, als der Zerfall ein gründlicher wird. Sollte sich der südliche Sonderbund be¬ festigen, so unterliegt es kaum einen Zweifel, daß daraus über kurz oder lang eine enge commerzielle und politische Allianz zwischen ihm und England her¬ vorgehen würde. Einmal vom Norden befreit, würden die Südstaaten ihren Zolltarif bald auf deu niedrigstem Stand herabsetzen, um die Ausfuhr ihres Hauptartikels möglichst zu fördern. Der südliche Markt würde dann mehr als je vorher mit englischen Fabrikaten versehen werden, wodurch wiederum der Export roher Baumwolle nach England wesentlich steigen müßte. Daher wird es für jene Staaten geboten sein. England beim Guten zu erhalten, denn wenn sie auch immer darauf rechnen können, in den Nordstaaten Märkte für ihre Baumwolle zu finden, so dürfen sie auf England für die Dauer nicht so bestimmt zählen, da dieses im Stande ist, sich allmälig andere Be¬ zugsquellen zu eröffnen. Amerika ist die einzige Macht der Welt,-welche England ernstlich und von Jahr zu Jahr mehr zu fürchten hat, vor Allem in industrieller, dann aber, wie schon ein Blick auf Kanada und Westindien, dann auf Ostnsien, lehrt, auch in politischer Hinsicht. Buche die Verbindung der Staaten Nordamerikas nur noch hundert Jahrs erhalten, was allerdings kaum denkbar, so würde die Centralgewalt in Washington den Willen von 150 Millionen Menschen vertreten, welche das reichste Land der Erde und die Küsten von zwei Weltmeeren bewohnen und nicht blos auf die Verhältnisse von Handel und Gewerbe, sondern auch

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_110893/474>, abgerufen am 26.08.2024.