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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band.

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-- sicher der angesehenste. Es wird sich aber sehr zu besinnen haben, ob
die Gefahr eines Anschlusses an den Sonderbund nicht größer ist, als der
Nutzen. Wenn es als Neger züchtender Staat und als Besitzer von einer
sehr großen Anzahl Sklaven allerdings eine Interesse daran hat, daß die.
Sklaverei erhalten, wenigstens nicht im Sinne der fanatischen Abolitionisten,
sondern allmälig und stufenweise ihrer Aushebung entgegengeführt wird, so
hat es andrerseits durch Ossawattomi Browns Unternehmen in Harpers Ferry
einen Vorschmack von dem bekommen, was ihm bevorstünde, falls es mit dem
Norden brechen wollte. Die Gefahr war damals nicht groß, der Schrecken
aber, den der Einfall von einem Dutzend Abolitionisten im ganzen Lande
hervorrief, war ungeheuer. Ein Angriff in stärkeren Massen würde, wenn er
auch nur auf den zwanzigste" Theil der virginischen Neger zu rechnen hätte, die
Streitkräfte des Staates vollkommen lahm legen. Dasselbe aber gilt von Ken-
tucky und noch mehr von, dem auf drei Seiten von freien Staaten begrenzten
Missouri, in welchem überdies die republikanische Partei eine nicht unbedeu¬
tende Zahl von Anhängern hat, und welches bei etwa 700,000 Einwohnern
nur ungefähr 90,000 Negersklaven besitzt. Das Ncgerentführcu auf der "unter¬
irdischen Eisenbahn" und das Aufwiegeln der Sklaven durch Emissäre der
Abolitionisten würde in Betreff dieser Staaten dann in einem Maßstab betrie¬
ben werden, der den Besitz von Menschenfleisch wenigstens in den Grenz-Conn-
ties fast werthlos machen würde.

Dazu kommti daß sich in diesen nördlichen Sklavenstaaten bereits Mami-
facturcn gebildet haben, welche, wenn auch noch nicht mit denen von Neuyork,
Pennsylvanien und Neuengland zu vergleichen, doch eine Partei erzeugt haben,
die in dem, was den Süden außer der Sklaverei vom Norden trennt, in der
Frage: ob Schutzzoll oder Freihandel, entschieden für die Wünsche und Be¬
strebungen des Nordens eintritt, und die, wenn Virginien, Kentucky und
Missouri wirklich noch dem Sonderbund der Vaumwollenrepubliken beitreten
sollten, ein sehr wesentliches Element der Zwietracht bilden würde. Wir be¬
merken hierzu nur, daß das in Fabriken angelegte Capital in Virginien im
Jnhre 1850 schon 13, in Missouri schon 4'/--Million Dollars betrug.

Wir haben versucht, die Interessen aufzuzählen, die in einem großen Theile
der Südstaaten der Leidenschaft, welche die Zerreißung der Union erstrebt, Halt
gebieten sollten, und gesehen, daß die Borderstaatcn es mindestens sehr bedenk¬
lich finden müssen, den Bund mit der Union zu lösen. Begreiflich ist, wenn sie
für ihr Verbleiben trotzdem gute Bedingungen zu gewinnen suchen. Unbegreiflich
aber wäre, wenn die republikanische Partei sich herbeiließe, ihnen mehr zu
bewilligen, als sie mit Recht verlangen können: Berücksichtigung der Unmög¬
lichkeit, die Sklaverei sofort aufzuheben und Duldung derselben in ihren bis¬
herigen Grenzen.


— sicher der angesehenste. Es wird sich aber sehr zu besinnen haben, ob
die Gefahr eines Anschlusses an den Sonderbund nicht größer ist, als der
Nutzen. Wenn es als Neger züchtender Staat und als Besitzer von einer
sehr großen Anzahl Sklaven allerdings eine Interesse daran hat, daß die.
Sklaverei erhalten, wenigstens nicht im Sinne der fanatischen Abolitionisten,
sondern allmälig und stufenweise ihrer Aushebung entgegengeführt wird, so
hat es andrerseits durch Ossawattomi Browns Unternehmen in Harpers Ferry
einen Vorschmack von dem bekommen, was ihm bevorstünde, falls es mit dem
Norden brechen wollte. Die Gefahr war damals nicht groß, der Schrecken
aber, den der Einfall von einem Dutzend Abolitionisten im ganzen Lande
hervorrief, war ungeheuer. Ein Angriff in stärkeren Massen würde, wenn er
auch nur auf den zwanzigste» Theil der virginischen Neger zu rechnen hätte, die
Streitkräfte des Staates vollkommen lahm legen. Dasselbe aber gilt von Ken-
tucky und noch mehr von, dem auf drei Seiten von freien Staaten begrenzten
Missouri, in welchem überdies die republikanische Partei eine nicht unbedeu¬
tende Zahl von Anhängern hat, und welches bei etwa 700,000 Einwohnern
nur ungefähr 90,000 Negersklaven besitzt. Das Ncgerentführcu auf der „unter¬
irdischen Eisenbahn" und das Aufwiegeln der Sklaven durch Emissäre der
Abolitionisten würde in Betreff dieser Staaten dann in einem Maßstab betrie¬
ben werden, der den Besitz von Menschenfleisch wenigstens in den Grenz-Conn-
ties fast werthlos machen würde.

Dazu kommti daß sich in diesen nördlichen Sklavenstaaten bereits Mami-
facturcn gebildet haben, welche, wenn auch noch nicht mit denen von Neuyork,
Pennsylvanien und Neuengland zu vergleichen, doch eine Partei erzeugt haben,
die in dem, was den Süden außer der Sklaverei vom Norden trennt, in der
Frage: ob Schutzzoll oder Freihandel, entschieden für die Wünsche und Be¬
strebungen des Nordens eintritt, und die, wenn Virginien, Kentucky und
Missouri wirklich noch dem Sonderbund der Vaumwollenrepubliken beitreten
sollten, ein sehr wesentliches Element der Zwietracht bilden würde. Wir be¬
merken hierzu nur, daß das in Fabriken angelegte Capital in Virginien im
Jnhre 1850 schon 13, in Missouri schon 4'/--Million Dollars betrug.

Wir haben versucht, die Interessen aufzuzählen, die in einem großen Theile
der Südstaaten der Leidenschaft, welche die Zerreißung der Union erstrebt, Halt
gebieten sollten, und gesehen, daß die Borderstaatcn es mindestens sehr bedenk¬
lich finden müssen, den Bund mit der Union zu lösen. Begreiflich ist, wenn sie
für ihr Verbleiben trotzdem gute Bedingungen zu gewinnen suchen. Unbegreiflich
aber wäre, wenn die republikanische Partei sich herbeiließe, ihnen mehr zu
bewilligen, als sie mit Recht verlangen können: Berücksichtigung der Unmög¬
lichkeit, die Sklaverei sofort aufzuheben und Duldung derselben in ihren bis¬
herigen Grenzen.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_110893/473>, abgerufen am 26.08.2024.