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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band.

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Producte diente, würde es in hundert Jahren, wo das Mississippithal sicher
von hundert Millionen bewohnt sein wird, noch immer jeden andern Hafen¬
platz der Welt verdunkeln. Wenn man den Mississippi von Neuorleans bis.
zu seinem Zusammenfluß mit dem Missouri und diesen wieder bis dahin ver¬
folgt, wo er schiffbar zu sein aufhört, so beträgt dies zusammen eine Linie
von dreitausend englischen Meilen. Wenn man in gleicher Weise den Mississippi
und Ohio aufwärts geht, so belüuft sich die Strecke ihrer Fahrbarkeit gegen
zweitausend Meilen. Der Redrivcr ist bis auf 1300 Meilen oberhalb seiner
Vereinigung mit dem Mississippi zu befahren. Die drei großen Nebenstrome
haben wieder ihre Zweigflüsse, von denen die meisten mehre hundert Meilen
weit schiffbar sind, und selbst diese letztern haben wiederum kleinere, ^wenigstens
auf kurze Strecken für den Dampfbootverkehr geeignete Seitengcwässer. Rech¬
nen wir dazu die künstlichen Wasserstraßen, welche den Verkehr in den Staaten
des Mississippithales erleichtern und welche bei dein großentheils ebenen Boden
leicht bedeutend vermehrt werden könnten, so wird es nicht übertrieben sein,
zu behaupten, daß Neuorleans am Ansgnng einer an 20,000 englische Meilen
betragenden Binnenschifffahrt liegt, und dabei sind nur die Flüsse mit berech¬
net, welche von den gewöhnlichen Mississippidampscrn befahren werden können.

Die politische Bedeutung eines Landstrichs wie Louisiana konnte dem
weiten Blick der amerikanischen Staatsmänner nicht entgehen. Vor der Ab¬
tretung desselben waren die Amerikaner auf ein Stück der östlichen Hälfte des
Mississippithales beschränkt. Die letzte Strecke seines Laufes legte der Fluß
durch das Gebiet einer fremden Macht zurück. Da sie indeß das fruchtbarere
Stromufer besaßen, das sich rasch mit Menschen füllte und sehr bald ans
commerzielle Bedürfnisse hindeutete, sahen sie voraus, daß die großen Gebiete,
die sich von den Allcghanis bis zum Mississippi erstreckten, ohne zu allen Zeiten
freien Zugang zum Ocean etwa in eine solche Lage gerathen würden, wie
Rußland, das mit seinen unermeßlichen Naturreichthümern gleichsam einge¬
pfercht ist, und dessen einzige Zugänge zu den Weltmärkten in den engen
Sünden der Türkei und Skandinaviens bestehen, deren Benutzung ihm jederzeit
gesperrt werden kann. Die Mündung des Mississippi einer fremden Macht
lassen, hieß deren Händen ein Vesitzthum lassen, welches im Frieden vom
höchsten Nutzen, im Kriege vom höchsten Nachtheil sein mußte. Die Union
konnte sich entweder des ganzen linken Ufers des Stromes bemächtigen, wo¬
durch die SÄiisffnhrt aus demselben ein Gemeingut derselben und der aus dem
rechten gelegenen französischen Kolonien geworden wäre, oder beide Ufer zu
erwerben trachten. Sie spielte das höhere Spiel und gewann. Die franzö¬
sische Flagge wurde gegen eine verhältnißmäßig nicht bedeutende Geldsumme
am ganzen Mississippi eingezogen.'

Diese Betrachtung mag ein Fingerzeig sein sür das, was dem südliche"


Producte diente, würde es in hundert Jahren, wo das Mississippithal sicher
von hundert Millionen bewohnt sein wird, noch immer jeden andern Hafen¬
platz der Welt verdunkeln. Wenn man den Mississippi von Neuorleans bis.
zu seinem Zusammenfluß mit dem Missouri und diesen wieder bis dahin ver¬
folgt, wo er schiffbar zu sein aufhört, so beträgt dies zusammen eine Linie
von dreitausend englischen Meilen. Wenn man in gleicher Weise den Mississippi
und Ohio aufwärts geht, so belüuft sich die Strecke ihrer Fahrbarkeit gegen
zweitausend Meilen. Der Redrivcr ist bis auf 1300 Meilen oberhalb seiner
Vereinigung mit dem Mississippi zu befahren. Die drei großen Nebenstrome
haben wieder ihre Zweigflüsse, von denen die meisten mehre hundert Meilen
weit schiffbar sind, und selbst diese letztern haben wiederum kleinere, ^wenigstens
auf kurze Strecken für den Dampfbootverkehr geeignete Seitengcwässer. Rech¬
nen wir dazu die künstlichen Wasserstraßen, welche den Verkehr in den Staaten
des Mississippithales erleichtern und welche bei dein großentheils ebenen Boden
leicht bedeutend vermehrt werden könnten, so wird es nicht übertrieben sein,
zu behaupten, daß Neuorleans am Ansgnng einer an 20,000 englische Meilen
betragenden Binnenschifffahrt liegt, und dabei sind nur die Flüsse mit berech¬
net, welche von den gewöhnlichen Mississippidampscrn befahren werden können.

Die politische Bedeutung eines Landstrichs wie Louisiana konnte dem
weiten Blick der amerikanischen Staatsmänner nicht entgehen. Vor der Ab¬
tretung desselben waren die Amerikaner auf ein Stück der östlichen Hälfte des
Mississippithales beschränkt. Die letzte Strecke seines Laufes legte der Fluß
durch das Gebiet einer fremden Macht zurück. Da sie indeß das fruchtbarere
Stromufer besaßen, das sich rasch mit Menschen füllte und sehr bald ans
commerzielle Bedürfnisse hindeutete, sahen sie voraus, daß die großen Gebiete,
die sich von den Allcghanis bis zum Mississippi erstreckten, ohne zu allen Zeiten
freien Zugang zum Ocean etwa in eine solche Lage gerathen würden, wie
Rußland, das mit seinen unermeßlichen Naturreichthümern gleichsam einge¬
pfercht ist, und dessen einzige Zugänge zu den Weltmärkten in den engen
Sünden der Türkei und Skandinaviens bestehen, deren Benutzung ihm jederzeit
gesperrt werden kann. Die Mündung des Mississippi einer fremden Macht
lassen, hieß deren Händen ein Vesitzthum lassen, welches im Frieden vom
höchsten Nutzen, im Kriege vom höchsten Nachtheil sein mußte. Die Union
konnte sich entweder des ganzen linken Ufers des Stromes bemächtigen, wo¬
durch die SÄiisffnhrt aus demselben ein Gemeingut derselben und der aus dem
rechten gelegenen französischen Kolonien geworden wäre, oder beide Ufer zu
erwerben trachten. Sie spielte das höhere Spiel und gewann. Die franzö¬
sische Flagge wurde gegen eine verhältnißmäßig nicht bedeutende Geldsumme
am ganzen Mississippi eingezogen.'

Diese Betrachtung mag ein Fingerzeig sein sür das, was dem südliche»


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[0468] Producte diente, würde es in hundert Jahren, wo das Mississippithal sicher von hundert Millionen bewohnt sein wird, noch immer jeden andern Hafen¬ platz der Welt verdunkeln. Wenn man den Mississippi von Neuorleans bis. zu seinem Zusammenfluß mit dem Missouri und diesen wieder bis dahin ver¬ folgt, wo er schiffbar zu sein aufhört, so beträgt dies zusammen eine Linie von dreitausend englischen Meilen. Wenn man in gleicher Weise den Mississippi und Ohio aufwärts geht, so belüuft sich die Strecke ihrer Fahrbarkeit gegen zweitausend Meilen. Der Redrivcr ist bis auf 1300 Meilen oberhalb seiner Vereinigung mit dem Mississippi zu befahren. Die drei großen Nebenstrome haben wieder ihre Zweigflüsse, von denen die meisten mehre hundert Meilen weit schiffbar sind, und selbst diese letztern haben wiederum kleinere, ^wenigstens auf kurze Strecken für den Dampfbootverkehr geeignete Seitengcwässer. Rech¬ nen wir dazu die künstlichen Wasserstraßen, welche den Verkehr in den Staaten des Mississippithales erleichtern und welche bei dein großentheils ebenen Boden leicht bedeutend vermehrt werden könnten, so wird es nicht übertrieben sein, zu behaupten, daß Neuorleans am Ansgnng einer an 20,000 englische Meilen betragenden Binnenschifffahrt liegt, und dabei sind nur die Flüsse mit berech¬ net, welche von den gewöhnlichen Mississippidampscrn befahren werden können. Die politische Bedeutung eines Landstrichs wie Louisiana konnte dem weiten Blick der amerikanischen Staatsmänner nicht entgehen. Vor der Ab¬ tretung desselben waren die Amerikaner auf ein Stück der östlichen Hälfte des Mississippithales beschränkt. Die letzte Strecke seines Laufes legte der Fluß durch das Gebiet einer fremden Macht zurück. Da sie indeß das fruchtbarere Stromufer besaßen, das sich rasch mit Menschen füllte und sehr bald ans commerzielle Bedürfnisse hindeutete, sahen sie voraus, daß die großen Gebiete, die sich von den Allcghanis bis zum Mississippi erstreckten, ohne zu allen Zeiten freien Zugang zum Ocean etwa in eine solche Lage gerathen würden, wie Rußland, das mit seinen unermeßlichen Naturreichthümern gleichsam einge¬ pfercht ist, und dessen einzige Zugänge zu den Weltmärkten in den engen Sünden der Türkei und Skandinaviens bestehen, deren Benutzung ihm jederzeit gesperrt werden kann. Die Mündung des Mississippi einer fremden Macht lassen, hieß deren Händen ein Vesitzthum lassen, welches im Frieden vom höchsten Nutzen, im Kriege vom höchsten Nachtheil sein mußte. Die Union konnte sich entweder des ganzen linken Ufers des Stromes bemächtigen, wo¬ durch die SÄiisffnhrt aus demselben ein Gemeingut derselben und der aus dem rechten gelegenen französischen Kolonien geworden wäre, oder beide Ufer zu erwerben trachten. Sie spielte das höhere Spiel und gewann. Die franzö¬ sische Flagge wurde gegen eine verhältnißmäßig nicht bedeutende Geldsumme am ganzen Mississippi eingezogen.' Diese Betrachtung mag ein Fingerzeig sein sür das, was dem südliche»

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Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_110893/468>, abgerufen am 25.08.2024.