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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band.

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dann, wacher sich nicht blos vor der Fronte der Stadt, sondern noch gegen
100 Meilen unterhalb und 50 Meilen oberhalb derselben zu beiden Seiten
des Stromes hinzieht, und den Zweck hat, die Wassermasse in einem bestimm¬
ten Kanal festzuhalten, damit aber zugleich bewirkt, daß durch die Schlamm¬
theile, welche der Fluß mit sich sührt, und welche er bei Überschwemmungen
an seinen natürlichen Usern absetzte, das Flußbett sich allmälig erhöht. Schon
liegt in Folge dieses Processes ein bedeutender Theil der Stadtfläche unter
dem Niveau des Stromes während der Fluthzeit, und schon ist es schwierig,
die Stadt nach letzterem hin zu entwässern, und die Zeit wird kommen, wo dies
ganz unmöglich sein wird. Es liegt in dieser fortschreitenden Erhöhung des Flu߬
bettes aber noch eine andere und viel bedenklichere Gefahr für Neuorleans. Je
höher sich der Kanal hebt, desto schwächer wird die Strömung in ihm werden,
und desto mehr werden sich die Gewässer zur Fluthzeit weiter oben anhäufen.
Es wird eine förmliche Barre entstehen, die keinen genügend raschen Abfluß
der Gewässer gestattet, diese Gewässer werden sich oberhalb der Levee in sol¬
cher Masse sammeln, daß sie Macht genug haben, das User zu durchbrechen
und sich einen ganz neuen Kanal nach dem Golf zu suchen. Es ist daher nicht
unwahrscheinlich, daß der jetzige Lauf,des untern Mississippi einst durch einen
langen unregelmäßigen Hohlweg bezeichnet. Neuorleans von dem Flusse ver¬
lassen sein und letzterer sich einen kürzern Abfluß durch den Pontchartrainsee
bahnen wird.

Im Jahre 1810 hatte Neuorleans etwa 17.000, im Jahre 1840 über
102,000, im Jahre 1850 119,285 Einwohner; jetzt wird es ungefähr 140,000
haben. Diese Bevölkerung ist, wie schon angedeutet, sehr gemischt. Sie läßt
sich auf fünf deutlich geschiedene Grundstämme zurückführen: den französischen,
den angloamerikanischen, den spanischen, den deutscheu und den afrikanischen,
wo^u dann noch viele Mischlinge kommen. Der Hauptstamm der weißen Be¬
völkerung besteht indeß aus Angloamerikanern und französischen Kreolen, von
denen erstere nur angelsächsisches Blut, letztere eine kleine Beimischung von
angelsächsischem und spanischem in den Adern haben. Spanisch wird für ge¬
wöhnlich nur noch von Wenigen gesprochen. Deutsche mögen in der Stadt
gegen 20,000 angesiedelt sein. Die afrikanische Race macht nicht weniger als
fünfzig Procent der Gesammtbevölkerung aus, und nur ein Sechstheil davon
ist frei, sodaß ziemlich zwei Fünftheile der Einwohner von Neuorleans das
Joch der Sklaverei tragen. Indianer und Mischlinge von diesen und Schwar¬
zen , wie sie in Mexiko so häufig sind, finden sich hier nur wenige, dagegen
trifft man viele Mulatten, und die Abkömmlinge von diesen und Weißen, die
Tcrzeronen und Quadroncn, gehören zu den schönsten Menschen. Anmuthigere
Frauen als die zu dieser Klasse zählenden, findet man nirgends.

Die Einwohner von Neuorleans lassen sich serner in eine bleibende und


dann, wacher sich nicht blos vor der Fronte der Stadt, sondern noch gegen
100 Meilen unterhalb und 50 Meilen oberhalb derselben zu beiden Seiten
des Stromes hinzieht, und den Zweck hat, die Wassermasse in einem bestimm¬
ten Kanal festzuhalten, damit aber zugleich bewirkt, daß durch die Schlamm¬
theile, welche der Fluß mit sich sührt, und welche er bei Überschwemmungen
an seinen natürlichen Usern absetzte, das Flußbett sich allmälig erhöht. Schon
liegt in Folge dieses Processes ein bedeutender Theil der Stadtfläche unter
dem Niveau des Stromes während der Fluthzeit, und schon ist es schwierig,
die Stadt nach letzterem hin zu entwässern, und die Zeit wird kommen, wo dies
ganz unmöglich sein wird. Es liegt in dieser fortschreitenden Erhöhung des Flu߬
bettes aber noch eine andere und viel bedenklichere Gefahr für Neuorleans. Je
höher sich der Kanal hebt, desto schwächer wird die Strömung in ihm werden,
und desto mehr werden sich die Gewässer zur Fluthzeit weiter oben anhäufen.
Es wird eine förmliche Barre entstehen, die keinen genügend raschen Abfluß
der Gewässer gestattet, diese Gewässer werden sich oberhalb der Levee in sol¬
cher Masse sammeln, daß sie Macht genug haben, das User zu durchbrechen
und sich einen ganz neuen Kanal nach dem Golf zu suchen. Es ist daher nicht
unwahrscheinlich, daß der jetzige Lauf,des untern Mississippi einst durch einen
langen unregelmäßigen Hohlweg bezeichnet. Neuorleans von dem Flusse ver¬
lassen sein und letzterer sich einen kürzern Abfluß durch den Pontchartrainsee
bahnen wird.

Im Jahre 1810 hatte Neuorleans etwa 17.000, im Jahre 1840 über
102,000, im Jahre 1850 119,285 Einwohner; jetzt wird es ungefähr 140,000
haben. Diese Bevölkerung ist, wie schon angedeutet, sehr gemischt. Sie läßt
sich auf fünf deutlich geschiedene Grundstämme zurückführen: den französischen,
den angloamerikanischen, den spanischen, den deutscheu und den afrikanischen,
wo^u dann noch viele Mischlinge kommen. Der Hauptstamm der weißen Be¬
völkerung besteht indeß aus Angloamerikanern und französischen Kreolen, von
denen erstere nur angelsächsisches Blut, letztere eine kleine Beimischung von
angelsächsischem und spanischem in den Adern haben. Spanisch wird für ge¬
wöhnlich nur noch von Wenigen gesprochen. Deutsche mögen in der Stadt
gegen 20,000 angesiedelt sein. Die afrikanische Race macht nicht weniger als
fünfzig Procent der Gesammtbevölkerung aus, und nur ein Sechstheil davon
ist frei, sodaß ziemlich zwei Fünftheile der Einwohner von Neuorleans das
Joch der Sklaverei tragen. Indianer und Mischlinge von diesen und Schwar¬
zen , wie sie in Mexiko so häufig sind, finden sich hier nur wenige, dagegen
trifft man viele Mulatten, und die Abkömmlinge von diesen und Weißen, die
Tcrzeronen und Quadroncn, gehören zu den schönsten Menschen. Anmuthigere
Frauen als die zu dieser Klasse zählenden, findet man nirgends.

Die Einwohner von Neuorleans lassen sich serner in eine bleibende und


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[0466] dann, wacher sich nicht blos vor der Fronte der Stadt, sondern noch gegen 100 Meilen unterhalb und 50 Meilen oberhalb derselben zu beiden Seiten des Stromes hinzieht, und den Zweck hat, die Wassermasse in einem bestimm¬ ten Kanal festzuhalten, damit aber zugleich bewirkt, daß durch die Schlamm¬ theile, welche der Fluß mit sich sührt, und welche er bei Überschwemmungen an seinen natürlichen Usern absetzte, das Flußbett sich allmälig erhöht. Schon liegt in Folge dieses Processes ein bedeutender Theil der Stadtfläche unter dem Niveau des Stromes während der Fluthzeit, und schon ist es schwierig, die Stadt nach letzterem hin zu entwässern, und die Zeit wird kommen, wo dies ganz unmöglich sein wird. Es liegt in dieser fortschreitenden Erhöhung des Flu߬ bettes aber noch eine andere und viel bedenklichere Gefahr für Neuorleans. Je höher sich der Kanal hebt, desto schwächer wird die Strömung in ihm werden, und desto mehr werden sich die Gewässer zur Fluthzeit weiter oben anhäufen. Es wird eine förmliche Barre entstehen, die keinen genügend raschen Abfluß der Gewässer gestattet, diese Gewässer werden sich oberhalb der Levee in sol¬ cher Masse sammeln, daß sie Macht genug haben, das User zu durchbrechen und sich einen ganz neuen Kanal nach dem Golf zu suchen. Es ist daher nicht unwahrscheinlich, daß der jetzige Lauf,des untern Mississippi einst durch einen langen unregelmäßigen Hohlweg bezeichnet. Neuorleans von dem Flusse ver¬ lassen sein und letzterer sich einen kürzern Abfluß durch den Pontchartrainsee bahnen wird. Im Jahre 1810 hatte Neuorleans etwa 17.000, im Jahre 1840 über 102,000, im Jahre 1850 119,285 Einwohner; jetzt wird es ungefähr 140,000 haben. Diese Bevölkerung ist, wie schon angedeutet, sehr gemischt. Sie läßt sich auf fünf deutlich geschiedene Grundstämme zurückführen: den französischen, den angloamerikanischen, den spanischen, den deutscheu und den afrikanischen, wo^u dann noch viele Mischlinge kommen. Der Hauptstamm der weißen Be¬ völkerung besteht indeß aus Angloamerikanern und französischen Kreolen, von denen erstere nur angelsächsisches Blut, letztere eine kleine Beimischung von angelsächsischem und spanischem in den Adern haben. Spanisch wird für ge¬ wöhnlich nur noch von Wenigen gesprochen. Deutsche mögen in der Stadt gegen 20,000 angesiedelt sein. Die afrikanische Race macht nicht weniger als fünfzig Procent der Gesammtbevölkerung aus, und nur ein Sechstheil davon ist frei, sodaß ziemlich zwei Fünftheile der Einwohner von Neuorleans das Joch der Sklaverei tragen. Indianer und Mischlinge von diesen und Schwar¬ zen , wie sie in Mexiko so häufig sind, finden sich hier nur wenige, dagegen trifft man viele Mulatten, und die Abkömmlinge von diesen und Weißen, die Tcrzeronen und Quadroncn, gehören zu den schönsten Menschen. Anmuthigere Frauen als die zu dieser Klasse zählenden, findet man nirgends. Die Einwohner von Neuorleans lassen sich serner in eine bleibende und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_110893/466>, abgerufen am 25.08.2024.