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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band.

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Die niederdeutsche Sprache ist für solche Schilderungen nach vieler Hin¬
sicht besser geeignet, als die hochdeutsche Schriftsprache, welche ihnen wie ein
unbequemer Rock gesessen hätte. Reuter aber hatte n,och besondere Veran¬
lassung, als niederdeutscher Dichter aufzutreten. Seit seiner Kindheit hat er
plattdeutsch gesprochen. Im Elternhaus zu Stavenhngen. als Gymnasiast in
Friedland und Parchim, auch als Student in Jena, wo viele seiner Lands¬
leute Mitglieder der Germania waren; noch als Gefangener auf der Festung,
wo er beständig Landsleute zu Leidensgefährten hatte, zuletzt als Landwirth.
Er kennt und beherrscht die niederdeutsche Sprache durch und durch, allerdings
in der Dialektfarbe, welche das niederdeutsche in seiner Heimath, z. B. gegen¬
über Holstein, hat. Er hat die Sprache nicht nach der Grammatik studirt,
sondern einzig nach dem Leben, wie ja auch seine poetischen Schöpfungen aus
dem vollen Leben gegriffen sind.

Reuter ist kein gelehrter Mann, aber von reicher und umfassender Bil¬
dung. Sein wechselvolles Leben hat ihm Gelegenheit gegeben, Vieles zu be¬
obachten und sich ein selbständiges Urtheil zu formen. Dadurch wird auch
seine Unterhaltung in hohem Grade anziehend. Wie in seinen Schriften, zeigt
er auch im Verkehr mit Andern einen reichen Humor. Freilich in der ersten
Begegnung erweist wol auch er seine norddeutsche Natur durch zurückhaltende
Schweigsamkeit; für die aber, welche er einmal liebgewonnen, ist er ein treuer,
zuverlässiger Freund. In der Politik ist er den liberalen Ideen seiner Jüng¬
lingsjahre treu geblieben, und was er damals vergeblich träumte, erstrebt er
jetzt als Mitglied des Nationalvereins mit männlichem Ernst.


Dr. Richard Schröder.


Gras Cavour.

Die Eröffnung des ersten italienischen Parlaments lenkt aufs Neue den
Blick aller auf den Staatsmann, der mit kühnem Geist und fester Hand die
ganze Bewegung geleitet, welche die apenninische Halbinsel zu einer Großmacht
vereinigt, der nur noch ihre künftige Hauptstadt und das venetianische Außen¬
werk zu erobern übrig bleiben. Wenn man betrachtet, mit wie geringer Er-


Die niederdeutsche Sprache ist für solche Schilderungen nach vieler Hin¬
sicht besser geeignet, als die hochdeutsche Schriftsprache, welche ihnen wie ein
unbequemer Rock gesessen hätte. Reuter aber hatte n,och besondere Veran¬
lassung, als niederdeutscher Dichter aufzutreten. Seit seiner Kindheit hat er
plattdeutsch gesprochen. Im Elternhaus zu Stavenhngen. als Gymnasiast in
Friedland und Parchim, auch als Student in Jena, wo viele seiner Lands¬
leute Mitglieder der Germania waren; noch als Gefangener auf der Festung,
wo er beständig Landsleute zu Leidensgefährten hatte, zuletzt als Landwirth.
Er kennt und beherrscht die niederdeutsche Sprache durch und durch, allerdings
in der Dialektfarbe, welche das niederdeutsche in seiner Heimath, z. B. gegen¬
über Holstein, hat. Er hat die Sprache nicht nach der Grammatik studirt,
sondern einzig nach dem Leben, wie ja auch seine poetischen Schöpfungen aus
dem vollen Leben gegriffen sind.

Reuter ist kein gelehrter Mann, aber von reicher und umfassender Bil¬
dung. Sein wechselvolles Leben hat ihm Gelegenheit gegeben, Vieles zu be¬
obachten und sich ein selbständiges Urtheil zu formen. Dadurch wird auch
seine Unterhaltung in hohem Grade anziehend. Wie in seinen Schriften, zeigt
er auch im Verkehr mit Andern einen reichen Humor. Freilich in der ersten
Begegnung erweist wol auch er seine norddeutsche Natur durch zurückhaltende
Schweigsamkeit; für die aber, welche er einmal liebgewonnen, ist er ein treuer,
zuverlässiger Freund. In der Politik ist er den liberalen Ideen seiner Jüng¬
lingsjahre treu geblieben, und was er damals vergeblich träumte, erstrebt er
jetzt als Mitglied des Nationalvereins mit männlichem Ernst.


Dr. Richard Schröder.


Gras Cavour.

Die Eröffnung des ersten italienischen Parlaments lenkt aufs Neue den
Blick aller auf den Staatsmann, der mit kühnem Geist und fester Hand die
ganze Bewegung geleitet, welche die apenninische Halbinsel zu einer Großmacht
vereinigt, der nur noch ihre künftige Hauptstadt und das venetianische Außen¬
werk zu erobern übrig bleiben. Wenn man betrachtet, mit wie geringer Er-


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[0454] Die niederdeutsche Sprache ist für solche Schilderungen nach vieler Hin¬ sicht besser geeignet, als die hochdeutsche Schriftsprache, welche ihnen wie ein unbequemer Rock gesessen hätte. Reuter aber hatte n,och besondere Veran¬ lassung, als niederdeutscher Dichter aufzutreten. Seit seiner Kindheit hat er plattdeutsch gesprochen. Im Elternhaus zu Stavenhngen. als Gymnasiast in Friedland und Parchim, auch als Student in Jena, wo viele seiner Lands¬ leute Mitglieder der Germania waren; noch als Gefangener auf der Festung, wo er beständig Landsleute zu Leidensgefährten hatte, zuletzt als Landwirth. Er kennt und beherrscht die niederdeutsche Sprache durch und durch, allerdings in der Dialektfarbe, welche das niederdeutsche in seiner Heimath, z. B. gegen¬ über Holstein, hat. Er hat die Sprache nicht nach der Grammatik studirt, sondern einzig nach dem Leben, wie ja auch seine poetischen Schöpfungen aus dem vollen Leben gegriffen sind. Reuter ist kein gelehrter Mann, aber von reicher und umfassender Bil¬ dung. Sein wechselvolles Leben hat ihm Gelegenheit gegeben, Vieles zu be¬ obachten und sich ein selbständiges Urtheil zu formen. Dadurch wird auch seine Unterhaltung in hohem Grade anziehend. Wie in seinen Schriften, zeigt er auch im Verkehr mit Andern einen reichen Humor. Freilich in der ersten Begegnung erweist wol auch er seine norddeutsche Natur durch zurückhaltende Schweigsamkeit; für die aber, welche er einmal liebgewonnen, ist er ein treuer, zuverlässiger Freund. In der Politik ist er den liberalen Ideen seiner Jüng¬ lingsjahre treu geblieben, und was er damals vergeblich träumte, erstrebt er jetzt als Mitglied des Nationalvereins mit männlichem Ernst. Dr. Richard Schröder. Gras Cavour. Die Eröffnung des ersten italienischen Parlaments lenkt aufs Neue den Blick aller auf den Staatsmann, der mit kühnem Geist und fester Hand die ganze Bewegung geleitet, welche die apenninische Halbinsel zu einer Großmacht vereinigt, der nur noch ihre künftige Hauptstadt und das venetianische Außen¬ werk zu erobern übrig bleiben. Wenn man betrachtet, mit wie geringer Er-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_110893/454>, abgerufen am 24.08.2024.