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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band.

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ran denken zu appelliren, hat er schon die Excommunication über sie aus¬
gesprochen und den übrigen Brüdern alle und jede Gemeinschaft mit ihnen
-verboten.

Die Sache gelangte endlich bis vor die höchste Instanz, den Papst, und
dieser beauftragte drei Aebte aus der Nachbarschaft mit der Untersuchung des
ganzen Zerwürfnisses und ihren Bemühungen gelang es denn endlich, diesen
widerwärtigen Auftritten ein Ende zu machen.

Freilich ohne die Wurzel des Uebels auszurotten. Um das Vermögen
des Klosters stand es so schlecht, daß der Probst den Vorschlag machte, ein
Theil der Mönche solle nach andern Orten übersiedeln, stieß aber damit bei
den Mönchen auf entschiedenen Widerstand, welche vielmehr meinten, vor allen
Dingen möge ihr Oberhaupt den Luxus an seiner eigenen Tafel etwas ein¬
schränken. Dafür rächte dieser sich wieder auf empfindliche Weise an seinen
Untergebenen. Statt einen Tag um den andern ließ er ihnen nämlich nur
des Sonntags Fleisch geben und dieses in kärglichen Portionen -- "das Ge¬
tränk aber wurde auf verschiedene Art versetzt, nämlich manchmal mit einer
Abkochung von Lorbcerbeeren, das war aber noch ein festtäglicher Genuß,
sonst mit Nesselwurzelu oder ähnlichen Pflanzen, besonders'aber mit einem
gewissen unbekannten Kraut, welches der Probst Myrthe nannte; aber wer
nur je Myrthe gesehen hatte, der versicherte, daß das keine sei; andere erklär¬
ten es für ein tödtliches Kraut, andere für weiter nichts als Fichtenwurzeln.
Dieser Trank roch aber so absonderlich, daß viele von den Mönchen lieber
Wasser tranken, denn Wein setzte es auch nicht. Der schlaue Maun wußte es
sogar so einzurichten, daß der Mangel am härtesten seine Widersacher traf,
und die Zwistigkeiten und Gehässigkeiten, welche von Neuem daraus entsprangen,
würden damals dem Kloster das nämliche Schicksal bereitet haben, dem aus
den gleichen Ursachen nicht wenige andere vorher und nachher erlagen, hätte
sich nicht ein päpstlicher Legat desselben angenommen, der um diese Zeit gerade
in der Mark Meißen verweilte. Durch die vielen Klagen über den Verfall
der Zucht auf dem Petersberg bewogen, ließ er durch den Bischof von Merse-
burg eine Untersuchung darüber anstellen. Erwies sich nun auch diese gegen
den Probst als mehr denn nachsichtig, so hatte sie doch, -- und das ist das Letzte,
was uns die Chronik berichtet, -- deu Erfolg, daß mau wieder die Regel
Mit größerem Eiser zu beobachten anfing und die Dinge eine bessere Gestalt
gewannen. Wie vormals gingen die Mönche wieder täglich in Gemeinschaft
Zu den canonischen Stunden in die Kirche und keiner fehlte, als wen seine
Pflicht entschuldigte, sie speisten wieder miteinander im Refectorium. hielten
sich innerhalb der Klostermauern, und sobald die Vespcrglocke lautete, legten
sie ihre Beschäftigungen bei Seite, versammelten sich im Convent, aßen dann
zu Abend und begaben sich zuletzt rechtzeitig in das Dormitorium.


ran denken zu appelliren, hat er schon die Excommunication über sie aus¬
gesprochen und den übrigen Brüdern alle und jede Gemeinschaft mit ihnen
-verboten.

Die Sache gelangte endlich bis vor die höchste Instanz, den Papst, und
dieser beauftragte drei Aebte aus der Nachbarschaft mit der Untersuchung des
ganzen Zerwürfnisses und ihren Bemühungen gelang es denn endlich, diesen
widerwärtigen Auftritten ein Ende zu machen.

Freilich ohne die Wurzel des Uebels auszurotten. Um das Vermögen
des Klosters stand es so schlecht, daß der Probst den Vorschlag machte, ein
Theil der Mönche solle nach andern Orten übersiedeln, stieß aber damit bei
den Mönchen auf entschiedenen Widerstand, welche vielmehr meinten, vor allen
Dingen möge ihr Oberhaupt den Luxus an seiner eigenen Tafel etwas ein¬
schränken. Dafür rächte dieser sich wieder auf empfindliche Weise an seinen
Untergebenen. Statt einen Tag um den andern ließ er ihnen nämlich nur
des Sonntags Fleisch geben und dieses in kärglichen Portionen — „das Ge¬
tränk aber wurde auf verschiedene Art versetzt, nämlich manchmal mit einer
Abkochung von Lorbcerbeeren, das war aber noch ein festtäglicher Genuß,
sonst mit Nesselwurzelu oder ähnlichen Pflanzen, besonders'aber mit einem
gewissen unbekannten Kraut, welches der Probst Myrthe nannte; aber wer
nur je Myrthe gesehen hatte, der versicherte, daß das keine sei; andere erklär¬
ten es für ein tödtliches Kraut, andere für weiter nichts als Fichtenwurzeln.
Dieser Trank roch aber so absonderlich, daß viele von den Mönchen lieber
Wasser tranken, denn Wein setzte es auch nicht. Der schlaue Maun wußte es
sogar so einzurichten, daß der Mangel am härtesten seine Widersacher traf,
und die Zwistigkeiten und Gehässigkeiten, welche von Neuem daraus entsprangen,
würden damals dem Kloster das nämliche Schicksal bereitet haben, dem aus
den gleichen Ursachen nicht wenige andere vorher und nachher erlagen, hätte
sich nicht ein päpstlicher Legat desselben angenommen, der um diese Zeit gerade
in der Mark Meißen verweilte. Durch die vielen Klagen über den Verfall
der Zucht auf dem Petersberg bewogen, ließ er durch den Bischof von Merse-
burg eine Untersuchung darüber anstellen. Erwies sich nun auch diese gegen
den Probst als mehr denn nachsichtig, so hatte sie doch, — und das ist das Letzte,
was uns die Chronik berichtet, — deu Erfolg, daß mau wieder die Regel
Mit größerem Eiser zu beobachten anfing und die Dinge eine bessere Gestalt
gewannen. Wie vormals gingen die Mönche wieder täglich in Gemeinschaft
Zu den canonischen Stunden in die Kirche und keiner fehlte, als wen seine
Pflicht entschuldigte, sie speisten wieder miteinander im Refectorium. hielten
sich innerhalb der Klostermauern, und sobald die Vespcrglocke lautete, legten
sie ihre Beschäftigungen bei Seite, versammelten sich im Convent, aßen dann
zu Abend und begaben sich zuletzt rechtzeitig in das Dormitorium.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_110893/441>, abgerufen am 29.06.2024.